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Fuchstal: Stille Heldin: Fuchstalerin kämpft für Menschen mit Behinderung

Fuchstal

Stille Heldin: Fuchstalerin kämpft für Menschen mit Behinderung

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    Anja Charafeldin hat Multiple Sklerose. Sie engagiert sich trotz der gesundheitlichen Einschränkungen für ihre Mitmenschen.
    Anja Charafeldin hat Multiple Sklerose. Sie engagiert sich trotz der gesundheitlichen Einschränkungen für ihre Mitmenschen. Foto: Christian Rudnik

    Als junger Mensch im Abitur mit der Diagnose Multiple Sklerose konfrontiert zu werden, ist ein schlimmes Schicksal. Anja Charafeldin hat sich davon nicht unterkriegen lassen. Seit 30 Jahren leitet sie die Selbsthilfegruppe „MS aktiv – die junge Gruppe Landsberg“, der Betroffene zwischen 18 und etwa 50 Jahren angehören. Sie engagiert sich nich anderweitig.

    Rund 30 Personen, darunter auch Angehörige, treffen sich regelmäßig zum Austausch, aber auch zu Freizeitaktivitäten und sogar zu gemeinsamen Urlauben. Obwohl sie selbst stark eingeschränkt ist – so benötigt sie zum Laufen Krücken oder nutzt den Rollstuhl – hilft sie darüber hinaus Geflüchteten bei der Integration und engagiert sich im Landkreis in verschiedenen Gremien für Inklusion und Barrierefreiheit. Für ihr langjähriges und breit gefächertes Engagement wurde sie nun als Stille Heldin ausgezeichnet.

    Ärzte verheimlichen zunächst Diagnose Multiple Sklerose

    Multiple Sklerose (MS) beginnt meist sehr früh, häufig sind es Menschen zwischen 20 und 30 Jahren, die diese Diagnose der unheilbaren Krankheit erhalten, so auch Anja Charafeldin. Bereits ein Jahr vor dem Abitur am Ignaz-Kögler-Gymnasium in Landsberg setzten erste Symptome ein. „Meine Beine sind oft eingeschlafen, manchmal konnte ich spontan nicht mehr laufen oder mir blieb bei Referaten die Stimme weg“, erinnert sich die heute 51-Jährige beim Gespräch in ihrer selbst geplanten, komplett barrierefreien Wohnung, ausgestattet mit vielen selbst entworfenen praktischen Möbeln, in Fuchstal. Aus heutiger Sicht klingt es grotesk, dass die Ärzte die Diagnose zuerst vor ihr verheimlichten und sie im Ungewissen ließen.

    Medikamente hätten nicht geholfen, so Charafeldin, die herausgefunden hat, dass es ihr besser geht, wenn sie Stress aus ihrem Leben fernhalten kann. Auch Meditation und Naturheilkunde haben sich als hilfreich erwiesen. Die junge Frau wollte sich trotz Einschränkungen behaupten, meisterte eine Ausbildung zur Immobilienkauffrau und träumte von einem Architekturstudium.

    Mit 23 geht die Fuchstalerin in Rente

    Die Krankheit schritt jedoch voran, bereits mit 23 Jahren ging sie in Rente, nutzte das Mehr an Zeit für verschiedene Studiengänge und auch Kurse an der Kunstakademie. Selbst gefertigte Kunst, Bilder sowie Bronze- und Steinplastiken schmücken heute Haus und Garten, in dem sich auch ein Naturpool, gesichert mit zahlreichen Haltegriffen, direkt an der Holzterrasse befindet. Den nutzte Charafeldin gern zum Kneippen, bis ihn die Natur in Form von Ringelnattern, Fröschen und Blutegeln eroberte, wie sie schmunzelnd erzählt.

    Seit 32 Jahren lebt Charafeldin nun mit MS, und da es damals keine Selbsthilfegruppe für junge Patientinnen und Patienten gab, gründete sie selbst eine und leitet sie bis heute. Zudem sensibilisiert sie Schülerinnen und Schüler für die Einschränkungen von behinderten Menschen: Charafeldin geht in Schulen, erzählt von ihrer Krankheit.

    Diese führt beispielsweise zu Gefühlsstörungen in den Fingern und macht es daher sehr schwierig, Wechselgeld an der Supermarktkasse vom Teller aufzunehmen. „Besser wäre es, die Kassiererin würde mir das Geld in die Hand geben, die ich ihr hinhalte“, erklärt Charafeldin. und damit die Kinder das nachempfinden können, lässt sie sie, die Hände in Topfhandschuhen, Geld aufheben. Bei Spendenläufen müssen Kinder Sponsoren suchen und ihnen die Krankheit erklären; so werden sie zu Multiplikatoren.

    Sie unterstützt Geflüchtete beim Lernen der deutschen Sprache

    2015, als die ersten Geflüchteten ins Fuchstal kamen, begann Charafeldin, sie in Deutsch zu unterrichten. Bereits 1990, bevor ihre Krankheit ausbrach, hatte sie Kurden und Libanesen betreut. Bis zu vier Mal wöchentlich unterrichtete die 51-Jährige vor Beginn der Corona-Pandemie Deutsch und organisierte zudem Freizeitaktivitäten. Sie begleitete ihre Schützlinge bei der Berufsausbildung und bei Behördengängen und leistete viele Fahrdienste. Rund 30 Stunden wöchentlich kamen so zusammen. Charafeldin ist stolz darauf, dass bei vielen die Integration gelungen ist. Braucht sie einmal Hilfe, kann sie auf „ihre Jungs“ zählen.

    Ihre Beurteilung ist auch im Landkreis Landsberg gefragt, wenn es um Barrierefreiheit, zum Beispiel bei Bauprojekten, geht. Die Fuchstalerin ist sowohl im Beirat für Menschen mit Behinderungen als auch im Inklusionsausschuss des Kreistags engagiert. So hat sie unter anderem für einen Zebrastreifen beim Hauptplatzumbau gekämpft, jedoch erfolglos. „Die Rinne ist für viele Rollstuhlfahrer nicht ideal, denn sie bleiben mit dem Fußbrett hängen“, so ihr Urteil, das ansonsten nicht schlecht ausfällt: Landsberg weise, was die Barrierefreiheit angeht, einen positiven Trend auf. Einen Wunsch hat sie jedoch: „Es sollte viel mehr barrierefreie Restaurants mit Parkplätzen in der Nähe geben.“

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