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Landsberg: Opfer der Sommerkeller-Schlägerei hätte überleben können

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Opfer der Sommerkeller-Schlägerei hätte überleben können

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    Das Opfer der Schlägerei hätte vielleicht überlebt - doch die Gehirnblutung wurde nicht entdeckt.
    Das Opfer der Schlägerei hätte vielleicht überlebt - doch die Gehirnblutung wurde nicht entdeckt. Foto: Symbolbild, Flora Anna Grass

    Eine einzige craniale Computertomografie (cCT), die in der Osternacht am Klinikum Landsberg offenbar nicht durchgeführt worden war – und das Opfer könnte vermutlich noch am Leben sein. Dieser neue Aspekt entstammt einem Gutachten, das vor dem Augsburger Landgericht am vierten Verhandlungstag eines Prozesses vorgestellt wurde, bei dem ein in der Schweiz lebender Mann des versuchten Totschlags an einem 46-jährigen Landsberger angeklagt ist.

    Was nach Schlägen auf den Kopf medizinisch-technisch üblich sei, wurde am Landsberger Klinikum, obgleich die Geräte dafür vor Ort vorhanden waren, nach der Tat im Sommerkeller bei Igling offenbar versäumt. Diese Feststellungen entstammen der Expertise von Dr. Helmut Pankratz vom Institut für Rechtsmedizin der LMU in München, die er in der Verhandlung vorstellte.

    Eine cCT wurde im Landsberger Klinikum versäumt

    Die cCT bezeichnet ein radiologisches Untersuchungsverfahren, bei dem vor allem das Gehirn, aber auch Hirnkammern mit Hirnflüssigkeit sowie die übrigen Weichteile im Inneren des Schädels dargestellt werden. Dr. Helmut Pankratz gab detaillierte Einblicke: „Als der Notarzt das Opfer am Ostersonntag um 3.10 Uhr einlieferte, war dieses noch ansprechbar, um 8 Uhr wurde es bewusstlos, eingenässt und eingekotet vorgefunden.“ Der 59-Jährige erklärt das Krankheitsbild und den Verlauf des inzwischen am 11. November Verstorbenen: ein epidurales Hirnhämatom, ein Posteriorinfarkt, eine defekte Hirnsubstanz, eine Schläfenbeinfraktur, eine Scheitelbeinfraktur, ein geblähtes Rückenfell und eine Kieferfraktur.

    Zeitnah wurde das Opfer in die Unfallklinik Murnau verlegt, wo die Gehirnblutung sodann durch ein gebohrtes Loch in die Schädeldecke entlastet worden ist. „Hätte man sofort ein cCT angeordnet, hätte die Blutung rascher behandelt werden und der Patient mit großer Wahrscheinlichkeit wieder gesunden können. So war es eine fehlerhafte Behandlung, die leider passiert ist, wie auch ungünstige Umstände, sie war jedoch kein grober Fehler.“ Es müssen, so der Experte weiter, keine exorbitanten Kräfte stattfinden, um dies hervorzurufen, ein stumpfer Schlag, ein anschließender Sturz auf den Boden genügen. Der Tod ist in Folge einer rechtsseitigen Lungenentzündung und einer linksseitigen Eiteransammlung in der Brust eingetreten.“

    Schon ein Faustschlag reicht für so eine Verletzung

    Dr. Jiri Adamec, ebenfalls vom Institut für Rechtsmedizin, schloss sich seinem Vorredner an: „Ein Faustschlag reicht für diese Verletzung aus.“ Der Privatdozent und wissenschaftliche Mitarbeiter schildert, dass eine hohe Gewalt im Spiel gewesen sein muss – Faustschläge direkt ins Gesicht, direkt von vorne, auch einen Kniestoß hielt er für möglich, einen Sturz des Opfers ebenso – allerdings auf den Hinterkopf fallend, wie in der Hauptverhandlung behauptet, schloss er aus. „Die Zeugenaussagen waren nicht plausibel nachvollziehbar.“

    Als dritter Experte sagte der Nervenarzt Dr. Richard Gruber, Spezialgebiet Forensische Psychiatrie, aus, der den Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt untersucht hatte: „Es liegt weder eine Persönlichkeitsstörung noch eine krankhaft seelische Störung vor. Auch die Vorgeschichte des Täters zeigt keinerlei Auffälligkeiten, weder psychiatrische noch sonstige, seine Krankenakte der JVA beinhaltet zudem ebenfalls keine Besonderheiten.“ Der Patient, von Beruf Metzger, sei ausgeglichen, sozial integriert und in sich ruhend, er habe keinen Hang zu Alkohol, treibe Sport, lebe gesundheitsbewusst. So sei eine Unterbringung in einer erzieherischen Anstalt nicht nötig.

    Staatsanwältin beantragt sieben Jahre und sechs Monate Haft

    Danach folgten die Plädoyers. Staatsanwältin Andrea Eisenbarth fand klare Worte: „Aus meiner Sicht gibt es keinen Zweifel, dass hier ein Mensch getötet wurde.“ Sie sprach davon, wie das Opfer nach vier direkten Schlägen ins Gesicht einem Brett gleich zu Boden fällt, und wie der Täter dessen Tod billigend in Kauf nahm, den Tatort sofort verließ und keinerlei Anteilnahme, gar Hilfsbereitschaft, zeigte. Es gab keinen Streit und keine vorausgehende Auseinandersetzung, die Männer kannten sich nicht.

    Elisabeth Baus, die Nebenklägerin (Witwe des Opfers) legte dem Angeklagten über die Tat hinaus sein jüngstes Verhalten zur Last: „Sie hatten in all den Monaten seit Ostern nicht ein Mal nachgefragt, wie es dem Opfer geht.“ Da sei die Zahlung von 5000 Euro an meine Mandantin nur ein Tropfen auf einen sehr großen heißen Stein, von dem gerade mal die Beerdigung beglichen werden konnte – das Schlimmste ist, dass der Tote der Versorger der Familie war, meine Mandantin und die Kinder leben jetzt von Hartz IV.“

    Verteidiger Urs Gronenberg räumte den tragischen Fall ein, sprach aber von einer ganz normalen Kneipenschlägerei unter zwei Männern, die unbeabsichtigt dramatisch ausgegangen sei. Er forderte eine Strafminderung, die bei einem bis zehn Jahren liege. Auch deshalb, da es eine ganze Bandbreite an Zeugenaussagen gegeben hätte, mit Widersprüchen und rein subjektiven Wahrnehmungen.

    Er erläuterte, dass kein cCT gemacht wurde, sei fahrlässig und fehlerhaft gewesen und es somit ein Mit-Verschulden von Dritten, ergo dem Arzt, gebe, ja, es sich um ominöse Umstände handelte, und das Opfer ohne das Fehlverhalten des Arztes noch leben könnte. Einen konkreten Strafantrag stellte Gronenberg nicht.

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