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Kaufering: Mutige Bahnen im Burkini: Schwimmkurs verändert das Leben von Migrantinnen

Ehsan Al-Amin und ihre Kinder genießen die Zeit im Lechtalbad in Kaufering. Möglich macht es ein Schwimmkurs für Migrantinnen. Im Hintergrund ist Schwimmlehrer Karsten Schubert mit einer weiteren Kursteilnehmerin zu sehen.
Kaufering

Mutige Bahnen im Burkini: Schwimmkurs verändert das Leben von Migrantinnen

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    Die Freundinnen Ehsan Al-Amin und Gülsüm Karademirtok aus Kaufering haben auf den ersten Blick eine Gemeinsamkeit: Sie tragen aus religiösen Gründen ein Kopftuch. Außerdem verbindet die Frauen eine Angst, die sie, unterstützt durch Ehrenamtliche, überwinden konnten: die Angst vor dem Wasser. Sie sind Teil eines erfolgreichen Schwimmkurses für Frauen mit Migrationshintergrund im Lechtalbad, der nun in die nächste Runde geht.

    An einem Samstagvormittag Ende November lockt das Lechtalbad bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt mit Badespaß und Dampfsauna viele Menschen an. Eine Gruppe von Frauen versammelt sich im Eingangsbereich. Für sie sind die Treffen im Hallenbad mehr als nur ein Zeitvertreib. Sie nehmen an einem Schwimmkurs für Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund teil. Seit 2015 finden die Schwimmstunden im Lechtalbad statt. Das Angebot ist ein Kooperationsprojekt des Evangelischen Gemeindevereins Kaufering e.V. in Zusammenarbeit mit der Schwimmschule Fit-im-Wasser aus Scheuring und wurde im Oktober mit dem Oberbayerischen Integrationspreis ausgezeichnet. 

    Der Schwimmkurs im Lechtalbad finanziert mit dem Integrationspreis weitere Schwimmstunden

    Für Projektleiterin Elke Puskeppeleit ist die Auszeichnung eine Bestätigung für die Wichtigkeit des Projekts. Die zierliche Frau mit dem Kurzhaarschnitt steht zwischen den Teilnehmerinnen, der Umgang ist herzlich. Anfang November hat der neue Kurs begonnen. Die Nachfrage ist groß. Die Teilnehmerinnen oder deren Herkunftsfamilien kommen unter anderem aus Afghanistan, Eritrea, Kongo, Nigeria, Syrien, Türkei und Tansania. In der Regel umfasst der Schwimmunterricht zehn Einheiten à 45 Minuten und wird mit einer Prüfung und anschließender Überreichung einer Urkunde abgeschlossen. Bei Bedarf werden die Teilnehmerinnen aber weiter gefördert, bis sie schwimmen können. Vom Preisgeld für die kürzlich erhaltene Auszeichnung in Höhe von 750 Euro werden laut der Organisatorin weitere Kurse finanziert.

    Die Teilnehmerinnen hören Schwimmlehrer Karsten Schubert zu.
    Die Teilnehmerinnen hören Schwimmlehrer Karsten Schubert zu. Foto: Vanessa Polednia

    Die aktuellen Kursteilnehmerinnen wirken motiviert, als es nach der Umkleidekabine größtenteils im Burkini weiter Richtung Hallenbad geht. Beim

    Teilnehmerin Ehsan Al-Amin bleibt zunächst am Geländer stehen und erzählt, wie sie zum Schwimmkurs gekommen ist. Die 28-Jährige spricht fließend Deutsch, ihre Flucht aus Syrien ist mittlerweile acht Jahre her. Ohne Umschweife erklärt sie, worin ihre Angst vor dem Wasser begründet liegt: "Ich habe damals auf der Flucht über das Meer mein Kind verloren." Viel hat sie seitdem erreicht - ihr sechsjähriger Sohn und ihre fünfjährige Tochter sind an diesem Tag auch im Hallenbad und für sie die größte Motivation, ihre Angst zu überwinden und das Schwimmen zu erlernen. "Sie freuen sich, dass ich jetzt auch schwimmen kann", sagt Ehsan Al-Amin glücklich. Außerdem möchte sie ihrem Ehemann dabei helfen, es ihr gleichzutun. Bislang sind die Schwimmnudel und eine Beckentiefe, die sie im Wasser noch stehen lässt, für Ehsan Al-Amin ein Muss. Doch auch das soll sich noch ändern, wenn es nach der Kauferingerin geht, die zurzeit eine Ausbildung zur Kinderpflegerin macht. Bevor sie sich auch ins Becken wagt, erwähnt sie, dass sie eine Freundin inspirieren konnte, auch mitzumachen.

    Von der Angst zum sicheren Schwimmzug: Frau aus Kaufering hat ihre Angst überwunden

    Damit ist Gülsüm Karademirtok gemeint. Sie hat den Schwimmkurs in der ersten Jahreshälfte erfolgreich abgeschlossen – und das sieht man auch. Wenige Meter entfernt zieht sie routiniert ihre Bahnen im Schwimmerbecken. Die Frau mit der perlenbesetzten Badekappe hält sich eine Weile am Beckenrand auf, um ihre Geschichte zu erzählen. Sie trägt ebenfalls einen Burkini, doch ist ihre Geschichte eine ganz andere. Die 33-Jährige ist in Deutschland geboren, hatte wie ihre Mitschüler und Mitschülerinnen auch Schwimmen im Sportunterricht und doch sollte es über drei Jahrzehnte dauern, bis sie sich angstfrei in das kühle Nass begeben konnte. "Es ist ein Wunder", fasst sie die vergangenen Monate zusammen und strahlt.

    Gülsüm Karademirtok aus Kaufering, hier mit Nichte Elif, hat den Schwimmkurs erfolgreich abgeschlossen.
    Gülsüm Karademirtok aus Kaufering, hier mit Nichte Elif, hat den Schwimmkurs erfolgreich abgeschlossen. Foto: Vanessa Polednia

    Bei einer der alljährlichen Überfahrten mit der Fähre von Italien in die Türkei, in die Heimat ihrer Eltern, habe sie sich als Kind nachts aus der Koje entfernt und nicht mehr den Weg zurück gefunden. "Die Wellen auf dem Deck waren so hoch", erinnert sie sich. Zu der daraus entstandenen Angst sei zudem die Sorge vor dem Anderssein gekommen. Würde man sie anstarren, wenn sie verschleiert das Bad betritt? Freundin Ehsan konnte sie überzeugen und der Gruppenkurs gab ihr das nötige Selbstvertrauen, das lang gehegte Ziel zu erreichen. "Ich habe Gänsehaut bekommen, als ich die Frauen mit Kopftuch das erste Mal im Wasser gesehen habe." 

    Während die aktuellen Kursteilnehmerinnen ins Schwimmerbecken wechseln und sich von Karsten Schubert den Brustbeinschlag erklären lassen, sind interessierte bis verblüffte Blicke einiger Badegäste garantiert. Diese Erfahrung hat auch Gülsüm Karademirtok gemacht, doch seit dem Schwimmkurs lässt sie sich davon nicht mehr einschränken. Mutter Senem ist ebenfalls im Bad und zeigt sich stolz, dass ihre Tochter diesen Schritt gewagt hat. Nichte Elif, die gekonnt neben ihrer Tante im Wasser auftaucht, freut sich auf die gemeinsame Zeit im Hallenbad.

    Projektleiterin Elke Puskeppeleit föhnt sich nach einer weiteren erfolgreichen Schwimmkursstunde die Haare.
    Projektleiterin Elke Puskeppeleit föhnt sich nach einer weiteren erfolgreichen Schwimmkursstunde die Haare. Foto: Vanessa Polednia

    Dank des Kurses entwickelten die Frauen wachsendes Selbstvertrauen, weiß auch Elke Puskeppeleit zu berichten. Da sie als Gruppe üben, fühlten sie sich sicher und geschützt. "Manche schaffen auf Anhieb das Seepferdchen, andere benötigen mehrere Kurse", sagt sie nach den 45 Minuten, die wie im Flug vergangen sind. Von ihren aktuellen Teilnehmerinnen ist sie begeistert. "Es geht lustig zu", lautet ihr Fazit nach den ersten Kursstunden. 

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