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Landsberg: Aus Träumen und Wünschen entsteht ein explosives Gemisch

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Aus Träumen und Wünschen entsteht ein explosives Gemisch

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    Kartenrunde im Stück "Endstation Sehnsucht" im Stadttheater: (von links) Blanche (Franziska Beyer), Mitch (Stephan Weber), Pablo (Lucas Riedle), Stanley (Justin Hibbeler), Steve (Dennis Junge), und Stella (Emma Schoepe).
    Kartenrunde im Stück "Endstation Sehnsucht" im Stadttheater: (von links) Blanche (Franziska Beyer), Mitch (Stephan Weber), Pablo (Lucas Riedle), Stanley (Justin Hibbeler), Steve (Dennis Junge), und Stella (Emma Schoepe). Foto: Thorsten Jordan

    Vor über 70 Jahren beschreibt Tennessee Williams in seinem mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Erfolgsstück „Endstation Sehnsucht“ die Lebensrealität der Bewohner eines heruntergekommenen Arbeiterviertels von New Orleans. Die Inszenierung des Landestheaters Tübingen unter der Regie von Daniel Foerster transferiert die Geschichte vom Tiny House mit Südstaatenfassade in ein aufklappbares rosarotes Barbie-Traumhaus – konzipiert von Miriam Haas, die dazu passend auch das Ensemble einkleidete. Das Publikum im bis auf den letzten Platz besetzten Stadttheater konnten in der beengten, ständig einsehbaren Tristesse hautnah mitverfolgen, wie sich bei den Menschen mit ihren unterschiedlichen Träumen, Sehnsüchten und Wünschen ein explosives Gemisch aus Hass, Wut und Gewalt zusammenbraute. 

    Blanche Du Bois (Franziska Beyer), eine verblühende Dixieland-Schönheit, verlor nicht nur ihren Job als Lehrerin, sondern auch, ihrer Verschwendungs- und Alkoholsucht geschuldet, den Familienbesitz. Mit wenigen Cents in der Tasche, jedoch mit einem riesigen Rollkoffer voller Schmuck und edlen Klamotten, sucht sie Zuflucht bei ihrer jüngeren Schwester Stella (Emma Schoepe) und deren vulgären, unkultivierten Macho Stanley Kowalski (Justin Hibbeler), einem Sohn polnischer Einwanderer. Entsetzt über die Beschränkungen im beengten Ambiente an der Endstation der Straßenbahnlinie „Sehnsucht“, fordert sie mit rhetorischer Überlegenheit und permanenter Selbstdarstellung den primitiven und vermeintlich dummen Schwager heraus. Der wehrt sich mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen ihre Respektlosigkeit und bezieht sich wütend auf den Code Napoleon des Staates Louisiana, nach dem alles, was der Frau gehört, auch dem Mann zusteht. Er fürchtet, sie will ihm nach seinem Besitz auch seine Frau nehmen. 

    Für die Darsteller gibt es im Landsberger Stadtheater am Ende viel Applaus

    Die schwangere Stella, Schwester und Mann stets zu Diensten, ist um Ausgleich bemüht, wird jedoch von diesem verprügelt. Auch Nachbarin Eunice (Solveig Eger) erträgt die Gewaltexzesse ihres Mannes Steve (Dennis Junge). Statt der Polizei wird was zu trinken geholt, es gibt Tränen, einen Geldschein oder Perlen, ein lustiges Selfie und alles ist wieder gut. Die Kommunikation beschränkt sich oft auf inhaltslose Nebensächlichkeiten und findet hauptsächlich mit dem Smartphone statt. 

    Die intensiven Schauspielleistungen kamen beim Publikum gut an.
    Die intensiven Schauspielleistungen kamen beim Publikum gut an. Foto: Thorsten Jordan

    Stanley stellt Recherchen über Blanches Absturz aus der wohlhabenden Oberschicht an und konfrontiert sie nun mit erdrückenden Tatsachen, die auch seinen Freund Mitch (Stephan Weber) abschrecken, dem sich Blanche angenähert hatte. In ihrer hoffnungslosen Situation platziert sie sich, durch Lichteffekte und Musikunterstützung verstärkt, in einem Fantasiekonstrukt, dessen tragischer Untergang vorhersehbar ist. 

    Das Landestheater Tübingen ist gern gesehener Gast im Stadttheater Landsberg.
    Das Landestheater Tübingen ist gern gesehener Gast im Stadttheater Landsberg. Foto: Thorsten Jordan

    Feine Charakterzeichnungen in kleinen Alltagssituationen beleuchten die erschreckende Hilflosigkeit der an der Peripherie Lebenden, auch in den wenigen humorvollen Augenblicken, selbst wenn die ausufernden alkohol- und testosterongesteuerten Pokerrunden ein beklemmendes Gefühl erzeugen. So wie die Welt dreht sich das von Schauspielern mit Narrenmasken bewegte rosa leuchtende Domizil weiter und gibt den Blick ins Innere frei. „Ich muss unbedingt hier raus“, erkennt Blanche, die hysterisch von einer gemeinsamen Kreuzfahrt an der Hand eines jungen Schiffsarztes träumt. Es ist zu spät. Als sie mit Stanley allein im Haus ist, entlädt sich dessen psychische und körperliche Gewalt. Wohin nun die Reise geht, mit dem Arzt (Lucas Riedle), der sie abholt, ist klar. Nach dreieinhalb stündiger intensiver Spielzeit gibt es für eine großartige schauspielerische Leistung verdienten Applaus.

    Kultur erleben – und zwar vom Sofa aus: Das Staatstheater bietet digitale Vorführungen an. In der Live-Ausgabe unseres Podcasts "Augsburg, meine Stadt" sagt Tina Lorenz, warum sie sich nicht vor der Konkurrenz durch Netflix und Co. fürchtet.

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