Startseite
Icon Pfeil nach unten
Landsberg
Icon Pfeil nach unten

Prozess: "Wir bedauern den Tod von Ursula Herrmann"

Prozess

"Wir bedauern den Tod von Ursula Herrmann"

    • |
    Der Ursula-Herrmann-Prozess ist für die Medien von großem Interesse.
    Der Ursula-Herrmann-Prozess ist für die Medien von großem Interesse.

    Von Gerald Modlinger Augsburg/Eching - Was sich vor der Absperrung zum Zuschauerbereich hin abspielt, bekommen die Besucher zunächst gar nicht mit: In Zweier- bis Dreierreihe haben sich um 9 Uhr Kameraleute und Pressefotografen aufgebaut. Allenfalls am Klicken der Kameras wird erkennbar, dass eine offenbar wichtige Person in den Gerichtssaal getreten ist. 27 Jahre nach der für das Mädchen tödlichen Entführung von Ursula Herrmann hat gestern im Schwurgerichtssaal im Strafjustizzentrum

    Um 9.13 Uhr eröffnet der vorsitzende Richter Wolfgang Rothermel die Verhandlung und komplimentiert die Fotoreporter aus dem Saal - der Blick auf die Hauptakteure des zu erwartenden Mammutverfahrens öffnet sich: Links vor den hohen Fenstern Staatsanwältin Brigitte Baur und Marion Zech, die Anwältin der Familie Herrmann, die als Nebenkläger auftritt, an der Stirnseite das Gericht, rechts die Angeklagten, vorne Werner M., dahinter seine Ehefrau, beide eingerahmt von ihren Verteidigern.

    Zunächst richtet sich die Aufmerksamkeit auf die linke Seite. Die Staatsanwältin trägt die kompakte Anklageschrift vor, die den 58-jährigen Kaufmann aus Kappeln in Schleswig-Holstein des erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge, seine Ehefrau, eine 62-jährige Rentnerin, der Beihilfe beschuldigt.

    Gleich zu Beginn ist vom Tonbandgerät die Rede

    Dann gibt Rechtsanwalt Walter Rubach eine Vorstellung davon, wie er die Verteidigung seines Mandanten aufzubauen gedenkt. Der Anwalt greift hier eine Spur, da einen Aktenvermerk, dort eine Nummern- und Buchstabenfolge aus dem 65 000-seitigen Ermittlungsmaterial heraus. Auf drei wesentliche Punkte will Rubach hinaus: Er will die Beweiskraft jenes Tonbandgerätes erschüttern, das im Oktober 2007 beim Angeklagten gefunden wurde. Zweitens weist er auf Spuren zu anderen Verdächtigen hin und schließlich bemängelt er, weder die Verteidiger noch das Gericht hätten genügend Zeit gehabt, alle Akten zu lesen. Deshalb will er den Prozess um mindestens zwei Monate vertagen. Richter Rothermel unterbricht die Verhandlung das erste Mal, damit die Kammer den Antrag beraten kann, der dann abgelehnt wird.

    Viel Neues haben die ersten 44 Minuten nicht gebracht. In der Pause richtet sich das Interesse der Medienvertreter auch auf die Anwältin der Herrmanns. Sie wird vor allem nach dem Befinden von Ursulas Eltern gefragt. Die menschliche Ebene wird freilich nicht bedient. "Einerseits ist der Prozess eine sehr große Belastung", sagt Marion Zech, "andererseits bietet er die Chance, Aufklärung in diesen Fall zu bringen. Die Eltern wollten sich "objektiv" eine Meinung bilden - und zwar am Ende der Beweisaufnahme. Und sie werden einmal auch zur Verhandlung kommen: In der Zeugenliste sind sie für den 24. März vorgesehen - ihre Aussagen, so Zech weiter, sollen unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemacht werden.

    Andere Berichterstatter halten ihre Mikrofone den Prozessbesuchern unter die Nase. Aus Eching, Schondorf und Utting scheint niemand gekommen zu sein, nur jemand aus der näheren Umgebung: 18 Jahre sei er gewesen, als Ursula Herrmann zu Tode kam und jetzt wolle er "die Aufarbeitung der Geschichte" mitverfolgen, sagt der Mann. Dass aus Eching niemand zu sehen ist, ist für ihn naheliegend: Jeder von dort würde am ersten Prozesstag sogleich die Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen.

    Auffällig sind die vielen jungen Leute. Sie waren noch nicht einmal geboren, als Ursula Herrmann entführt wurde. Warum sie hier sind? Sie kommen alle von der TÜV-Akademie für Lagerlogistik-Fachkräfte - und die befindet sich gleich neben dem Strafjustizzentrum. Ansonsten ist das übliche Justiz-Publikum zu sehen, vor allem Rentner aus Augsburg und Umgebung, meist regelmäßige Gerichtsbesucher, darunter auch zwei Schrobenhausener. In Augsburg seien sie eher selten anzutreffen, erzählen sie: "Wir fahren lieber nach München, da gibt es mehr Abwechslung."

    Erst nach drei Stunden wird es interessanter. Der Hauptangeklagte verliest eine Erklärung: "Wir haben mit der Tat nichts zu tun und wir bedauern den Tod von Ursula Herrmann und das Schicksal ihrer Eltern", beginnt Werner M. seinen Vortrag, der rund eine Stunde dauern wird. Sehr selbstsicher und offensiv tritt der Angeklagte auf und verliest den sprachlich gewandt formulierten Text ohne Stockungen.

    M. spannt darin einen weiten Bogen, beginnend mit biografischen Anmerkungen aus den 1970er Jahren, bis hin zu einer langen Erwiderung auf die von der Staatsanwaltschaft dargelegten belastenden Indizien. Und er lenkt die Aufmerksamkeit auf zwei weitere Personen: Etwa auf den verstorbenen Klaus P., der ein paar Ortschaften weiter lebte und ausgesagt hatte, im Weingarten das Erdloch für M. gegraben zu haben. P. sei jedoch "ein haltloser Alkoholiker", gewesen, zitiert der Angeklagte aus den Polizeiakten, die er offenbar auch selbst studiert hat.

    Immer wieder kommt Werner M. auch auf den 1995 gestorbenen ehemaligen Polizisten Harald W. zu sprechen. W. war jahrelang im Visier der Ermittler. Vieles von dem, so Werner M., was man als Indizien für seine Urheberschaft der Tat ins Feld führe, treffe viel mehr auf W. zu. Dieser habe als Jäger die viel besseren Ortskenntnisse vom Weingarten gehabt, habe sich mit dem Auto unverdächtig auf den gesperrten Wegen bewegen können. Durch seine kriminalistischen Kenntnisse habe er der Polizei auch immer "ein Stück voraus" sein können.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden