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Corpuls Kaufering: Medizintechnik und Defibrillatoren retten Leben

Der Medizingerätehersteller Corpuls aus Kaufering stattet auch Rettungshubschrauber für Einsätze, beispielsweise in den Bergen, aus.
Kaufering

Medizintechnik aus Kaufering rettet weltweit Leben

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    Im Ernstfall, wenn es um Menschenleben geht, zählt jede Sekunde. Oft kommen dann Technik des Familienunternehmens „GS Elektromedizinische Geräte G. Stemple“ zum Einsatz. Bekannter ist die Firma aus Kaufering im Landkreis Landsberg unter ihrem Produktnamen Corpuls. Der Familienbetrieb hat jährliche Umsatzsteigerungen, von denen viele andere Unternehmen nur träumen können. Im vergangenen Jahr wurde in Australien der größte Auftrag der Firmengeschichte abgeschlossen und auch der Freistaat Bayern hat

    Entwickelt und gebaut werden im Landkreis Landsberg eine Reihe medizinischer Geräte und Lösungen, darunter Defibrillatoren und Patientenüberwachungsgeräte, automatisierte externe Dass Günter Stemple eine eigene Firma gründete, ist einem unerfreulichen Ereignis geschuldet. „Ich habe als Geschäftsführer für ein Unternehmen gearbeitet und sehr viel Kraft und Zeit investiert. Nach sieben Jahren habe ich im Sommer 1981 den ersten größeren Urlaub gemacht. Als ich zurückgekommen bin, haben die Gesellschafter mir mitgeteilt, dass sie meine Dienste nicht mehr brauchen würden. Ich stand vor dem Nichts“, berichtete er unserer Redaktion, als er sich mit fast 79 Jahren aus der Geschäftsführung zurückzog und an die nächste Generation übergab. 

    Am Anfang belieh Firmengründer Günter Stemple sein gerade abbezahltes Haus und tüftelte im 60 Quadratmeter großen Keller seines Eigenheims an einem „robusten, kompakten und leichten Defibrillator", so Stemple, der gebürtig aus Pfaffenhausen bei Mindelheim stammt. Im ersten Jahr verkaufte er zusammen mit einem Mitstreiter 200 Geräte. Doch der damals weltgrößte Hersteller von Defibrillatoren, eine Firma aus den USA, wurde auf die Konkurrenz aus Kaufering aufmerksam. Die deutsche Vertriebsniederlassung erwarb eines der Geräte und ließ von einem Institut ein Negativgutachten anfertigen, das belegen sollte, dass das Gerät aus Kaufering nicht funktionstüchtig ist. Die Folge war ein Gerichtsprozess. „Da ging es für uns ums Überleben. Zum Glück haben wir einen Vertriebsmitarbeiter des Unternehmens kennengelernt, der bereit war, sich für uns als Kronzeuge zur Verfügung zu stellen und zu berichten, wie alles gelaufen ist“, erinnerte sich Stemple. Der Prozess endete mit einem Vergleich.

    Firma aus Kaufering in vergangenen Jahren stets 25 Prozent gewachsen

    In den vergangenen Jahren ging es bei Corpuls längst nicht mehr um existenzielle Sorgen, sondern darum, den Erfolg mit den vorhandenen Strukturen in Einklang zu bringen. Die Firma übernahmen im Jahr 2021 die Tochter des Firmengründers, Iris Klimmer, als Finanzchefin (CFO) und Sohn Klaus Stemple als Technikchef (CTO). An die Unternehmensspitze rückte Schwiegersohn Christian Klimmer (CEO). Im März dieses Jahres schied

    „Unser Wachstum betrug in den vergangenen Jahren konstant 25 Prozent“, sagt Klaus Stemple. Der Umsatz im Jahr 2023 lag bei 146,6 Millionen Euro, inzwischen arbeiten rund 500 Beschäftigte für die Firma. Die Zentrale in Kaufering platzt aus allen Nähten, externe Räumlichkeiten wurden angemietet. Mehrere Jahre lang wurde nach Lösungen gesucht, um in Kaufering expandieren zu können, doch irgendwann waren alle Optionen ausgeschöpft. Im Gewerbegebiet der Nachbargemeinde Igling, nah an der Bundesstraße 17, soll der neue Hauptsitz entstehen. 

    Skandinavischer Investor ist bei Firma aus Kaufering eingestiegen

    Zudem ist vergangenes Jahr ein skandinavischer Finanzinvestor als Mehrheitseigner eingestiegen. Christian Klimmer verweist darauf, dass hinter Nordic Capital ein Netzwerk mit 30 Jahren Erfahrung steht, das bei Themen wie Einkauf, Qualitätsmanagement und gesetzlichen Auflagen helfen könne. Klaus Stemple spricht in dem Zusammenhang von „Regulierungsdruck“, der für Mittelständler von der Größe von Corpuls eine große Herausforderung sei. Der Investor halte sich aus dem Tagesgeschäft heraus und sei nur in Strategiebesprechungen eingebunden, betont Stemple.

    Die Firma Corpuls hat die Ausschreibung des bayerischen Innenministeriums gewonnen und wird 800 Rettungswagen ausstatten, damit Telenotärzte ihre Arbeit aufnehmen können.
    Die Firma Corpuls hat die Ausschreibung des bayerischen Innenministeriums gewonnen und wird 800 Rettungswagen ausstatten, damit Telenotärzte ihre Arbeit aufnehmen können. Foto: Corpuls

    Das große Thema, dass das Unternehmen laut Klimmer „in den kommenden zehn bis 15 Jahren“ beschäftigen wird, ist die Telemedizin. „Wir stehen hier in Europa noch am Anfang.“ Das Bayerische Innenministerium vergab zu Beginn dieses Jahres den Auftrag für Telenotärzte an Corpuls. 800 Rettungswagen im Freistaat sollen so ausgestattet werden, dass der Notarzt im Klinikum vor dem Bildschirm sitzt und Daten übermittelt bekommt und auf der Basis den Notfallsanitätern Handlungsempfehlungen geben kann. Starten wird der Telenotarzt nach aktuellem Stand Ende des Jahres in Straubing, wo er bereits im Rahmen eines Pilotprojekts erprobt wurde. Perspektivisch sollen es drei Standorte werden, die sich dank einheitlicher Technik auch untereinander aushelfen sollen. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte im Januar: „Der Ort und Gebietszuschnitt für den nächsten Standort steht noch nicht fest.“

    Den größten Auftrag der Firmengeschichte mit mehr als 24 Millionen Euro erhielt die Firma im vergangenen Jahr vom australischen Bundesstaat New South Wales, dessen Hauptstadt Sydney ist. Michael Heller verweist auf die großen Distanzen in dem Land. „Wenn mittels Telemedizin eine gesicherte Diagnose gestellt werden kann, kann der Patient ins dafür ausgestattete Krankenhaus gebracht werden. Es könnte auch ein Giftspezialist zugeschaltet werden“, äußerte er mit Blick auf in Australien lebende Tiere, deren Bisse lebensbedrohlich sein können. 

    Der Medizingerätehersteller Corpuls aus Kaufering stattet auch Rettungshubschrauber aus.
    Der Medizingerätehersteller Corpuls aus Kaufering stattet auch Rettungshubschrauber aus. Foto: Corpuls

    Das Unternehmen hat viel Erfahrung mit der Telemedizin. Bereits Anfang des Jahrtausends lieferte Corpuls die nötige Software und Technik nach Norwegen, damit die Uniklinik in der Stadt Bergen und Ölplattformen diese für den Austausch untereinander nutzen konnten. Das Unternehmen entwickele die Geräte alle so, dass sie in Rettungshubschraubern eingesetzt werden könnten, sagte der Seniorchef kurz vor seinem Rückzug: „Da sind die Bedingungen so anspruchsvoll, dass sie dann auf jeden Fall für den Einsatz auf der Straße auch geeignet sind.“ Hubschrauber spielten aufgrund der Entfernungen und Topografie unter anderem in

    Corpuls setzt auf Innovationen. „Als wir 1992 das erste Zwölf-Kanal-EKG auf den Markt gebracht haben, wurden wir gefragt, ob das gebraucht wird. Heute ist es Standard“, erinnert sich Klaus Stemple. Mit der Technik – Klebepunkte werden auf dem Oberkörper angebracht – könne gemessen werden, wo das Herz nicht oder nicht richtig versorgt werde, erklärt Heller. Vor zwei Jahren brachte die Firma das 22-Kanal-EKG heraus, das eine noch genauere Untersuchung ermöglicht.

    Günter Stemple (links) zieht sich bei Corpuls aus der Geschäftsführung zurück. Zu dieser gehören auch Christian und Iris Klimmer sowie Klaus Stemple (nicht im Bild). Die Firma mit Sitz in Kaufering stellt Medizinprodukte her.
    Günter Stemple (links) zieht sich bei Corpuls aus der Geschäftsführung zurück. Zu dieser gehören auch Christian und Iris Klimmer sowie Klaus Stemple (nicht im Bild). Die Firma mit Sitz in Kaufering stellt Medizinprodukte her. Foto: Thorsten Jordan

    Auf die Frage, wie künstliche Intelligenz die Medizintechnik verändern und welche Rolle Corpuls dabei spielen könnte, äußert sich Stemple zurückhaltend. „Wir sind eine Branche, die sehr vielen Regulierungen unterliegt, beispielsweise wegen der Datensicherheit", sagt er. Trotzdem hat Corpuls ein genaues Auge auf Innovationen an anderer Stelle: "Wir greifen diese später auf", erklärt Stemple.

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