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Landsberg: Ein besonderer Einblick in die „Tatort“-Dreharbeiten

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Ein besonderer Einblick in die „Tatort“-Dreharbeiten

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    Lesung mit Michael Fitz aus dem Buch „Die Leiche darf nicht blinzeln“.
    Lesung mit Michael Fitz aus dem Buch „Die Leiche darf nicht blinzeln“. Foto: Christian Rudnik

    Wenn Tom Bohn nach Landsberg kommt, hat er meist etwas oder jemanden Besonderes dabei. Beim Independent Festival Snowdance waren das unter anderem „Tatort“-Kommissarin Ulrike Folkerts, und die Schauspieler Heiner Lauterbach oder Til Schweiger. Bei einer Lesung im Altstadtsaal in der VR-Bank Landsberg-Ammersee hat er gleich zwei Überraschungen. Er kommt mit seinem neuen Buch „Die Leiche darf nicht blinzeln“ und einem besonderen Gast. Schauspieler Michael Fitz, bekannt als Kriminaloberkommissar aus früheren München-„Tatorten“ oder aus den Serien „Hattinger“ und „Die Toten von Salzburg“, liest aus Bohns besonderer Rückschau seiner Erlebnisse beim „Tatort“. Bohn schrieb und inszenierte 20 Folgen aus dieser Reihe und hat die ungewöhnlichsten und witzigsten Geschichten zusammengetragen und ein Buch geschrieben. Da er zum Schutz der Persönlichkeitsrechte die Namen und Geschehnisse verändert hat, kann man munter mitraten, wen er denn so meint. Aber es sind auch besonders die Nebendarsteller, die diese Geschichten so besonders machen, in vorderster Linie: Die Leiche.

    Die Zuschauerinnen und Zuschauer im Altstadtsaal genossen die Lesung.
    Die Zuschauerinnen und Zuschauer im Altstadtsaal genossen die Lesung. Foto: Christian Rudnik

    Michael Fitz, der nicht nur äußerst humorvoll vorträgt, sondern auch in den Pausen sehr unterhaltsam im Gespräch ist, liest diese Geschichte, sodass man jede Emotion, die der Darsteller hat, nachempfinden kann. Denn der Job ist eine schweißtreibende Aufgabe für „die Leiche“, auch wenn sie meist nur so daliegen muss. Ohne sich zu bewegen oder gar zu blinzeln. Aber das ist nicht alles, „denn eine Leiche darf auch nicht pinkeln“, lachen oder sichtbar atmen, wenn dann gedreht wird. Die Leiche Harald liegt einfach nur unter dem Tisch oder auf dem Obduktionstisch. Für viele Einstellungen - zwei Stunden mit Scheinwerfern beleuchtet und mit Harndrang. Doch es war Haralds Traum einmal im „Tatort“ dabeizusein. Auch wenn der Job vorbei ist, wird es nicht besser, denn dann beginnt die Zeit, wo der Darsteller auf die Ausstrahlung wartet. Ist er zu sehen, ist er erkennbar, in der monatelangen Wartezeit nervt er dabei die Filmgesellschaft mit zahlreichen Anrufen und verzweifelt an dem Gedanken, dass gerade dieser „Tatort“ nicht gesendet wird. Endlich ist es so weit, Harald sieht seinen Film im in der Zeitschrift „Der Spiegel“ (er ist im „Spiegel“) als Vorkritik, und sofort wird das an alle Freunde versendet. Bei der Ausstrahlung sitzt er auf dem Sofa, kann aber gar nicht zuschauen, weil der sonst eher einsame Harald ständig erkannt und angerufen wird. Ende gut, alles gut? Vielleicht, auch wenn er inzwischen im Job degradiert wurde und seine Frau verloren hat. Eine Geschichte mit Tiefgang und passend zur Leiche „Galgenhumor“.

    In einer anderen Geschichte geht um einen Regisseur, der am Bodensee dreht und eigentlich lieber einen Action-Film drehen möchte. Auf der deutschen Seite wird gedreht und die Schweizer Seite liegt gegenüber. Ruhig. Doch die Geschichte heißt „Knaller“ und ein Zeuge soll um die Ecke gebracht werden und deshalb gibt einen Anschlag. Ein alter ramponierter Wohnwagen soll mit ihm in die Luft gejagt werden und der Regisseur packt alles, was geht an Sprengstoff in den Wagen. Er wird mit drei Benzinbomben bestückt. Der Special Effect Supervisor gibt zu bedenken, ob das nicht zu viel ist, aber Regisseur Arno will es krachen lassen.

    Kennen sich schon schon lange: Michael Fitz und Tom Bohn.
    Kennen sich schon schon lange: Michael Fitz und Tom Bohn. Foto: Christian Rudnik

    Während sich das Filmteam in Sicherheit bringt, gibt es nach der Explosion eine tote Ente zu beklagen und jede Menge Reporter sogar die „Bild“-Zeitung sind vor Ort. Denn die Dreharbeiten waren am gegenüberliegenden Ufer in der Schweiz nicht gemeldet worden, und der Feuerball (zehn Meter hoch) hatte Alarm ausgelöst. Michael Fitz liest das sichtbar gerne und muss manchmal schmunzeln und selbst lachen. Das müssen viele Zuschauerinnen und Zuschauer auch, denn wenn man sich die Situationen vorstellt ist es wirklich komisch. Man leidet aber auch ein bisschen mit den Darstellern mit.

    Bohn und Fitz sprechen nach der Lesung noch ein wenig über die Situation des Deutschen Films und die ist wenig rosig und gibt wenig Grund zum Lachen. Bohn sagte schon im Vorfeld: „Die Produktionsbedingungen haben sich massiv geändert. Vor allem durch die Digitalisierung. Aber auch die Stoffe. Letzteres fällt meines Erachtens besonders ins Gewicht.“ Ihm sind die Redaktionen zu „brav“ geworden, es gebe nicht wirklich etwas Provokantes mehr. „Es läuft da zu viel Mainstream.“ Auch am Abend kritisierte der die Filmförderung, die nicht da hingehe, wo man es erwarte und sagte, dass es kaum noch neue deutsche Filme gebe. „Auf ein Fernsehspiel wartet man vergebens.“ Das sei eine traurige Angelegenheit und stehe vor dem Kollaps. Man müsse etwas tun. Michael Fitz sieht das ähnlich. „Viele gerade älter Schauspieler, die nicht vorgesorgt haben, stehen vor der Altersarmut.“ Bohn, der im Moment das Festival Snowdance, das früher in Landsberg war, und nun in Essen ist, vorantreibt, dreht gerade keine „Tatorte“ mehr. „Jetzt habe ich mehr Zeit Bücher zu schreiben“, sagt er lachend.

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