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Landkreis Landsberg: Ist der Lechkiesel ein „Protzbau“ – oder doch ein „reiner Zweckbau“?

Landkreis Landsberg

Ist der Lechkiesel ein „Protzbau“ – oder doch ein „reiner Zweckbau“?

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    Landrat Thomas Eichinger sowie Martin Erdmann und Christian Loderer (hinten, von links) von der Bürgerinitiative „LRA Neubau stoppen“ stellen sich in der Redaktion des Landsberger Tagblatts den Fragen von Redaktionsleiterin Alexandra Lutzenberger und ihrem Stellvertreter Thomas Wunder.
    Landrat Thomas Eichinger sowie Martin Erdmann und Christian Loderer (hinten, von links) von der Bürgerinitiative „LRA Neubau stoppen“ stellen sich in der Redaktion des Landsberger Tagblatts den Fragen von Redaktionsleiterin Alexandra Lutzenberger und ihrem Stellvertreter Thomas Wunder. Foto: Thorsten Jordan

    Am Tag der Bundestagswahl entscheiden die Bürgerinnen und Bürger über den geplanten Neubau des Landratsamts am Penzinger Feld. Herr Eichinger, mit welchem Ausgang rechnen Sie?
    THOMAS EICHINGER: Bei Wahlen und Bürgerentscheiden stelle ich mich prinzipiell auf alle möglichen Ausgänge ein. Natürlich hoffe ich, dass wir als Landkreis einen Auftrag bekommen, die Planungen für ein Gebäude weiterzubetreiben. Ich bin der Bürgerinitiative auch dankbar. Denn das Interesse ist jetzt sicher höher, als wenn man das Thema nicht über einen Bürgerentscheid behandeln würde. Aufgrund der Bundestagswahl werden wir eine hohe Wahlbeteiligung haben. Das gibt dem Ganzen demokratischen Rückhalt für das weitere Vorgehen, egal wie es ausgeht.

    Und wie ist die Gefühlslage bei der Bürgerinitiative?
    MARTIN ERDMANN: Wir bekommen viele positive Rückmeldungen – und zwar von ganz unterschiedlichen Gruppen und Menschen. Wir gehen daher davon aus, dass der Lechkiesel abgelehnt wird.

    Das Landratsamt informiert unter anderem in einem Pop-up-Store in der Innenstadt über die Planungen. Wie ist dort die Resonanz der Bürgerinnen und Bürger?
    EICHINGER: Es werden viele gute Gespräche geführt, in denen die Informationsdefizite ein Stück weit behoben werden können. Ich persönlich erlebe ausschließlich positive Rückmeldungen zu dem Gebäude. Bei Veranstaltungen oder Bürgerversammlungen ist immer eine Offenheit und Akzeptanz da – eine Unversöhnlichkeit zu dem Thema habe ich nie gesehen.

    Landrat Thomas Eichinger erlebt laut eigener Aussage nur positive Rückmeldung zum geplanten Verwaltungsgebäude am Penzinger Feld.
    Landrat Thomas Eichinger erlebt laut eigener Aussage nur positive Rückmeldung zum geplanten Verwaltungsgebäude am Penzinger Feld. Foto: Thorsten Jordan

    „Ich sehe es als in Beton gegossenen Bürokratieaufbau, den wir da machen“

    Martin Erdmann (links) und Christian Loderer von der Bürgerinitiative erachten den Lechkiesel als überteuert und überdimensioniert.
    Martin Erdmann (links) und Christian Loderer von der Bürgerinitiative erachten den Lechkiesel als überteuert und überdimensioniert. Foto: Thorsten Jordan

    Sie sprechen die Kosten an. Im Raum stehen nach aktuellen Schätzungen 120 Millionen Euro.
    ERDMANN: Kommt der Bau, bauen wir 290 Millionen Euro an Schulden auf bis 2028. Das können wir uns überhaupt nicht leisten. Ursprünglich hatte das Bauamt für ein neues Gebäude eine Summe von 30 Millionen Euro geschätzt. Herausgekommen sind jetzt 120 Millionen, und wir gehen alle davon aus, dass es dabei nicht bleiben wird. Für überdimensioniert halten wir das Vorhaben, weil es nicht nur um die Zusammenlegung von Außenstellen geht, es geht auch um einen großen Sitzungssaal, um ein zweites Büro für den Landrat und um eine Cafeteria.
    EICHINGER: Dem möchte ich grundsätzlich widersprechen. Es gab keine Kostenberechnung oder Kostenschätzung, die Gesamtkosten in Höhe von 30 Millionen Euro beinhaltet hat.  Wir haben auch nicht nur ein Grundstück, nicht nur ein Hochbaugebäude und eine Tiefgarage dazu, wir haben auch eine PV-Anlage, einen Energiespeicher und die technische Ausstattung in dem Gebäude ist allein 35 Millionen Euro schwer. Die Baunebenkosten liegen allein bei 20 Millionen Euro.

    Anteil an Finanzierungskosten „völlig tragbar und vernünftig“

    Die Visualisierung zeigt, wie der Innenhof des neuen Landratsamts im Landsberger Osten aussehen könnte.
    Die Visualisierung zeigt, wie der Innenhof des neuen Landratsamts im Landsberger Osten aussehen könnte. Foto: Hascher Jehle Architektur
    Die Initiatoren des Bürgerbegehrens: Marcus Noack, Christian Loderer, Hans-Jürgen Schulmeister und Martin Erdmann.
    Die Initiatoren des Bürgerbegehrens: Marcus Noack, Christian Loderer, Hans-Jürgen Schulmeister und Martin Erdmann. Foto: Christian Rudnik (Archivfoto)

    Es stehen andere Investitionen an, die aus Sicht vieler Leute wichtiger sind – beispielsweise in das Klinikum, die Schulen oder die Seniorenheime. Können diese Projekte neben einem möglichen Neubau des Landratsamts finanziert werden?
    EICHINGER: Bei Schulen und Klinikum gibt es hohe Förderanteile. Zwischen 2012 und 2022 haben wir über 150 Millionen Euro investiert in Projekte in den Bereichen Hoch- und Tiefbau. Dennoch haben wir es geschafft, die Schulden zu halbieren und ein Finanzpolster aufzubauen, das 2022 bei knapp 70 Millionen Euro lag.
    LODERER: Mich irritiert es, den Blick auf die Vergangenheit in die Gegenwart zu transportieren und daraus ein Bild für die Zukunft zu schnitzen. Wenn wir angesichts der Wirtschaftslage glauben, dass uns weiter dieselben Einnahmen so zur Verfügung stehen, dann machen wir, glaube ich, etwas falsch.
    EICHINGER: Dem liegt eine grundsätzlich falsche Wahrnehmung der Kommunalfinanzierung zugrunde. Die Finanzplanung ist im Landkreis zunächst ein Worst-Case-Szenario, das so noch nie eingetreten ist. Bei der Umlagekraft haben wir jährlich Wachstum gehabt, wir planen aber kaum Steigerungen in die Zukunft ein und nehmen die heutigen Einnahmen als Maßstab. Das ist eigentlich die erste Fehlannahme. Die zweite Fehlannahme ist, dass Wachstum in der Wirtschaft notwendig ist, um eine Umlagekraftsteigerung zu haben. Auch bei null Prozent Wachstum gibt es bei uns eine Steigerung. Denn in Deutschland haben wir eine Inflation von in der Regel zwei bis drei Prozent, die Produkte, Arbeit und Dienstleistungen verteuert und deshalb erhöht sich das Steueraufkommen entsprechend.

    Oft wird auch ein reiner Zweckbau gefordert. Warum ist am Penzinger Feld kein abgespeckter Bau ausschließlich mit Büros und Besprechungsräumen möglich?
    EICHINGER: Der Landkreis hat seinerzeit mit einer Dreiviertel-Mehrheit beschlossen, den Architektenwettbewerb für den Standort genau mit den nun gültigen Maßstäben auf den Weg zu bringen. Zur Aufgabenbeschreibung gehörten der Sitzungssaal, die Cafeteria, die Zulassungsstelle, die Parkgarage und die Zusammenführung der Außenstellen. Was ist an dem Gebäude, das nun geplant ist, denn kein Zweckbau? Ob die Lösungen nun rund, oval oder viereckig waren – es waren alles reine Zweckbauten, die bei dem Wettbewerb eingereicht wurden.

    Bürger finden nicht den „Weg durch diesen Fragestellungs-Dschungel“

    Das Landratsamt informiert in einem Pop-up-Store über den Lechkiesel. Dort ist auch ein Modell ausgestellt.
    Das Landratsamt informiert in einem Pop-up-Store über den Lechkiesel. Dort ist auch ein Modell ausgestellt. Foto: Christian Rudnik (Archivfoto)

    Neben dem Bürgerbegehren hat der Kreistag mit knapper Mehrheit ein Ratsbegehren initiiert. Auf dem Stimmzettel finden sich zwei Fragen und eine Stichfrage – ist das nicht verwirrend?
    LODERER: Es ist ein großes Problem, dass der Bürger komplett irritiert ist und nicht den Weg durch diesen Fragestellungs-Dschungel findet. Er weiß nicht, für was er sich eigentlich entscheidet und welche Konsequenzen das hat.
    ERDMANN: Wir wollen den überteuerten und überdimensionierten Bau verhindern und haben eine dementsprechende Frage formuliert. Warum es dann noch ein Ratsbegehren braucht, verstehe ich nicht.
    EICHINGER: Ich halte es nicht für verwirrend. Es ist notwendig, dass wir das Ratsbegehren auf den Weg gebracht haben. Wenn es nur ein Bürgerbegehren gibt und sich das bei der Abstimmung durchgesetzt hätte, gäbe es keine Alternative. Die Beauftragung, die wir uns vom Bürger mit dem Ratsbegehren wünschen, ist die Fortsetzung eines Beschlusses des Kreistags aus dem Jahr 2016 – und der besagt, Außenstellen zusammenzufassen.

    Landrat Eichinger hält das Ratsbegehren für notwenig

    Herr Eichinger, wie müssen die Bürger abstimmen, damit der Lechkiesel kommt?
    EICHINGER: Beim Ratsbegehren müsste mit Ja und beim Bürgerbegehren mit Nein gestimmt werden. Bei der Stichfrage müsste durch ein Kreuz auf der linken Seite dem Bürgerentscheid 1 Vorrang gegeben werden. Dann entscheidet aber immer noch der Kreistag in welcher Form das Gebäude realisiert wird.

    Und wofür wirbt die Bürgerinitiative?
    ERDMANN: Wir rufen dazu auf, beim Ratsbegehren mit Nein zu stimmen und beim Bürgerbegehren mit Ja. Bei der Stichfrage sollte rechts der Bürgerentscheid 2 angekreuzt werden.

    Zu den Personen

    • Thomas Eichinger ist seit Mai 2014 Landrat des Landkreises Landsberg. Der 50-jährige CSU-Politiker war zuvor von 1996 bis 2014 Kreisrat und Gemeinderat in Schondorf.
    • Martin Erdmann ist Kreisvorsitzender der Grünen im Landkreis und Kreisrat. Der 60-Jährige ist einer der Sprecher der Bürgerinitiative „Landratsamt Neubau stoppen“
    • Christian Loderer ist 65 Jahre alt und gerade in der Freizeitphase vor dem Ruhestand. Er lebt in Landsberg, engagiert sich bei der Landsberger Mitte und ist einer der Sprecher der Bürgerinitiative.

    Interview: Alexandra Lutzenberger, Thomas Wunder; Protokoll: Dominik Stenzel

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