Vor über einem Jahr wurde mir das erste Mal ein Video auf der Social-Media-Plattform TikTok angezeigt, in dem eine Frau mehrere Tafeln Schokolade in einem Geschäft in Dubai kaufte. Darunter auch die jetzt bekannte „Dubai-Schokolade“ mit Pistaziencreme- und Engelshaarfüllung. Danach sah ich solche Videos immer wieder mal, bis sie, wie es solche Phänomene an sich haben, abebbten und in den Tiefen des Internets verschwanden. Dachte ich zumindest. Denn vor ein paar Wochen fing es wieder an. Lindt verkaufte limitierte Dubai-Schokotafeln, diejenigen, die keine Lust hatten, sich mehrere Stunden anzustellen, wurden zu Hause kreativ. Dubai-Schokolade hier, Dubai-Schokolade dort. Auf den Christkindlmärkten, in den Bäckereien und auch der Landsberger Chocolatier Michael Dillinger greifen die Beliebtheit der Pistaziencreme-Füllung auf. Mit einem Selbstversuch möchte ich für mich unter dem Thema den Schlussstrich ziehen.
Die Kollegin macht das Engelshaar für Dubai-Schokolade selbst
Einmal war ich in Dubai – für ganze 30 Minuten Flughafenstress. Ähnlich stieg mein Blutdruck bei dem Versuch, die Zutaten für die Schokolade zu kaufen. Denn wie Supermarktmitarbeiterinnen und -mitarbeiter mir in unterschiedlichen Läden erklärten, in die ich nach einander hetzte, ist Pistaziencreme gerade sehr begehrt und meist ausverkauft. Nach drei leeren Regalen hatte ich dann doch Glück und konnte für sieben Euro ein Glas erwerben. Engelshaar beziehungsweise Kadayif waren in meinem türkischen Supermarkt vergriffen – stattdessen kaufte ich geriebene Mandeln und Kokosflocken, um sie später zu rösten. Meine Kollegin Frauke Vangierdegom hatte mir schon erzählt, dass man die Fäden mit ein wenig Aufwand auch selbst herstellen kann. Deshalb eine kurze Zwischensequenz aus ihrer Küche am Ammersee.
Engelshaar, das für den „Crunch“ in der Dubai-Schokolade steht, ist ausverkauft? Nicht schlimm, denn die Kadayif-Fäden lassen sich in der heimischen Küche selbst herstellen. „Ganz einfach“ geht das zwar nicht, aber wer keinen großen Wert auf die Optik legt (die Fäden verschwinden ja ohnehin in der schokoladigen Hülle), greift zu ganz wenigen Zutaten und hat innerhalb relativ kurzer Zeit knuspriges Füllmaterial für die Dubai-Schokolade oder eine Zutat für leckere andere Rezepte aus der türkischen Küche. Meze zum Beispiel.
Aber erst einmal müssen die Fäden produziert werden. Zugegeben, in meiner Küche sind keine „Engelshaare“ entstanden, sondern eher crunchige Teigbänder. Geschmacklich und in Sachen Knusprigkeit unterscheiden sie sich aber kaum vom Original. Alles was man benötigt, ist glattes Mehl, Maisstärke, etwas Rohrzucker, Salz, Rapsöl und Wasser. Eine Pfanne, eine leere Plastikflasche mit Verschluss und ein bisschen Geduld. In die Verschlusskappe der sauber ausgespülten Plastikflasche wir mit einer heißen Nadel ein kleines Loch gestochen (dadurch fließt dann der Teig in die heiße Pfanne).
90 Gramm Mehl, 70 Gramm Maisstärke, je ein Teelöffel Zucker und Öl sowie 210 Milliliter Wasser werden gut durchgerührt, damit ein flüssiger Teig entsteht. Der kommt in die Flasche. Eine Pfanne mit ganz wenig Öl wird erhitzt und dann mit schnellen Bewegungen den Teig in die Pfanne gießen. Ich habe es im „Zickzack“ versucht und auch spiralförmig. Geht beides –nur an der Geschwindigkeit der Bewegung müsste ich noch arbeiten, um wirklich feine Fäden produzieren zu können.
Ist der Teig erst einmal in der Pfanne, geht es recht schnell, bis der Röstprozess abgeschlossen und die knusprigen Fäden (in meinem Fall Bänder) aus der Pfanne genommen werden können. Auf einem Teller oder Brett abkühlen lassen und schon kann das Kadayif weiterverarbeitet werden. Als Füllung in der Dubai-Schokolade oder im türkischen Meze.
Für den „Crunch“ funktionieren geriebene Mandeln und Kokosflocken ebenfalls
Zurück an meinem kleinen Küchentisch habe ich schon alles vorbereitet. Die geliehene Pralinenform habe ich mit essbarem Goldglitzer bepinselt, der noch von einer Weihnachtsbackaktion im vergangenen Jahr übrig ist. Die Schokoladentafeln, sowohl Zartbitter als auch Milchschokolade, sitzen, samt Verpackung, im warmen, aber nicht heißen Wasserbad. Wer mehr Muße hat, kann die Schokolade auch klein hacken und, wie im Hauswirtschaftsunterricht gelernt, in einer Schüssel über dem Wasserbad schmelzen und gescheit temperieren.
Die Verpackungen der Schokoladentafeln schneide ich an einer Ecke an, sobald sich der Inhalt komplett verflüssigt hat. Die Form lässt sich so erstmal gut befüllen. Um Luftblasen zu vermeiden – diese Eingebung habe ich aber selbst erst nun beim Schreiben – sollte man die Pralinenform ein paar mal leicht auf den Tisch klopfen. Mit einer Buttermesserspitze lässt sich die Schokolade am Rand der Form hochziehen.
Während die Schokolade auf meinem Balkon herunterkühlt und hoffentlich fest wird, ohne einen weißen Schleier auf der Oberfläche zu entwickeln, röste ich die geriebenen Mandeln mit den Kokosflocken an. Ich habe es etwa in einem Zwei-zu-Eins-Verhältnis gemacht, weil Kokosflocken einen starken Eigengeschmack haben. Die Dubai-Schokoladen-Polizei wird mir ohnehin sagen, dass es ja keine echte Dubai-Schokolade ist, wenn das Engelshaar fehlt. Nichtsdestotrotz: Meine Nussmischung rühre ich unter die Pistaziencreme und fülle das Ganze mit einem Teelöffel in meine Pralinenform, in der die Schokolade mittlerweile fest ist.
In einem letzten Schritt wird die Form mit dem Rest der Schokolade bis zum Rand befüllt. Ich greife dabei zu einer giftgrünen Kuchenglasur, die mir im Supermarkt ins Auge gefallen ist. Und dann heißt es eine Nacht zu warten, damit die Pralinen auch fest werden.
Würde ich mir einen Stundenlohn geben, lohnt sich das Selbstmachen finanziell nicht
Am nächsten Morgen lassen sie sich einfach aus dem Silikon drücken. Und ob es nun der Glitzer ist oder doch die richtige Temperatur: Sie glänzen und auch der Anschnitt sieht nicht schlecht aus mit den Schichten aus Braun und Grün. Der Geschmackstest der Kolleginnen und Kollegen: Lecker. Aber einen Vergleich zur „echten“ Dubai-Schokolade konnten sie nicht ziehen.
Persönlich bin ich froh, meine Missgunst-Energie in das Projekt gesteckt zu haben – den Wirbel um die Schokolade verstehe ich weiterhin nicht. Aber zumindest muss ich eingestehen, dass der Preis in Hinblick auf Materialkosten und Arbeitsaufwand nicht ungerechtfertigt ist. Geld gespart habe ich durchs Selbermachen nämlich nicht.
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