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Landkreis Landsberg: Naturschutz: Was sich am Ammersee ändern soll

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Naturschutz: Was sich am Ammersee ändern soll

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    Ramsar-Gebietsbetreuer Christian Niederbichler bei einer Führung im Ampermoos.
    Ramsar-Gebietsbetreuer Christian Niederbichler bei einer Führung im Ampermoos. Foto: Andrea Gehrold

    Christian Niederbichler ist der dienstälteste der 56 Gebietsbetreuer in Bayern. Seit 1997 kümmert er sich um den Naturschutz rund um den Ammersee. Seine Stelle wurde als Pilotprojekt ins Leben gerufen und machte schnell Schule. Trotzdem ist er mit der aktuellen Situation nicht ganz zufrieden. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt er, warum.

    Gute Nachrichten für die Ammersee-Region gab es zuletzt vom Bayerischen Naturschutzfonds. Die Stiftung wird für weitere drei Jahre die Finanzierung der Gebietsbetreuung in Bayern übernehmen. Mit 7,7 Millionen Euro wird bis 2024 die Gebietsbetreuung in 56 ökologisch wertvollen Landschaften in Bayern unterstützt – darunter auch das Ramsar-Gebiet Ammersee. Über diese Anerkennung freut sich Christian Niederbichler ganz besonders. Dennoch würde er sich generell länger andauernde Förderphasen von mindestens fünf Jahren wünschen, um Kontinuität für langfristige Projekte zu gewährleisten. Und er ist der Meinung, dass nur eine Gebietsbetreuerstelle für ein großes Gebiet wie den Ammersee grundsätzlich zu wenig ist.

    Es sei in den vergangenen Monaten vorgekommen, so der 54-jährige Diplom-Geograf und Ornithologe, dass die berittene Polizei den Besucherdruck in beliebten Naturschutzgebieten lenken und Besucher informieren musste, um Schaden von Tieren und Pflanzen abzuwenden. Solche Verhältnisse wünscht er sich für den Ammersee nicht und plädiert stattdessen für den Einsatz hauptamtlicher Ranger oder Naturschutzwächter.

    Sohlschwelle am südlichen Ammersee.
    Sohlschwelle am südlichen Ammersee. Foto: Christian Niederbichler

    Ein gutes Beispiel dafür sei der Naturpark Nagelfluhkette im Allgäu. „Die Ranger setzen dort ihr Wissen überall ein, wo es benötigt wird, in den Naturparkschulen, mit eigenen Programmen und in der Besucherinformation und Besucherlenkung.“ Er allein, so Niederbichler, könne wenig ausrichten, wenn Leute zur Iris-Blüte in die Wiesen am Südende des Ammersees laufen oder ihren Osterspaziergang trotz zahlreicher Verbotsschilder in den Streuwiesen im Ampermoos machen, wo in dieser Zeit die Wiesenbrüter Ruhe benötigen. Er habe die Erfahrung gemacht, dass Besucher verständnisvoll reagieren, wenn man sie freundlich anspricht und informiert. Auch deshalb plädiert Niederbichler für ein Besucherzentrum nach dem Vorbild der Biologischen Station im Murnauer Moos.

    Die Personaldecke ist dünn

    Niederbichler freut sich darauf, mit der Rückkehr seiner Kollegin Jana Jokisch aus der Elternzeit wieder Verstärkung zu bekommen. Die junge Biologin, die sich mit Niederbichler eine Stelle teilt, möchte sich verstärkt um Themen wie Umweltpädagogik, Information und Öffentlichkeitsarbeit und einen guten Kontakt zu den Wassersportlern kümmern. „Doch selbst dann ist unsere Personaldecke noch sehr dünn, denn wir haben niemanden, dessen ausschließliche Aufgabe es ist, draußen kontinuierlich vor Ort zu sein – eine Art Ranger oder Naturschutzwächter eben.“

    Jetzt freut sich Niederbichler auf den Frühling. „Das ist jedes Jahr ein großes Aufblühen. Bei mildem Wetter hört man schon jetzt, an den Tagen um Mariä Lichtmess, die ersten Vogelstimmen. Die Lichtverhältnisse, die sogenannte Tag-und-Nacht-Gleiche, haben einen großen Einfluss auf die Vögel.“

    Warten auf den Großen Brachvogel

    Bereits im März/April soll es wieder hinaus gehen ins Ampermoos, um die Flächen für die Ankunft des Großen Brachvogels vorzubereiten. Diese Aufgabe nimmt Niederbichler gerne mit der Ornithologin und Tierfilmerin Susanne Hofmann wahr. Zu Niederbichlers ehrenamtlichen Unterstützern gehören ebenso eine muntere Schar von Vogelzählern, Naturschutzvereine, der Landschaftspflegeverband Ampermoos, die Mobile Umweltschule von Markus Blacek sowie zahlreiche Bauern. „Es gibt mittlerweile wieder Landwirte, die einen Tiefstreustall bauen möchten, um die Mahd von den Streuwiesen optimal zu verwerten“, freut sich Niederbichler. „So ein Netzwerk ist sehr wichtig, um Projekte voranzubringen, und es braucht Zeit, Kontinuität und Vertrauen, um es aufzubauen.“

    Was dem Ramsar-Betreuer daneben am meisten Freude macht, sind die Führungen durch das Naturschutzgebiet Vogelfreistätte Ammersee-Süd, die aber pandemiebedingt voraussichtlich erst im Herbst wieder möglich sein werden. Unvergessen bleibt ihm eine Führung in seinen Anfangsjahren an einem Sonntagmorgen. Die einzigen Teilnehmerinnen waren Liselotte Orff, die Witwe des bekannten Komponisten, und deren Nachbarin. Mit den beiden Naturfreundinnen entstand eine lange Freundschaft. Nach der Führung habe Frau Orff ihn eingeladen, ihren Garten am Ziegelstadl zu besuchen. Dort sei er aus dem Staunen über die seltenen Schmetterlingsarten und die artenreichen Wiesen gar nicht mehr herausgekommen. Und er erinnert sich auch an eine Führung, an der ein blindes Mädchen teilnahm, das mit großer Präzision Vogelstimmen wahrnehmen und zuordnen konnte.

    Der Schilfrohrsänger ist im trockenen Schilf kaum zu erkennen. Die bedeutendste Population in Bayern findet sich am Ammersee-Südufer.
    Der Schilfrohrsänger ist im trockenen Schilf kaum zu erkennen. Die bedeutendste Population in Bayern findet sich am Ammersee-Südufer. Foto: Christian Niederbichler

    Nach 23 Jahren kann sich Christian Niederbichler auch über zahlreiche Artenschutzerfolge freuen, seien es der Erhalt oder die Entdeckung seltener Orchideenarten, die Rückkehr des Brachvogels, die Verdopplung der Bekassinen-Brutpaare oder die vielen Schmetterlings- und Insektenarten, die im Moos eine Zuflucht haben. Aber als Gebietsbetreuer sieht er auch vieles, was noch zu tun ist. Für den sehr seltenen Schilfrohrsänger ist der Ammersee eines der wichtigsten Gebiete in Bayern, hier leben bis zu 20 Prozent der gesamtbayerischen Population. Der kleine Sänger hält sich am Rande der Streuwiesen in nicht gemähten, landseitigen Bereichen des Schilfs auf und ernährt sich hauptsächlich von Schilfblattläusen. Der hochspezialisierte Schilfbewohner mag es, wenn einzelne Weidensträucher in seinem Lebensraum stehen, die ihm zusätzliche Nahrung bieten. Sensibel reagiert er allerdings auf starke Verbuschung. Diesbezüglich sei am Ammersee-Südende bereits eine Grenze erreicht. „Da müsste man auslichten. Das wäre wichtig, um diese Art zu erhalten.“

    Das Braunkehlchen gehört zu den seltenen Arten, die am Ammersee noch einen Lebensraum haben.
    Das Braunkehlchen gehört zu den seltenen Arten, die am Ammersee noch einen Lebensraum haben. Foto: Christian Niederbichler

    Wie der Schilfrohrsänger steht auch das Braunkehlchen auf der Roten Liste. „Alle drei Jahre, wenn wir den Bestand in den Raistinger Wiesen untersuchen, ist er fast halbiert“, berichtet Niederbichler. Dabei spiele Nahrungsarmut durch Insektenmangel, verursacht durch den Einsatz von Insektiziden und die Intensivierung der Landwirtschaft eine große Rolle, und zwar auch bereits auf den Zugwegen des Vogels durch Frankreich und Spanien und mittlerweile auch in Afrika. Um dem Vogel zu helfen, müsse man versuchen, Flächen wieder in blütenreiche Wiesen zu verwandeln.

    Die Unterzeichnung der Ramsar-Konvention zum Schutz der Feuchtgebiete jährte sich am 2. Februar zum 50. Mal. Wegen der Corona-Pandemie gab es dazu keine Feier. Diese soll nun voraussichtlich im Spätsommer nachgeholt werden.

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