War es eine besinnliche Stunde, die in der Landsberger Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt am späten Nachmittag angeboten wurde? Das sicher auch, vor allem jedoch war es hervorragende Chor- und Orgelmusik, die Interessierte anhören durften. Unter dem Titel „Christus factus est“ sang das Vokalensemble Kempten unter der Leitung von Benedikt Bonelli Chorsätze aus Barock und Romantik. Der Landsberger Dekanatskantor Winfried Lichtscheidel präsentierte im Wechsel mit dem Chor an der Orgel Auszüge aus der Komposition „Der Kreuzweg“ von Marcel Dupré.
Äußerst positiv bereits der Beginn: Das Vokalensemble Kempten, das vermutlich zum ersten Mal in Landsberg auftrat, eröffnete mit einem Chorsatz des Niederländers Johannes Verhulst und beeindruckte mit glasklarem, kräftigem Gesang. Das „Inclina Domine“ wurde als Bitte verstanden und kam auch so bei den Zuhörerinnen und Zuhörern an. Die folgende, von Dupré dunkel-anklagend vertonte erste Kreuzwegstation ließ Lichtscheidel relativ ruhig von der Orgelempore fließen. „Das Blut Jesu Christi“ ist eine weitere Bitte und war vom Chor ein erster Ausflug in den Barock. In der dritten Kreuzwegstation sind bereits Vorahnungen von kommendem Unheil zu hören, allerdings verbunden mit einem zarten Funken Hoffnung, zart registriert vom Organisten. „Timor et tremor“ von Francis Poulenc berichtet von Furcht und Finsternis. Der Komponist hatte den Text einfühlsam vertont, die Sängerinnen und Sänger interpretierten ihn angenehm romantisch. Bei der vierten Station begegnet Jesus seiner Mutter. Deren lautloses Weinen, deren innerliche Trauer und Klage, machte Lichtscheidel mit einem einfachen, klagenden Ton hörbar.
Die zwölfte Station erzeugt Gänsehaut in der Landsberger Stadtpfarrkirche
Was wäre darauf passender als das vom Vokalensemble einfühlsam gesungene „Ubi caritas est“ von Maurice Duruflé. Eine kleine Melodie, bestehend aus wenigen Tönen, begleitet Veronika, die in der sechsten Station Jesus das Schweißtuch reicht. Wunderbar, wie einfach und sanft fließend dieser Liebesdienst klingen kann. Dass die Leidensgeschichte sich dem absoluten Höhe- beziehungsweise Tiefpunkt nähert, wird beim barocken „Tristis anima mea“ von Johann Kuhnau erstmals deutlich. Noch fließt der Gesang schön und gleichmäßig dahin. Erschreckend deutlich wird das jedoch bei der elften Station: Schier gewalttätig werden die Schläge hörbar gemacht, mit denen Jesus ans Kreuz genagelt wird. Der gleichmäßige Rhythmus ruft Entsetzen hervor, dazwischen ist andeutungsweise das Schmerzensthema zu hören. Mit „Cruzifixus etiam pro nobis“ (Antonio Lotti) aus dem Credo unterstrich der Chor das Geschehen.
Gänsehaut erzeugte die zwölfte Station. Für das Erdbeben beim Tod Jesu, das Dupré hier vertont hat, ließ Winfried Lichtscheidel die Schmid-Orgel der Kirche dunkel grollen, dabei an- und abschwellen. Es entstand dabei fast der Eindruck, das Gotteshaus würde ebenfalls von einem Erdbeben erschüttert. Mit Anton Bruckners Motette „Christus factus est“ bekräftigte der Chor den Tod Jesu. Beeindruckend hier war ein wunderbarer, kraftvoller Bass. Die Grablegung Jesu in der 14., der letzten Kreuzwegstation ist noch einmal eine musikalische Beschreibung der Leidensgeschichte mit einem langsamen, doch hoffnungsvollen Verklingen.
Selten ist die große Orgel der Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt so zart, so still und doch so aussagekräftig zu hören wie bei diesem Schluss der Passionsmusik. Ergriffenes Schweigen der Zuhörerschaft – ganz zögerlich setzte sich Beifall für das rundum gelungene Konzert ein, bei dem Kreuzwegstationen und Chorsätze zu einer Einheit verschmolzen.