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Landsberg: Das Projekttheater bringt Mackie Messer nach Landsberg

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Das Projekttheater bringt Mackie Messer nach Landsberg

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    Das Projekttheater bringt Brechts "Dreigroschenoper" nach Landsberg. Das Foto zeigt Schauspielerin Maria Anders und Regisseur Roman Groß.
    Das Projekttheater bringt Brechts "Dreigroschenoper" nach Landsberg. Das Foto zeigt Schauspielerin Maria Anders und Regisseur Roman Groß. Foto: Christian Rudnik

    „Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht, und Macheath, der hat ein Messer, doch das Messer sieht man nicht“ - wohl jeder kennt Lieder oder Textfragmente aus der Dreigroschenoper. Rund 100 Jahre ist es her, dass Bert Brecht dieses Stück, angesiedelt in der Londoner Unterwelt, schrieb, die Uraufführung fand in Berlin statt. Nun kommt die Geschichte vom skrupellosen Gangsterboss Macheath, genannt Mackie Messer, Bettlerkönig Jonathan Peachum und dem korrupten Polizeichef Tiger Brown nach Landsberg. Das Projekttheater bekommt dabei Verstärkung durch die Profischauspielerin Jarah Maria Anders (34). 

    Regie führt erstmals Roman Groß (26), der Theater an der Universität Wien studiert und als Spieler bei der landsberger bühne bekannt ist. Obwohl beide in Landsberg aufwuchsen, kommen sie nun erstmals durch diese Produktion zusammen. In der setzt sich Anders, die zuletzt in einigen Rollen bei „Aktenzeichen XY ungelöst“ zu sehen war, intensiv mit toxischer Männlichkeit auseinander, um den Mackie Messer zu spielen. Diese musste sie bereits selbst erleben, wie sie im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet. 

    Warum eine Frau in der männlichen Hauptrolle? „Brecht wollte nicht, dass sich Schauspielerinnen und Schauspieler in ihre Rolle einfühlen, sondern mit ihr brechen“, erklärt Groß. „Jarah nimmt als Frau die Männlichkeit in der Rolle ganz anders wahr.“ Seit September 2023 wird geprobt. „Zuerst fand ich es cool, mich einmal als Mann fühlen zu können, auf den alle Frauen stehen“, berichtet Anders. Doch bald merkte sie: Die Rolle ist eine echte Herausforderung, auch körperlich. Dieser stellt sie sich durch intensive Beschäftigung mit der „Männlichkeit“. Zu der gehören Muskeln und Kraft, und so stärkt sie ihren zierlichen Körper durch Liegestützen, 50 schafft sie mittlerweile, und andere Kraftübungen. 

    Zur Einstimmung hat Maria Anders viele Filme angesehen

    „Zur Einstimmung habe ich mir viele Filme angeschaut, mit Schauspielern wie John Malkovich, Jonny Depp , Anthony Hopkins und sogar Bruno Ganz in „Hitler“. „Durch die Sonnenbrille habe ich bei Passanten prägnante Gesten oder Handbewegungen beobachtet“, erzählt Anders. Auf der Suche nach dem für die Rolle notwendig aggressiven Gefühl in sich griff sie auch zu ungewöhnlichen Methoden: „Zuerst probierte ich es mit Kaffee, aber ich bekam Herzrasen. Dann ging ich gleich morgens in die Sauna, aß den ganzen Tag nichts und war so bei den Proben genau im richtigen Erregungszustand.“ 

    Die Schauspielerin Maria Anders bei den Proben zur Dreigroschenoper im Sternradhaus in Landsberg.
    Die Schauspielerin Maria Anders bei den Proben zur Dreigroschenoper im Sternradhaus in Landsberg. Foto: Christian Rudnik

    Zudem beschäftigte sie sich mit den menschlichen Abgründen, fand Parallelen zwischen sich und Mackie Messer. „Eine Lehrerin sagte mir einmal, ich sei grenzüberschreitend, raumgreifend und übergriffig. Außerdem höre ich oft, dass ich ein bisschen crazy sei“, so Anders, die bei der Nabelschau auch feststellte, dass sie wie Mackie Messer auch zu Gedankensprüngen neigt. Genau studiert sie auch, wie der Reiz funktioniert, den der Gangsterboss auf die Frauen ausübt – zusammengefasst: Zuckerbrot und Peitsche. Herausfordernd war die Kostümwahl: Die weiblichen Attribute bleiben sichtbar, Anders trägt Männerkleidung und das lange Haar als Dutt, jedoch Schuhe mit Absatz: „Das gibt mir ein chefigeres Auftreten.“ Die Zusammenarbeit mit dem Projekttheater beschreiben Groß und Anders als „sensationell“ - keine Ellbogenmentalität, dafür viel Energie und Spielfreude. Durch die Übernahme mehrerer Rollen mit ganz unterschiedlichen Charakteren ist das Stück auch für einige der Projekttheater-Schauspielerinnen eine harte Nuss. 

    Einige Kostüme sind im Probenraum im Sternradhaus schon zu sehen, eigens entworfen und genäht von Paula Glawion, zerrissener Chic der Roaring Twenties. Auch das Bühnenbild steht schon: Gerippe aus drei Baugerüsten, die auf zwei Ebenen bespielt werden. Klingt spartanisch, wird jedoch mit ausgeklügelter Lichttechnik aufgemöbelt. Rund eine Tonne an Technikmaterial benötigen Noam Braun und Severin Groß, die für Licht- und Sounddesign zuständig sind, zusätzlich zur Ausstattung im Stadttheater.

    Der Regisseur fährt zwei Mal die Woche von Wien nach Landsberg

    Für Roman Groß ist die Dreigroschenoper ein Herzensprojekt. Meist fährt der junge Regisseur zwei Mal in der Woche von Wien nach Landsberg zu den Proben. „ Denn wovon lebt der Mensch? Indem er stündlich den Menschen peinigt, auszieht, anfällt, abwürgt und frisst – erst nach dem Fressen, kommt dann irgendwann die Moral.“ Dieses Zitat aus dem Stück sei heute noch aktuell. „Die stückimmanente toxische Männlichkeit steht exemplarisch für aktuelle antifeministischen Strömungen eines erstarkenden Rechtspopulismus und -extremismus in Deutschland. Wie bereits in der sterbenden Weimarer Republik, bröckelt bei vielen jungen Menschen der Zukunftsoptimismus. Das Ansehen der Regierungsparteien sinkt, es herrschen mentale Verunsicherung und Vertrauensverlust, die Welt wirkt zunehmend undurchschaubarer“, fasst Groß zusammen. So gewännen rechte Parteien Zuspruch, da sie vermeintlich einfachere Lösungen böten. 

    „Gleichberechtigung sollte in einer demokratischen Gesellschaft nicht verhandelbar sein, jedoch sieht man Feminismus am rechten Rand als Gefahr. Dort will man die Emanzipations- und Liberalisierungsgewinne der jüngeren Geschichte revidieren“, so Groß, der dafür viele Beispiele, gerade auch aus den sozialen Medien liefert, so queerfeindliche Influencer und das Alpha Male Movement. Drei Stunden Theater, acht Bilder, Musik und Choreografien unter Leitung von Andrea Winterhalder und Darron Terrode, kombiniert mit Amüsement und Schärfe, das versprechen die Aufführungen der Dreigroschenoper im Stadttheater am 28., 29. und 30. Juni. 

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