Ein Jahr nach den Bauernprotesten steht die Landwirtschaft weiter im Fokus. Der mehr als voll besetzte Saal im Gasthof Zur Brücke in Kaufering machte das deutlich. Dorthin hatte der BBV-Kreisverband Landsberg zu einem Vortrag mit Diskussion eingeladen. Referent war Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbands, mit Ambitionen für das möglicherweise vakante Amt des Bundeslandwirtschaftsministers nach den Wahlen Ende Februar.
Gibt es nach der Bundestagswahl einen Neuanfang, den sich BBV-Kreisobmann Johann Drexl in seiner Begrüßung wünschte? Wird die Bürokratie weniger, wie geht es einfacher? „Viel zu viel Theorie“ sammle sich derzeit in Bergen von Ordnern an, so Drexl. Es gebe doch lauter gut ausgebildete Landwirte, denen etwas zugemutet werden könne.
Zukunftsworkshop? So etwas sei nicht nötig, sagte Günther Felßner, denn „nachhaltige Landwirtschaft ist bereits die Grundlage für unsere Zukunft“. Er selbst sei Bauer mit Leib und Seele, sagte der Mittelfranke, das sei aber nur die eine Seite seiner Sozialisation. Die zweite Seite habe er auf dem Fußballplatz erworben. Dort habe er gelernt „allein bist du nichts. Und als Anhänger des 1. FC Nürnberg musst du auch noch gnadenloser Optimist sein.“ Beides präge ihn bis heute. Es verbinde beide Welten, die des Landwirts mit der des Sportlers. „Wir wollen Spiele gewinnen, erfolgreich Zukunft gestalten.“ Dauerhaften Erfolg habe aber nur derjenige, der die Menschen neben sich erfolgreich macht.
Die Versorgung mit Energie soll eigenständig gelöst werden
Diese Einstellung zog sich wie ein roter Faden durch das ganze Referat. Felßner möchte anpacken, „gegenseitige Schuldzuweisungen bringen nichts“. Er verfolge vier Ziele, erklärte der BBV-Präsident. Dazu gehöre, die Ernährung unabhängig von Einfuhren zu sichern. Die Energieversorgung müsse ebenfalls eigenständig gelöst werden. Dafür wichtig sei der Ausstieg aus „schwarzem“ Kohlenstoff, also solchem aus fossilen Materialien und der reibungslose Übergang in „grünen“ Kohlenstoff. Windräder, PV-Anlagen vorzugsweise auf Dächern, Biomasse, Holz könnten die Energieversorgung sichern.
Als Drittes seien derzeit verwendete Kunststoffe durch Biokunststoffe aus der Landwirtschaft zu ersetzen. Der vierte, größte Punkt ist für Felßner die „kaskadische Nutzung von Ackerflächen“. Wie in der Vergangenheit bereits, sprach sich Felßner erneut vehement gegen Flächenstilllegungen aus. „Green Deal ist Dirty Deal.“ Er sieht vielmehr drei Ernten pro Jahr von einer Fläche als möglich an. Als Beispiel nannte der 58-Jährige ein Hektar Ackerfläche, auf dem Weizen angebaut werde. Die Frucht liefere Körner für menschliche und tierische Ernährung, das Stroh Biomasse für Energie und Wärme. Und schlussendlich werde neuer Humus für zukünftige Fruchtfolgen gebildet. „Tierische Lebensmittel“, sagte Felßner in dem Zusammenhang, „sind nicht klimaschädlich.“ Tierhaltung sei ein Teil der Kaskadennutzung, sei essenzieller Bestandteil des Klimaschutzes.
Das Problem sei eine angemessene Bezahlung der Bauern. „Deutschland ist ein toxischer Standort, das Land muss wettbewerbsfähig gemacht werden.“ Wie? „Teures muss auch besser sein als günstiges.“ Und: „Wir müssen wieder mehr Leistung bringen.“ Da war er wieder, der Mannschaftsspieler, der auch nicht auf den Platz gehen kann, mit der Einstellung „heute mal kein Bock, heute mal Balance.“ Großes Thema werde für ihn als möglicher Minister Bürokratieabbau sein. Wie das gelingen könne, habe er in seiner Heimat bereits erfolgreich getestet.
„Wir Landwirte sind doch immer nur der Prügelknabe“
Als erster in der anschließenden Fragerunde meldete sich ein Nebenerwerbslandwirt. Er wisse nicht, was er wählen solle. „Wir Landwirte sind doch immer nur der Prügelknabe.“ Und einen großen Beamtenapparat durchfüttern, das wolle er keinesfalls. Ihm machte Felßner Hoffnung, auch weil mit Claus Hochrein ein weiterer Landwirt auf der Liste der CSU ist, mit dem gemeinsam er den Berufsstand voranbringen wolle. Weiter angesprochen wurde das EU-Abkommen Mercosur mit südamerikanischen Staaten – „zwei Prozent Einfuhr machen den Preis von 100 Prozent Inlandsproduktion kaputt“. Deutschland werde Mercosur zustimmen müssen, meinte Felßner dazu bedauernd. „Wir brauchen solche Abkommen, aber wir brauchen sie gerecht für unsere Landwirte. Das sei zugegebenermaßen äußerst schwierig.“
Bedenken bezüglich eines EU-Beitritts der Ukraine wurden ebenfalls geäußert. In der Ukraine, zweitgrößter Weizenproduzent der Welt, werde Landwirtschaft von Großkonzernen betrieben, das sei eine Industrie, die drei Millionen Tonnen Getreide pro Monat ausführe. Als EU-Mitglied fallen für die Ukraine die Zölle weg – eine Katastrophe für den Binnenhandel. Es gibt also viel zu tun für den zukünftigen Minister für Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
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