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Augsburg/Vilgertshofen: Tödliche Messerattacke in Vilgertshofen: Überraschung zu Prozessbeginn

Augsburg/Vilgertshofen

Tödliche Messerattacke in Vilgertshofen: Überraschung zu Prozessbeginn

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    Vor dem Landgericht Augsburg hat ein Mordprozess begonnen. Es geht um eine Bluttat, die sich im Landkreis Landsberg ereignet hat.
    Vor dem Landgericht Augsburg hat ein Mordprozess begonnen. Es geht um eine Bluttat, die sich im Landkreis Landsberg ereignet hat. Foto: Monika Skolimowska/dpa (Symbolbild)

    Er sei nach Deutschland gekommen, um hier ein neues Leben nach Ordnung und Gesetzen zu führen, erklärte der Angeklagte dem Gericht. Zwei Jahre lang klappte das auch für den 38-jährigen Bauarbeiter aus Polen - solange, bis er im vergangenen August in der Gemeinde Vilgertshofen einen Arbeitskollegen mit einem Messer hinterrücks erstochen haben soll. Diese Bluttat wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vor, der sich jetzt wegen Mordes vor dem Landgericht in Augsburg verantworten muss. Der 38-Jährige selbst streitet die Tat ab, beschuldigt vielmehr einen Arbeitskollegen.

    Freitag, 27. August 2021: Insgesamt fünf Bauarbeiter fahren am Morgen aus ihrer Unterkunft in Vilgersthofen auf eine Baustelle. Weil es an jenem Morgen in Strömen regnet, schickt sie der Chef schon bald wieder nach Hause – heute keine Arbeit. Auf dem Rückweg, so geht es aus einer von Rechtsanwältin Alexandra Gutmeyr verlesenen Verteidigererklärung hervor, habe man in einem Discounter eingekauft. Der Angeklagte selbst Bier, seine Kollegen Wodka. Und man habe ausgiebig zu trinken begonnen, was beim Angeklagten zur Tatzeit zu einem Blutalkoholwert von etwa einem Promille geführt hatte (verglichen mit der aus dem Straßenverkehr bekannteren Atemalkoholkonzentration hatte der Mann landläufig wohl „an die zwei Promille intus“). Gegen 17 Uhr habe der Angeklagte, der im Prozess zur Tat selbst keine Angaben macht und keine Fragen beantwortet, begonnen, die Küche aufzuräumen, weil er dort schlafe.

    Die Männer kehren mit Alkohol in ihr Quartier in Vilgertshofen zurück

    Dann sei sein 37-jähriger Arbeitskollege zu ihm gekommen und habe gesagt, „der P.“ (das Opfer war zur Tatzeit 36 Jahre alt) sei ihm im Nachbarzimmer „ins Messer gefallen“. Er, der Angeklagte, habe dem verletzten Arbeitskollegen und polnischen Landsmann ein Tuch auf die Wunde zu drücken geholfen und so die Blutung gestoppt. Etwa 30 Minuten später habe er den P. auf die Toilette im Bad begleitet, nachdem der 36-Jährige zuvor zweimal ohnmächtig geworden sei. Jetzt habe man einen Krankenwagen gerufen, um den Verletzten behandeln zu lassen. Er selbst, rechtfertigte sich der Angeklagte über seine Verteidigerin, habe mit einer Messer-Attacke nichts zu tun gehabt, habe diese auch nicht gesehen und könne zu der Bluttat nichts sagen. Er habe lediglich zuvor einen Streit zwischen dem 36-jährigen und dem 37-jährigen Landsmann geschlichtet und später dem Verletzten geholfen.

    Sanitäter versuchen noch, den Mann wiederzubeleben

    Anders sieht dies nach den Ermittlungen der Polizei die Anklage der Staatsanwaltschaft. Demgemäß habe der Angeklagte dem ahnungslosen Opfer unvermittelt von hinten ein Küchenmesser mit einer 30 Zentimeter langen Klinge über sechs Zentimeter tief in den Rücken gestoßen. Das Messer habe eine Lungenarterie durchtrennt, der Verletzte habe dadurch binnen kurzer Zeit innerlich mehr als drei Liter Blut verloren und sei verblutet. Er sei schon wenige Minuten nach dem Messerangriff gestorben.

    Am ersten Verhandlungstag kamen mehrere Polizeibeamte, Notfallsanitäter und ein Notarzt im Zeugenstand zu Wort. Sie schilderten, wie man zunächst wegen einer unklaren Verletzung in eine Arbeiterunterkunft in einer Ferienwohnung gerufen worden war, die sich im zweiten Obergeschoss eines Wohnhauses befindet. Man habe dort gegen 17.30 Uhr den bereits toten Mann im Bad der Wohnung gefunden und in die Küche geschafft, wo genug Platz für Reanimationsmaßnahmen gewesen sei. Nach knapp 20 Minuten sei im Beisein eines Notarztes die Reanimation beendet worden – erfolglos. Streifenbeamte aus Landsberg und Dießen hatten gleich zu Beginn alle vier Bewohner der Wohnung festgenommen, da gegen sie der Tatverdacht eines Kapitalverbrechens bestanden habe, so einer der Zeugen. Dabei habe einer der Arbeiter mittels Kopfnicken „den Mann im roten T-Shirt“, wie der Angeklagte anfangs mangels Personalien bezeichnet worden war, als Täter einer Messerattacke bezeichnet. Der Mann wurde daraufhin unverzüglich nach Augsburg in den Polizeiarrest gebracht.

    Der Angeklagte saß bereits mehrere Jahre im Gefängnis

    Zwar, so zeigten es Blicke in die Auskunftsdateien, hat der Angeklagte zuvor in Deutschland als selbstständiger Bauarbeiter zwei Jahre lang straffrei gelebt, ganz anders verhält sich das aber für sein Heimatland. Wegen zahlreicher Delikte wie Einbruchdiebstahl, Bedrohung und Erpressung hat der gelernte Schlosser dort insgesamt schon rund elf Jahre im Gefängnis verbracht. Aktuell, so der Angeklagte, erwarte ihn in Polen eine weitere Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten wegen eines Einbruchs im Jahr 2020, der er zunächst per Ausreise nach Deutschland entgangen sei. Der 38-Jährige sitzt seit 28. August 2021, dem Tag nach der Bluttat, im Gefängnis in Gablingen in Untersuchungshaft.

    Das Augsburger Landgericht hat insgesamt sieben Verhandlungstermine angesetzt. Das Urteil in dem Mordprozess könnte Ende Juli fallen. Ein Rechtsmediziner und ein psychiatrischer Gutachter begleiten das Verfahren.

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