Der Volkstrauertag wird jedes Jahr zwei Sonntage vor dem 1. Advent begangen. Dabei wird besonders der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft erinnert. Die genaue Zahl aller Opfer des Zweiten Weltkriegs kennt man nicht. Ihre Gesamtzahl lässt sich nur schätzen. Für die durch direkte Kriegseinwirkung Getöteten werden Schätzungen von 60 bis 65 Millionen angegeben. Soldatenfriedhöfe, Denkmäler, Wegkreuze, Marterl, Gedenksteine und -tafeln erinnern an die tragischen Schicksale, wie jenes Epitaph an der Denklinger Friedenskapelle. Anlässlich des diesjährigen Volkstrauertags am Sonntag, 17. November, erzählen wir, warum eine Familie rund 14.000 Kilometer zurückgelegt hat, um diesen Ort zu besuchen.
Angehörige des Bomberpiloten besuchen die Gedenkstätte in Denklingen
Bei einem Luftangriff auf Augsburg, der in der Nacht vom 25. auf 26. Februar 1944 erfolgte, stürzte ein britischer Bomber, dessen Crew überwiegend aus australischen Luftwaffensoldaten bestand, in ein Waldstück in der Denklinger Flur, wo sämtliche Besatzungsmitglieder ums Leben kamen. Da sich bisher kein Hinweis auf dieses Ereignis vor Ort befand, war in einem Gespräch zwischen dem Denklinger Ortschronisten Paul Jörg und dem freien Seelsorger Ludwig Streicher im Jahre 2019 der Plan gereift, an der Friedenskapelle auf dem Anwesen „Zum Gut“ an der B17, einem vielseitigen Begegnungsort, der sich unweit der Unglücksstelle befindet, eine Gedenktafel an die Opfer vor Ort und in der Region dieses Kriegstages anzubringen.
Bei seiner damaligen Recherche konnte Jörg, neben örtlichen Quellen und Zeitzeugenberichten, anhand einer Liste der Flugzeugbesatzung über eine britische Gedenkseite und mithilfe des dortigen Webmasters auch einen Kontakt zu einem Angehörigen des Bomberpiloten Herbert R. H. Stuchbury herstellen, der aus Collie in Westaustralien stammte.
Vor kurzem hat ein weiterer Neffe des Piloten, Lance Stuchbury, zusammen mit seiner Frau und zwei Enkeln den Sterbeort seines Onkels besucht. Es war das erste Mal, dass ein Angehöriger der Familie Stuchbury persönlich in Denklingen vor Ort war. Aufgrund der großen Entfernung, sozusagen von der anderen Seite der Erde, und den Kosten hätten sich viele australische Familien lange Zeit so eine Reise gar nicht leisten können.
Australische Familie kommt Menschen aus der Region ins Gespräch
Nach einer besinnlichen Meditation in der Friedenskapelle in Erinnerung an das damalige Geschehen sowie einer Besichtigungsrunde der damaligen Ereignisorte ergaben die gewonnenen Eindrücke bei der anschließenden Einkehr einen ausgiebigen Gesprächsstoff. Zu der Gesprächsrunde kamen auch noch das Waldbesitzerehepaar Leni und Georg Waldhör sowie der Sondengänger Michael Schwaiger hinzu. In der Zeit danach haben sie bei Feldarbeiten und Sondengängen in der Denklinger Flur manchmal noch kleinste Relikte gefunden, die dem Bomber zuzuordnen sind und den Gästen zur Erinnerung übergeben wurden, die diese gerührt entgegennahmen. Dabei war zu erfahren, dass neben der Weitergabe an die weiteren Verwandten, einzelne Teile auch an das Archiv des örtlichen Veteranenvereins zu den bereits vorhandenen veröffentlichten Zeitungsartikeln übergeben würden, die im örtlichen Museum präsentiert werden. Auch Bürgermeister Andreas Braunegger ließ es sich nicht nehmen, vorbeizuschauen und die Gäste willkommen zu heißen. Er bedauerte den Grund des Anlasses und zollte ihnen Respekt und Anerkennung für ihre Erinnerungskultur.
Ludwig Streicher erlebt an der Gedenkstätte immer wieder, vor allem in der Urlaubszeit, berührende, bewegende und überraschende Begegnungen mit Besucherinnen und Besuchern, die dankbar für diese „Friedensoase“ mit ihrer nachhaltigen Erinnerung sind.
„Zunächst von manchen noch etwas skeptisch gesehen, ist mittlerweile mit großer Wertschätzung, über Grenzen und Generationen hinweg, auch ein völkerverständigender Brückenschlag entstanden, der in gegenseitigen freundschaftlichen und herzlichen Kontakten mit den Angehörigen des Opfers und dortiger Stellen seinen Ausdruck findet“, freut sich der Denklinger Ortschronist. (AZ)
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