Ein Diener zweier Herren? Felix Bredschneijder ist SPD-Stadtrat und will Oberbürgermeister in Landsberg werden. Und er ist anwaltlich für den früheren Oberbürgermeister Ingo Lehmann (SPD) tätig. Rechtlich sei das nicht zu beanstanden, betont Bredschneijder. Stadtjustiziarin Petra Mayr-Endhart lässt diese Frage offen. Was aber sagen die Gemeindeordnung und das Standesrecht zu einer solchen Konstellation?
Konkret geht es bei Bredschneijders Mandat um die Prozesse, in denen Lehmann als „Streithelfer“ der Stadt gegen die Bank auftrat, bei der in Lehmanns Amtszeit die verlustreichen Derivatgeschäfte getätigt worden waren.
Stadt Landsberg und Ingo Lehmann gegen die Bank
Die Prozesse der Stadt gegen die Bank Hauck & Aufhäuser vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht reichen bis ins Jahr 2013 zurück. Lehmann bekam damit über zwei Streitverkündungen zu tun. Eine Streitverkündung ist ein Mittel nach der Zivilprozessordnung: Ausgangspunkt ist, dass eine Partei in einem aktuellen Prozess einen für sie ungünstigen Ausgang befürchten muss, andererseits für diesen Fall erwarten kann, sich gegenüber einem Dritten schadlos halten zu können, erklärt das Online-Lexikon Wikipedia. Diesem Dritten wird dann der Streit verkündet.
Im konkreten Fall bedeutete dies: Falls die Stadt keine Ansprüche gegen die Bank erwirken könne, würde man versuchen, vom früheren Kämmerer Manfred Schilcher einen Schadensersatz einzuklagen. Dieser verkündete in der Folge Lehmann den Streit, der daraufhin dem Streit der Stadt gegen die Bank beitrat – auf ausdrücklichen Wunsch der Stadt, wie der frühere Oberbürgermeister betont.
Das Mandat gibt es seit 2013
Nachdem ihm im Februar 2013 per Stadtratsbeschluss zugesagt worden sei, „jegliche Kosten“ für den Rechtsstreit aufseiten der Stadt zu übernehmen, habe er einen Anwalt beauftragt. Seine Wahl fiel – in Absprache mit der Stadt, wie Lehmann betont –, auf die Kanzlei Amend in Landsberg. Dort trat kurz darauf der Rechtsanwalt Felix Bredschneijder als freier Mitarbeiter ein. Im Juli 2013 sei ihm das Lehmann-Mandat „vermacht“ worden, sagt Bredschneijder. 2014 wurde Bredschneijder in den Stadtrat gewählt. Zum Zeitpunkt der Anwaltsbeauftragung habe der frühere Richter Lehmann nach seinem Ausscheiden aus dem Oberbürgermeisteramt noch keine Anwaltszulassung gehabt, erklärt Bredschneijder. Diese habe er erst danach erhalten.
Ein Grundurteil, dass die Stadt keine Ansprüche gegen Hauck & Aufhäuser hat, ist bereits vor Jahren gefallen. Zu Ende ist der Rechtsstreit aber noch nicht: Das „Betragsverfahren“, an dessen Ende feststehen wird, wie viel die Stadt an die Bank zahlen müsste, laufe noch, erklärt Bredschneijder. Außen vor ist Bredschneijder bei zwei anderen Vorgängen, bei denen Lehmann und die Stadt nicht auf einer Seite, sondern sich gegenüber stehen.
Im weiteren Fortgang der Derivate-Affäre verkündete die Stadt Ende 2014 auch dem früheren Oberbürgermeister den Streit., erklärt Stadtjustiziarin Petra Mayr-Endhart. Dabei ging es darum, im Hinblick auf Schadensersatzsprüche der Stadt eine mögliche Verjährung zu verhindern.
Im Sommer 2017 habe ihm die Stadt mitgeteilt, seine Anwaltskosten nicht zu tragen, berichtet Ingo Lehmann. Mit seiner Klage wolle er nur erreichen, „dass die Stadt ihre Zusage einhält, ohne die ich das Anwaltsbüro nicht beauftragt hätte“. Die Stadt beziffert die strittigen Anwaltskosten auf 141.000 Euro. Die Höhe berechnet sich nach dem Streitwert. Dieser wurde in den Prozessen zwischen Stadt und Bank gerichtlich mit 6,9 Millionen Euro festgelegt. Die Stadt hatte gegenüber Lehmann jedoch einen Streitwert von 600.000 Euro genannt. Bei seiner Klage wegen der Anwaltskosten vor dem Verwaltungsgericht vertritt sich Ingo Lehmann selbst. Verhandelt wird am 17. Dezember.
Wie aber lassen sich die einzelnen Vorgänge für den Rechtsanwalt und Stadtrat Bredschneijder trennen? „Tatsächlich funktioniert das relativ gut“, betont der Jurist und Kommunalpolitiker. Stehe das Thema Derivate im Stadtrat auf der Tagesordnung, verlasse er die Sitzung. Er habe auch keine Kenntnisse über den aktuellen Beratungsstand. Bredschneijder: „Ich bin mir der Schwierigkeit der Situation bewusst, und deshalb achte ich auch darauf.“
Was Gemeindeordnung und Standesrecht vorschreiben
Und das Mandat abgeben? Eine Beendigung des Mandats durch die Kanzlei sei nur einvernehmlich mit einem Mandaten möglich oder in wenigen anderen Fällen, etwa einem zerrütteten Vertrauensverhältnis. An den strittigen Anwaltskosten würde das aber nichts ändern, diese seien ja schon angefallen, sagt Bredschneijder. Speziell für Bredschneijder gebe es aber noch einen anderen Grund, das Mandat abzugeben: seine etwaige Wahl zum Oberbürgermeister. Die SPD hat ihn vor Kurzem als Kandidaten nominiert. Im Falle seiner Wahl würde er seine Berufstätigkeit als Anwalt beenden, kündigt Bredschneijder an.
Stadtjustiziarin Petra Mayr-Endhart betrachtet die Frage der Zulässigkeit von Bredschneijders Mandat differenziert. Dieses sei grundsätzlich zulässig – im Rahmen der gesetzlichen und standesrechtlichen Grenzen: So regle Artikel 50 der Gemeindeordnung, dass Gemeinderatsmitglieder nur als gesetzliche Vertreter (zum Beispiel als Eltern Minderjähriger) Ansprüche Dritter gegen die Gemeinde geltend machen dürften. Und Paragraf 43a der Bundesrechtsanwaltsordnung bestimme, dass ein Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten dürfe.
Wie LT-Redaktionsleiterin Alexandra Lutzenberger die Rolle von Felix Bredschneijder sieht, lesen Sie hier: Derivate: Wer darf wen vertreten?