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Pürgen: Endlich ist die Familie da

Pürgen

Endlich ist die Familie da

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    Im Dezember konnte der Sportlehrer aus Syrien seine Kinder Sima und Emad am Flughafen in München abholen.
    Im Dezember konnte der Sportlehrer aus Syrien seine Kinder Sima und Emad am Flughafen in München abholen. Foto: Gabriele Götz

    Monzer Alshehade ist glücklich. Am 4. Dezember durfte der 31-Jährige Sportlehrer aus Syrien seine Ehefrau Heba und die beiden Kinder Sima und Emad am Flughafen München abholen. Mit dabei war die Deutschlehrerin Gabriele Götz, die bei der Familienzusammenführung unterstützt hat. „Ohne Gabi hätten wir es nie geschafft“, sagt Monzer. Eine Familienzusammenführung ist schwierig und teuer, der bürokratische Aufwand sehr hoch.

    Als Monzer vor 16 Monaten nach Deutschland kam, hatte er seine Familie nicht dabei. Denn seine kleine Tochter Sima leidet an einer seltenen Wachstumsstörung, sie hätte die Strapazen einer Flucht nicht ausgehalten. Die fast Sechsjährige ist etwa so groß wie ihr dreijähriger Bruder und wirkt sehr zerbrechlich.

    In Syrien war Monzer Sportlehrer an einer Schule und hatte einen weiteren Job als Qualitätskontrolleur in einer Firma. Dort wurde er eines Tages mit mehreren Kollegen ohne Grund verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. „Wir wussten alle nicht, warum. Und was uns dort erwartete. Wer ein Wort sagte, wurde sofort zusammengeschlagen“, erzählt er. Das Schlimmste sei die Unsicherheit gewesen. Nach etwa vier Monaten kam Monzer frei. Inzwischen war das Haus der Familie zerbombt, Mutter und Bruder tot, beide Jobs weg. „Ich musste ein anderes Leben für uns suchen“, sagt Monzer. Im Frühjahr 2015 floh er Richtung Europa. Nach einer dramatischen Flucht übers Meer - die Insassen des überfüllten Schlauchboots wurden in letzter Minute von einem griechischen Fischer gerettet - und einer Odyssee durch sechs verschiedene Camps kam Monzer in den Tankhof Lengenfeld. „Ich hatte dann Glück, dass ich Gabi begegnet bin“, sagt Monzer. Die Lehrerin des Ignaz-Kögler-Gymnasiums engagiert sich als Deutschlehrerin für Flüchtlinge, lernt mehrmals die Woche mit Monzer. „Er ist sehr fleißig und engagiert“, sagt Gabriele Götz. Monzer hat auch einen Job, bis zu viermal die Woche ist er als Gemeindearbeiter in Pürgen tätig.

    Ablenkung durch den Sport

    Mithilfe der Diakonie und Gabriele Götz beantragte er die Familienzusammenführung, besorgte alle Dokumente, fand eine kleine Wohnung. Doch dann der Schock: An den deutschen Botschaften und Konsulaten rund um Syrien muss man etwa anderthalb Jahre warten, um überhaupt vorsprechen zu können. Ein Termin für die Familie rückte in weite Ferne. Monzer lenkte sich mit Sport ab: „Ich möchte wieder als Sportlehrer arbeiten, in einem Fitnessstudio oder an einer Privatschule, da muss ich fit bleiben.“ Beim Landsberger Stadtlauf belegte er den 38. Platz über 10 Kilometer, war Dritter in seiner Altersklasse. Doch richtig freuen konnte er sich nicht, vor lauter Sorge um seine Familie.

    Der Zustand der kleinen Sima verschlechterte sich. Ein syrischer Arzt schilderte die Erkrankung einem Augsburger Professor für Kinderheilkunde - nach vielen Telefonaten und E-Mails gab es eine Ausnahmegenehmigung für einen früheren Termin beim deutschen Konsulat in Erbil (Nordirak). Anfang November kam die erlösende Nachricht. „Monzer weinte vor Glück“, berichtet Gabriele Götz. Doch das Zittern fing jetzt erst richtig an, ein wahrer Krimi. Zuerst ein Spießrutenlauf durch syrische Ämter: Monzers Vater musste den syrischen Behörden bestätigen, dass er seiner Schwiegertochter samt Kindern die Ausreise erlaubt. Insgesamt zehn Papiere waren dafür nötig, jeder Stempel kostet Geld. Oft auch US-Dollar, deren Besitz strafbar ist. Mit der Terminbestätigung für das Konsulat in Erbil musste Monzers Frau Heba nach Beirut und dort in der Deutschen Botschaft die Personenstandsdokumente überprüfen und legalisieren lassen. Die Fahrt ist nicht ungefährlich. Es dauerte lange, bis sie ein Taxi für die einstündige Fahrt bekam. „Dazu musste sie ein Hotel buchen, das sie gar nicht brauchte. Alles kostete 300 Euro“, berichtet Monzer. Aber ohne Hotel kein

    Von Beirut ging es wieder zurück nach Damaskus, wo Heba ein Visum für den Irak beantragen musste. Dort hieß es, das ginge nicht, da das deutsche Konsulat in Erbil nicht für jedes Familienmitglied einzeln eine Termineinladung ausgestellt habe. Heba sollte am nächsten Tag um 9 Uhr wiederkommen mit Einzeleinladungen und 200 US-Dollar. Die Sammeleinladung war gültig, man wollte die Frau offenbar nur verunsichern. Heba schaffte es, mit vielen Telefonaten und weiten Wegen, zumindest die 200 US-Dollar zusammenzukratzen, stand pünktlich um 9 Uhr vor der irakischen Botschaft. Die aber war geschlossen. „Wir machen heute frei“, hieß es. In Deutschland platzte jetzt Gabriele Götz der Kragen, denn der Flug von

    Am nächsten Morgen wieder ein teures Taxi von Damaskus nach Beirut, Aufbruch mit zwei Koffern in ein neues Leben. Abflug nach Erbil, wo Gabriele Götz ein kleines Hotel in der Nähe der Botschaft gebucht hatte. Zunächst für sechs Tage, denn es war unklar, wie lange man auf das Visum für Deutschland warten musste. Doch bevor die Mutter mit den Kindern ins Hotel ziehen konnte, brauchte sie einen Bürgen. Wieder Telefonate mit Deutschland. Monzer überzeugte einen syrischen Flüchtling im Irak, für seine Familie zu bürgen. Der machte das sogar noch ein zweites Mal, weil die Familie nochmal für vier Tage in ein anderes Hotel umziehen musste - und hat jetzt Ärger mit der irakischen Polizei.

    Nach zehn Tagen in Erbil hatte Heba die ersehnten Visa für Deutschland. Es gibt Direktflüge von Erbil nach München, „aber unbezahlbar“, sagt Gabriele Götz. Daher ging es von Erbil nach Ankara, von dort nach Istanbul und dann nach

    „Herzlich willkommen in Deutschland“ steht auf einem Plakat in Deutsch und Arabisch an der Tür der Familienwohnung. Die Familie ist angekommen, die kleine Wohnung gemütlich eingerichtet. Die gelernte Kosmetikerin Heba will hier wie ihr Mann schnell Deutsch lernen und Fuß fassen. Sie mag die christlichen Weihnachtsbräuche, hat schon einen Christbaum geschmückt und lernt gerade Plätzchenbacken. Und die Kinder warten sehnsüchtig auf Schnee.

    Laut Wolfgang Müller, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Landratsamt Landsberg, wurde im Landkreis im Jahr 2016 vierzig Personen zusammengeführt, sechs syrische Familien (25 Personen), aus der Türkei sieben Personen, aus Thailand vier und aus dem Kosovo vier Personen. Abgesehen von der Terminproblematik und den in den Heimatländern zu besorgenden Papieren sieht Müller dabei „Probleme von allgemeiner Natur: Jeder Neuanfang ist eng verbunden mit Begriffen wie Integration, ausreichend Wohnraum, Sicherung des Lebensunterhalts, sprachliche Entwicklung usw. Größtes Problem ist sicherlich die Wohnungssuche.“

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