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Kreis Landsberg: Die schnelle Berberitze

Kreis Landsberg

Die schnelle Berberitze

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    Auf dem Foto wurde die bestäubende Hummelschwebfliege nicht von der Berberitzenblüte geschnappt, sondern von der darauf sitzenden, perfekt getarnten Krabbenspinne. 
    Auf dem Foto wurde die bestäubende Hummelschwebfliege nicht von der Berberitzenblüte geschnappt, sondern von der darauf sitzenden, perfekt getarnten Krabbenspinne. 

    Über 1000 botanische Arten gibt es in Landsberg und Umgebung. Seltene, aber auch solche, die nur hier vorkommen. Der Landsberger Botaniker Dr. Andreas Fleischmann kennt sie alle. In einer Serie in unserer Zeitung stellt er einige in loser Reihenfolge vor. Heute die Gemeine Berberitze.

    Pflanzen, die sich schnell bewegen können, viele denken da an fleischfressende Pflanzen wie die Venusfliegenfalle mit ihren zuschnappenden Fallenblättern oder die tropischen Mimosen, die sich bei Berührung tot stellen können. Dass es aber auch in unserer heimischen Flora eine Pflanze gibt, die zu solch schnellen Bewegungen fähig ist, wissen wohl nur die Wenigsten: die Gemeine Berberitze (Berberis vulgaris), ein dorniger Strauch, der an sonnigen Hecken und Gebüschrändern wächst.

    Von Mitte Mai bis Juni blüht die Berberitze, dann ist der Strauch dicht mit gelben Blütentrauben übersäht, und man kann diesen Strauch in den Hecken schon von Weitem leuchten sehen. Aus der Nähe kann man die Berberitze dann auch noch riechen und hören: die Blüten verbreiten einen süßlichen, etwas penetranten Duft, der unglaublich viele Insekten anlockt, die um die Blüten herumschwirren – der ganze Strauch scheint zu summen und brummen. Auf den kleinen gelben Blüten gelandet, erleben die tierischen Besucher allerdings eine Überraschung: wenn sie eines der sechs Staubblätter berühren, klappt dieses blitzschnell (in nur etwa einer Zehntelsekunde) nach innen Richtung Stempel, das Bein oder der Saugrüssel des Insekts wird dabei eingeklemmt. Beim Herausziehen des Beines oder Rüssels wird das Insekt dick mit klebrigem Pollen eingeschmiert, und das Insekt versucht sein Glück bei der nächsten Blüte, die so bestäubt wird.

    Man kann diese Klemmfalle ganz leicht selbst ausprobieren, indem man mit einem dünnen Grashalm die Staubblätter der Berberitzenblüten antupft – schlagartig schnappen sie nach innen, und zwar jeweils nur die, die man berührt hat. Wenn man alle sechs hat zuschnappen lassen, benötigt die Blüte einige Stunden, bis die Staubblätter wieder in die Ausgangslage zurückgebogen („gespannt“) sind, dann jedoch ist die Schnappfalle wieder funktionsfähig – solange, bis die Blüte verblüht ist.

    Aus den Blüten entwickeln sich dann längliche, etwa reiskorngroße Früchte, die ab August reif und leuchtend rot werden. Die reifen Früchte sind essbar (der Rest der Pflanze jedoch ist giftig), reich an Vitamin C, und sehr sauer. Daher hat die Berberitze im Deutschen auch noch den Volksnamen „Sauerdorn“ bekommen. Auch das Holz dieses Strauches wurde früher genutzt, denn es enthält einen Farbstoff, mit dem zum Beispiel Wolle und Leinen intensiv gelb gefärbt werden können. Daher wurde die Berberitze im Mittelalter als Färberpflanze angebaut, fast in jeder Feldhecke fand man Berberitzen.

    Später ging es dem zuvor noch beliebten Strauch jedoch vielerorts an den Kragen: Man fand heraus, dass die Berberitze der sogenannte Winterwirt (Zwischenwirt) des Getreiderostes ist, einem parasitischen Pilz, der Getreidepflanzen und zu Ernteeinbußen führen kann. Dabei benötigt dieser Pilz in seinem Entwicklungszyklus einen sogenannten Wirtswechsel, das heißt, er kann nicht sein ganzes Leben als Parasit auf einer Getreidepflanze verbringen, sondern muss zum Überwintern eine ganz spezielle andere Pflanzenart infizieren, in diesem Falle die Berberitze.

    Was viele nicht wissen, ist, dass der Winterwirt der Rostpilze der eigentlich Leidtragende ist, hier wiegt die Infektion viel stärker (und verläuft im schlimmsten Falle für den Wirtsstrauch sogar tödlich), der Sommerwirt wird weniger stark geschädigt und überlebt immer (so verhält es sich auch beim berüchtigten Birnengitterrost, auch hier ist der Winterwirt Wachholder stärker gefährdet als die infizierten Birnbäume im Sommer). Die Berberitze wurde trotzdem an vielen Wuchsorten bekämpft und ausgerottet. Im Dritten Reich gab es sogar eine Anordnung zur „vollständigen Ausrottung der Berberitze auf deutschem Gebiet“. Heute ist der faszinierende Strauch selten geworden, was allerdings nicht mit der so sinn- wie erfolglosen „Ausrottungsaktion“ im Dritten Reich, sondern eher mit der noch sinnloseren Flurbereinigung der Nachkriegsjahre zu tun hat, bei der die für Tiere und Pflanzen als Lebensraum so wichtigen Feldgehölze und Hecken vielerorts im großen Stil komplett entfernt wurden.

    Im Landkreis Landsberg findet man Berberitzen daher fast nur noch in den Naturschutzgebieten an Lech und Ammersee. Wer die zuschnappenden Blüten der Berberitze einmal ausprobieren möchte, muss jedoch nicht extra dorthin fahren: vor dem Landratsamt in der Von-Kühlmann-Straße mitten in Landsberg, und an vielen anderen Zierhecken im Landkreis sind rotblättrige, asiatische Berberitzenarten gepflanzt worden. Und auch deren Blüten können zuschnappen.

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