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Kaufering: Pfarrer Jürgen Nitz sagt nach 27 Jahren Servus

Kaufering

Pfarrer Jürgen Nitz sagt nach 27 Jahren Servus

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    Das Radpilgern liegt Pfarrer Jürgen Nitz am Herzen.
    Das Radpilgern liegt Pfarrer Jürgen Nitz am Herzen. Foto: Andreas Brücken (Archiv)

    Seit Ende April verdichteten sich die Anzeichen, dass Pfarrer Jürgen Nitz in Vorruhestand geht. Er begann mit dem Abbau seines Urlaubskontos. Als Folge wurde der Landsberger Pfarrer Thomas Lichteneber dem Kauferinger Diakon Alfred Mayer an die Seite gestellt. Und jetzt wird es endgültig: Am Sonntag, 7. Juli, wird der Pfarrer im Rahmen eines Gospelgottesdienstes durch den Weilheimer Dekan Jörg Hammerbacher ab 18 Uhr von der Pfarrstelle Kaufering entpflichtet. Die Abschiedsfeierlichkeiten beginnen allerdings bereits zwei Tage früher. Am Freitag ab 20 Uhr gibt es ein „The Church Rocks Revival“, einen ökumenischen Jugendgottesdienst mit viel Musik, Kunst und schönen Gedanken – und natürlich dem Pfarrer mit Gitarre und Bass mitten unter den Musikern.

    Jürgen Nitz wurde 1960 in Würzburg in eine Familie geboren, die wie er selbst sagt, nicht gerade kirchenaffin war. Erstes großes, einschneidendes Erlebnis für den damals achtjährigen Buben war der plötzliche, völlig unerwartete Tod des Vaters mit 47 Jahren. Das den weiteren Lebensweg beeinflussende und prägende Erlebnis war die Konfirmandenzeit. Dabei habe er einen ziemlich unkonventionell handelnden und denkenden Pfarrer erlebt. „Er hatte die Fähigkeit, das charismatisch-spirituelle mit dem sozial-politischen zu verbinden. Und gleichzeitig hat er mir den Zugang zur Rockmusik eröffnet.“ Die Folge war, dass er viel Freizeit in der Kirche verbrachte. Warum also nicht Pfarrer werden, war seine Überlegung nach bestandenem Abitur. Problem: Jürgen Nitz machte seinen Abschluss an einem Wirtschaftsgymnasium – ohne Latein oder Griechisch. An der Augustana Hochschule in Neuendettelsau konnte er das bereinigen. Dem Studium, erst hier und anschließend in Tübingen stand nichts mehr im Weg.

    Die erste Pfarrstelle führte ihn nach Höchstadt an der Donau

    Die erste Kirchengemeinde durfte Nitz in Senden kennenlernen, hatte sich dort vor allem den Jugendlichen gewidmet. Das Vikariat leistete der angehende Pfarrer in Kreuzwertheim im Spessart und dort – Duplizität der Ereignisse – starb der Ausbildungspfarrer, am selben Tag wie der Vater. „In der Folge habe ich als Vikar bereits eine Gemeinde geführt.“ In diese Zeit fiel die Heirat mit Ärztin Marion und die Geburt einer ersten Tochter. Die erste Pfarrstelle trat Nitz in Höchstadt an der Donau an. „Eine evangelische Diaspora“ sei das gewesen, „aber eine sehr schöne Zeit“. Er habe sehr viel mit Kindern gearbeitet. Zehn Jahre verbrachte die Familie dort, wuchs um zwei weitere Töchter auf fünf Köpfe an. 1997 folgte der Umzug nach Kaufering, wo noch ein viertes Kind geboren wurde. Jürgen Nitz war dort zunächst als Unterstützungspfarrer für Friedrich Aschoff vorgesehen. Dieser war damals bereits sehr in der „Geistlichen Gemeinde Erneuerung“ aktiv. „Hier fand ich einen Kirchenvorstand mit Mut zu ungewöhnlichen Ideen vor, der offen war für Verrücktes, alles zugelassen hat.“ Jürgen Nitz kommt regelrecht ins Schwärmen, wenn er über diese Pfarrstelle spricht.

    Dazu habe er den Glauben als Lebensstil in großer Breite angetroffen. „Die Leidenschaft für Gott war da.“ Die wichtige Kombination zwischen Pfarrer, Kirchenvorstand und Gemeinde habe von Beginn an gepasst. Die Bereitschaft für Neues sei stets dagewesen. „Kaufering erfindet sich alle fünf Jahre neu.“ Dieser Satz sei bis zur Landeskirche vorgedrungen. Die frühere Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler habe schnell erkannt, dass die Vorschrift, ein evangelischer Pfarrer habe nach spätestens 15 Jahren die Pfarrstelle zu wechseln, dank der vorherrschenden Innovationskraft in Kaufering ausgesetzt werden kann. So wurden es für Pfarrer Jürgen Nitz schließlich 27 Jahre. „An die 300 Jugendliche gehen in unserem Gemeindehaus, unserer Kirche ein und aus. Wir haben einen Diakonieverein gegründet, bei dem jährlich rund 100.000 Euro an Spenden eingehen, die wir vor Ort nutzen können.“ Auch der Markt Kaufering und die örtlichen Geldinstitute reihten sich regelmäßig als Unterstützer ein. Das Geld sei nötig, zumal von der Landeskirche aus alle Pfarrstellen finanziell gleich behandelt werden. Bei 50 Angestellten und einer Jahresbilanz von 1,86 Millionen Euro „sind wir ein mittelständisches Unternehmen, eine volkskirchliche Institution auf freikirchlicher Basis“.

    Jugendliche übernehmen in Kaufering Unterricht der Konfirmanden

    Bei den Erlebnissen überwiegt eindeutig das Schöne und Gute. Schmerzhaft seien die Abschiede von aus dem Leben gerissenen, lieb gewordenen Personen gewesen. Begeisternd sei das riesige ehrenamtliche Engagement. Nitz denkt auch an den Konfirmandenunterricht, der in Kaufering von Jugendlichen übernommen wurde, „wo das doch laut Gesetz der Pfarrer zu tun hat“. Absoluter Höhepunkt sei „The Church rocks“ gewesen. „Das war das größte umfassend ökumenische Projekt in unserer Gegend.“ Viel Ehrenamt stecke auch in dem Radpilgerweg auf den Spuren von Jakobus. Die Idee stammt von Jürgen Nitz, im ADFC Landsberg fand er professionelle Begleiter. Seit ein paar Tagen gibt es 5000 ausgeschilderte Kilometer. Der begeisterte Radwanderer Nitz schuf zum Lutherjahr 2016 bereits ein Lutherradweg und auch nach Rom radelte er. Denn das ist seine Einstellung: „Kirche passiert vor der Kirchentür. Wir müssen, wie Jesus, den Tempel verlassen und Gottes Reich leben.“

    Das Ehepaar Nitz zieht derzeit um, neuer Lebensmittelpunkt ist ein Mehrfamilienhaus in der Nähe von Bad Wörishofen. Jürgen Nitz gönnt sich dort erstmal ein Sabbathjahr von kirchlichen Handlungen, „um ein guter Ehemann, Opa und Ruheständler zu werden“. Weil aber Musik Leidenschaft ist, werden die Kauferinger ihren Pfarrer sicher immer mal wieder beim Gospelchor und diversen Bands erleben. (AZ)

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