Über Reisen in Zeiten von Corona wird momentan viel diskutiert: Während Urlaub im eigenen Land wegen geschlossener Hotels und Campingplätze kaum möglich ist, setzen sich nicht wenige Menschen in den Flieger nach Mallorca. Die Baleareninsel gilt aktuell nicht als Risikogebiet. Bei vielen stößt das auf Unmut. An Flughäfen werden Reisende sogar angefeindet. Der Inhaber eines Landsberger Reisebüros fühlt sich von der Politik zu Unrecht als mitverantwortlich für die Ausbreitung des Virus dargestellt und berichtet im LT über Beschimpfungen.
Stefan Stang betreibt sein Landsberger Reisebüro im Forum Einkaufszentrum seit 2006. Er sei ein „Ein-Mann-Büro“ und ob der schwierigen Situation froh darüber. Denn das Geschäft laufe seit rund einem Jahr „sehr schlecht“. Zu Beginn des Vorjahres hatte sich die Tourismusbranche gerade erst von der Insolvenz des Reiseveranstalters Thomas Cook erholt, als sie mit voller Wucht von der Corona-Krise getroffen wurde.
Gravierende Umsatzeinbrüche in der Tourismusbranche
Als viele Länder das öffentliche Leben herunterfuhren, war an Urlaubsreisen über Wochen hinweg nicht mehr zu denken. Die Tourismusbranche habe mit Umsatzeinbrüchen zwischen 80 und 90 Prozent zu kämpfen, berichtet Stefan Stang. Kleinere wie größere Reisebüros litten in gleichem Ausmaß: „Wenn Fluggesellschaften oder Veranstalter Reisen absagen, sehen wir keinen einzigen Cent“, so Stang, der mit seinem Betrieb auf staatliche Hilfen angewiesen ist. Die Reserven seien inzwischen aufgebraucht.
Dass gerade im Sommer 2020 Urlaubsreisen in andere Länder wieder möglich waren, sei ein Lichtblick gewesen – wenn auch nur ein kleiner. „Das war eher ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Stefan Stang, der trotz der Flaute zum Teil mehr Arbeit auf dem Tisch habe als sonst. „Wenn eine Reise nicht stattfinden kann, muss ich mich um die Rückabwicklung kümmern oder bei Umbuchungen Alternativen suchen.“ Außerdem müsse er Aufgaben übernehmen – wie etwa die Rückholung von Urlaubern – die eigentlich in den Händen der Veranstalter liegen sollten, in vielen Fällen aber auf die Reisebüros abgewälzt werden.
Reisebüro-Inhaber beklagt "undifferenziertes Meinungsbild"
Für die hierzulande und im Ausland geltenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie habe Stang vollstes Verständnis. Die Äußerungen vieler Spitzenpolitiker könne er hingegen weniger nachvollziehen. „Uns wird keine Perspektive geboten. Es heißt nur immer, dass man bloß nicht reisen soll. Reisebüros werden so für die Ausbreitung der Pandemie mitverantwortlich gemacht.“ Solche Aussagen sorgten für ein zu undifferenziertes Meinungsbild in der Öffentlichkeit. Stefan Stang sei bereits von einem älteren Herrn verbal attackiert worden, als er vor seinem Reisebüro ein Angebotsschild aufstellte.
Die Nachfrage nach Urlaubsreisen werde durch „unnötiges Tourismus-Bashing“ niedrig gehalten. „Es gibt Studien, die belegen, dass der Pauschaltourismus kein Pandemietreiber ist“, so Stang. Im vergangenen Jahr wurden Türkei-Reisende vor der Rückreise im Hotel getestet – weniger als ein Prozent sei positiv ausgefallen, so Stang. „Es gab sicherlich Ballermänner und Skiurlauber, die zur Ausbreitung des Virus beigetragen haben. Von Reisenden, die sich an die Corona-Regeln halten, geht aber ein entsprechend geringes Risiko aus.“ Reisen nach Mallorca hält Stang im Moment für sicher: „Es ist nahezu unmöglich, ohne einen negativen Test in ein Flugzeug zu steigen“, sagt er.
Buchungen: Risiko für die Kunden ist gering
Auch Thomas Ernstberger aus Dießen war im vergangenen Monat auf Mallorca. Als er seinen Freunden von dem Plan erzählte, hätten die Reaktionen nicht unterschiedlicher sein können. „Ich hatte auf Mallorca keine Sekunde Angst vor einer Ansteckung, fühlte mich, da ich mich streng an alle Corona-Vorgaben gehalten habe, total sicher. Ich würde sofort wieder hinfliegen“, schrieb er nach seiner Rückkehr im Ammersee Kurier.
Michael Vivell betreibt ein Reisebüro mit 15 Mitarbeitern am Landsberger Hauptplatz. Der Wunsch der Menschen wegzufahren, werde auch in der Corona-Pandemie nicht kleiner, sagt er. „Es gibt aber viele Fragezeichen, die wir nun Stück für Stück zu lösen versuchen.“ Momentan erwirtschafte das Derpart-Reisebüro nur einen Bruchteil seines gewöhnlichen Umsatzes. „Es geht in der derzeitigen Situation nicht darum, was gebucht wird, sondern darum, was tatsächlich gereist werden kann“, erklärt Vivell. Gebuchte Reisen könnten aktuell kurz vor Antritt storniert werden – das Risiko für die Kunden sei damit gering. Außer Vivell und den Auszubildenden des Betriebs befänden sich alle Mitarbeiter in Kurzarbeit. Manche von ihnen seien seit einem Jahr nicht mehr im Büro gewesen.
Inseln könnten bald besonders begehrt sein
Mallorca-Trips werden bei Michael Vivell nur vereinzelt angefragt. Die Sehnsuchtsorte der Menschen seien aufgrund der momentanen Situation nähergerückt, wie er beobachtet hat. „Oft sind sie ein Berggipfel oder ein Ostseestrand.“ Reisewillige müssten in der kommenden Zeit wohl weiterhin viel Flexibilität mitbringen, vermutet Vivell.
Für sie hat er einen persönlichen Tipp parat: „Inseln tun sich generell leichter beim Kampf gegen das Coronavirus.“ Er kann sich vorstellen, dass in diesem Sommer beispielsweise einige griechische Inseln, Korsika (Frankreich) oder Sardinien (Italien) begehrt sein werden.
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