Über hundert Wagen samt Transportanhängern stehen auf einer Wiese bei Kinsau. Die meisten Anhänger sind leer, aber aus drei von ihnen treten langsam zwei dunkelbraune und ein rotbraunes Pferd in die Sonne. Die Tiere tragen bereits den Bremsenschutz und müssen nur noch gesattelt werden. Nachdem alle Tiere ausgestattet sind, macht sich die Dreiergruppe mit den Reiterinnen auf den Weg zum Zelt, um sich für den Kinsauer Wanderritt anzumelden. Dort erhalten die Reitenden ein Informationsblatt mit den Regeln, den Notfallnummern sowie einer Karte, die die 22 Kilometer lange Strecke detailliert beschreibt. Es gibt Wasser für die Pferde und eine kleine Treppe, die den Reitenden hilft, aufs Pferd zu gelangen. Dann kann der etwa dreistündigen Ritt beginnen.
An die 40 Jahre gibt es den Kinsauer Wanderritt – sogar länger, als es die Sparte Reiten im Kinsauer Sportverein gibt, verrät Monika Eberle, eine der Hauptorganisatoren. Obwohl der Wanderritt schon oft stattgefunden hat, ist er jedes Mal mit großem Aufwand verbunden. Ohne die Unterstützung der Vereinsmitglieder, freiwilligen Helfer aus dem Dorf und der Feuerwehr wäre er nicht möglich, betont die 38-Jährige. „Wir haben ein Riesenglück mit den Landwirten,“ erzählt sie. „Wir haben wirklich Landwirte, die warten, bis wir kommen und durch sind. Und brechen dann erst den Acker um oder mähen uns einen Streifen frei.“ Durch diese Zusammenarbeit wird der Kinsauer Wanderritt erst zum einzigartigen Reiterlebnis: „Wir haben ganz viel Felder, wo man wirklich ganz toll galoppieren kann. Wir sind einer der wenigen Wanderritte, bei denen es fast ausschließlich Felder und Waldwege gibt. Und nicht nur Kies und Teer.“ So ist es nicht verwunderlich, dass etwa 150 Reiterinnen und Reiter aus den umliegenden Gemeinden sowie aus Fürstenfeldbruck, Augsburg oder München anreisen. Um das Engagement der Teilnehmer zu ehren, hat sich der Verein etwas einfallen lassen: „Die Jüngste bekommt einen Pokal, der Älteste eine getöpferte Tasse“, verrät sie. „Und die anderen bekommen Sekt zum Anstoßen.“
Zwischen sieben und elf Uhr morgens kann man losreiten. Es sei sinnvoll, bei diesem warmen Wetter früh am Morgen zu starten, meint Eberle. Der Weg führt durch den Schmallüßwald über die Römerau bis zu Feldern auf der Höhe von Epfach. Dort wendet man und reitet Richtung Lech. An einem Stadel auf der Höhe von Apfeldorf ist Halbzeit. Hier können die Reitenden eine längere Pause einlegen. Zur Verpflegung werden Wurst- oder Käsesemmeln und Getränke verteilt, es gibt Anbindebalken für die Pferde und ausreichend Wasser.
Zur Abkühlung geht es für die Reiterinnen in den Lech
In einem kleinen, eingezäunten Bereich grasen acht Pferde, allesamt Isländer oder Isländer-Mixe. Das ist nicht außergewöhnlich, denn alle Pferde stammen vom Kinsauer Lechtalhof, dem Islandpferde-Ferienhof, erzählt die 26-jährige Reiterin Lea Erhard lachend. Ihre Reitgruppe ist gut durchmischt; die jüngste Reiterin ist neun, die älteste 53 Jahre alt. Für die Strecke benötigen sie gemeinsam etwa vier Stunden. Damit der lange Ausritt auch für die Pferde angenehm ist, gibt es einiges zu beachten. “Rechtzeitig losreiten wegen der Hitze und den ganzen Viechern, die jetzt kommen“, erklärt sie. „Und viel Schritt gehen zwischendrin, weil sonst sind sie fertig, wenn man in jeder Wiese galoppieren geht.“ Am meisten genießt sie aber die Streckenabschnitte, an denen es mal schneller werden darf: „Am Lech unten. Der Damm, das ist eine ganz lange Galoppstrecke. Wir reiten dann noch immer zum Lech zum Trinken und dann gehen wir ins Wasser rein, das ist schon ein kleines Highlight.“
Die Galoppstrecke scheint für viele besonders zu sein. Richard Schlager von der Sunset-Ranche in Waakirchen ist mit seiner Frau Cornelia zum zehnten Mal dabei. „Ein Highlight ist, dass die Strecke so gut organisiert ist und es schöne Galoppstrecken gibt“, betont der 65-Jährige. Martin Jelitto vom Fuchstaler Reitverein ist es dagegen das erste Mal dabei. Er ist ebenfalls von der Strecke begeistert: „Sie ist sehr schön und abwechslungsreich. Da konnte man auch über ein abgemähtes Getreidefeld reiten.“ Sein Pferd scheint nach der ersten Strecke noch ausreichend Energie zu haben. Immer wieder stößt es den 49-Jährigen während des Gesprächs sanft mit dem Kopf an, als wollte es sagen: „Schenk mir wieder deine Aufmerksamkeit!“
Am Ende wartet auf die Teilnehmenden des Kinsauer Wanderritts ein wohlverdientes Mittagsessen
Aber nicht nur für die menschlichen Teilnehmer gibt es in diesem Jahr ein erstes Mal. Donka, eine fünf Jahre alte Stute, absolviert mit ihrer Reiterin Martina Krupanek ihren ersten Wanderritt. Doch die beiden habe Unterstützung: Sara Stegmayer begleitet das Duo mit der erfahreneren, sieben Jahre alten Stute Felina. Die beiden Reiterinnen aus Moorenweis haben selbst schon an rund zehn Wanderritten teilgenommen. Aber auch für sie ist der Kinsauer Wanderritt etwas Besonderes. „Alle Wiesenwege, die abgemäht sind“, betont Stegmayer. „Solche Wege darfst du sonst nicht reiten.“
Nach der Pause brechen die Reiterinnen und Reiter zur zweiten Hälfte auf. Am Lech entlang geht es an Kinsau vorbei in die Nähe von Hohenfurch. Von dort reiten sie zurück zum Zelt. Ab 11 Uhr finden sich dort die ersten Reitenden und Besucher aus Kinsau ein, um gemeinsam das wohlverdiente Mittagessen zu genießen.
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