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Grobe Sprache und mehr im Landsberger Stadttheater

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Grobe Sprache und mehr im Landsberger Stadttheater

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    Landestheater Tübingen zeigte das Stück „Die Präsidentinnen“ im Stadttheater. Das Foto zeigt (von links) Erna (Justin Hibbeler), Grete (Sabine Weithöner) und Mariedl (Solveig Eger).
    Landestheater Tübingen zeigte das Stück „Die Präsidentinnen“ im Stadttheater. Das Foto zeigt (von links) Erna (Justin Hibbeler), Grete (Sabine Weithöner) und Mariedl (Solveig Eger). Foto: Thorsten Jordan

    Die schönen Künste bedienen sich gern der schönen Worte. Ganz anders beim Fäkaliendrama „Die Präsidentinnen“ des österreichischen Dramatikers Werner Schwab. So wurde das Landsberger Stadttheater zum Ort der Konfrontation mit den Ausscheidungen des menschlichen Leibes als Symbole einer verkommenen Gesellschaft in der Nachkriegszeit, in der Bigotterie, Altnazitum, Inzest und unterdrückte Sexualität jedes freiheitliche Leben unterbinden.

    Die Protagonistinnen Erna (Justin Hibbeler), Grete (Sabine Weithöner) und Mariedl (Solveig Eger) führen denn auch in einem klaustrophobisch wirkenden Zimmer auf der Bühne vor, zu welchen Wracks Menschen werden, die sich jeder Weiterentwicklung verweigern. Mariedl mit Gebetbuch und Rosenkranz, das Haar geflochten um den Kopf gelegt, sodass es wirkt wie die Dornenkrone Christi, hat ihr Leben ganz auf Gott ausgerichtet. Sie dient den Menschen, indem sie ihre verstopften Aborte befreit, mit bloßen Händen herausholt, was „die Muschel“ blockiert. „Die Mariedl machts auch ohne“, sagen die Leute über sie, was die Mariedl freut. Wenn sie detailreich schildert, was da alles so im Rohr hängt – vielleicht hat es auch der Herr Pfarrer versteckt, um der Mariedl eine Freude zu machen – dann hat das schon fast etwas obszön-geiles.

    In den Träumen geht es um Geilheit

    Geilheit – darum geht es auch in den Träumen der alten Fregatte Grete, die sich herausgeputzt hat für diesen gemeinsamen Abend, an dem gefeiert werden soll, dass sich die sparsame Erna einen (gebrauchten) Farbfernseher gekauft hat, vor dem sich die Drei die Papstmesse anschauen. Blümchentapete, ein Zwergerl-Weihnachtsbaum im Zinneimer, Kruzefix und Papstbild an der Wand. Dort hängt auch ein mit Blut verspritztes Waschbecken, in das Ernas dem Alkohol verfallener Sohn Hermann immer speien muss, wenn er sich im Spiegel sieht. Während Erna verzweifelt auf ein Enkelkind wartet, verweigert der Hermann jeden Verkehr. „Er wendet sich ab von allem, was das Leben lebenswert macht“, bedauert Erna, für die Sparen zur Lebensphilosophie geworden ist („Man kann auch Klopapier statt Kaffeefilter nehmen und Zeitungen als Klopapier – oder gleich den Kaffee sparen.“)

    Das Landestheater Tübingen gastierte mit (von links) Justin Hibbeler, Solveig Eger (vorne) und Sabine Weithöner im Landsberger Stadttheater.
    Das Landestheater Tübingen gastierte mit (von links) Justin Hibbeler, Solveig Eger (vorne) und Sabine Weithöner im Landsberger Stadttheater. Foto: Thorsten Jordan

    Was für Erna ihr Hermann ist, ist für Grete ihre Tochter Hannelore. Die ist nach Australien ausgewandert, hat sich vorher aber noch ausnehmen lassen, Eierstöcke, alles. Früher habe sie den Kopf in die Glasscheiben geschlagen und die Scherben gegessen. Ob es damit zu tun hat, dass sie ihr Altnazi-Vater im Ehebett missbrauchte, als sie ihrer Mutter immer ähnlicher wurde? Die Hannelore war zu jung dafür, urteilt ihre Mutter, die sie nicht davor beschützt hat. Aber der Vater habe halt vom Krieg noch so eine Siegeslust in sich gehabt. „Das Geschlechtliche treibt das Menschliche hinaus aus dem Leben“, urteilt da Erna, berichtet aber gleichzeitig vom gläubigen Metzger Wotila, bei dem der Leberkäse auf Dauer billig ist, und der sie einmal besucht habe. Bahnt sich da etwa etwas an, während die geile Grete auf die Liebe verzichtet und stattdessen Dackel Lydia vermenschlicht?

    Mariedl geht mit dem Kreuz dazwischen

    Es kann nicht ausbleiben, die Situation eskaliert, die Masken fallen, Erna und Grete gehen im Kampf zu Boden. Mariedl geht mit dem Kreuz dazwischen und ruft zur Nächstenliebe auf, was erst einmal gelingt, aber dann gehen die Träume mit den drei Frauen durch und alles steigert sich in schwindlige Höhen der ungelebten Leben, bis Mariedl Erna und Grete das Happy End versaut und ihnen stattdessen erzählt, was passiert, wenn sie die Vergangenheit einholt, während sie als goldener Engel gen Himmel schwebt und göttlich wird. Das bezahlt die bigotte Betschwester mit dem Leben, zum Schluss wird noch gejodelt, bis der Abort die Mariedl in seinen Strudel zieht und der Spuk vorbei ist.

    In diesem Stück hat der 1958 in Graz geborene Schwab, der in armen Verhältnissen aufwuchs und jung an seiner Alkoholsucht starb, ein Stück weit auch die Kindheit mit seiner religiösen Mutter, die Dumpfheit im Land sowie die aufkommenden rechten Tendenzen verarbeitet. Auch wenn es manchmal ob der Fäkalsprache den Atem stocken ließ, so sorgte es doch für manche Lacher und vor allem Respekt vor der schauspielerischen Leistung von Sabine Weithöner, Justin Hibbeler und Solveig Eger vom Landestheater Tübingen, die denn auch mit lang anhaltendem Applaus bedacht wurden.

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