Vor fast einem Jahr wurde die neu errichtete Obdachlosenunterkunft an der Jahnstraße in Landsberg eröffnet. Jetzt wurde im Bildungs-, Sozial- und Kulturausschuss des Stadtrats eine Zwischenbilanz gezogen. Dabei wurde klar, dass auch die neue Obdachlosenunterkunft mit alten Problemen zu kämpfen hat. Anwohner sehen das ähnlich, heißt es von der Bürgerinitiative Leben & Wohnen am Altöttinger Weiher. Sie fordert von der Stadt noch einen größeren Einsatz, um abendliche Exzesse einzudämmen – nicht nur wegen der Nachbarn, sondern auch zum Schutze der Bewohner der Unterkunft.
Die Stadt hatte nicht nur neue Wohnräume hergestellt, sondern auch eine soziale Betreuung durch die Herzogsägmühle eingerichtet, daneben gibt es dort auch eine „Kümmerin“. 16 der 29 Plätze in der Unterkunft seien derzeit belegt, berichtete der Vertreter der Herzogsägmühle, Georg Fürtsch. Wer in der Jahnstraße lande, habe in der Regel folgende Probleme und Defizite: Wohn- und Mietunfähigkeit, Alkoholismus, Messiesyndrom, gesundheitliche Einschränkungen und psychische Erkrankungen.
Das sagt die Kümmerin
Oft fehle es auch an der Einsicht, dass eine Krankheit und Therapienotwendigkeit vorliege, bis hin zu einer kompletten Verweigerungshaltung, zählte Fürtsch auf. Nicht selten kämen bei den Bewohnern gleich mehrere solcher Faktoren zusammen: Ein schwieriges Feld für die Helfer, auf dem man aber durch permanente Kontaktpflege etwas zu erreichen versuche.
Hat sich denn überhaupt etwas verbessert? Das war die Frage, die Stefan Meiser (ÖDP) stellte. „Die deutlich bessere Wohnqualität hat zur Befriedung beigetragen“, antwortete Fürtsch. Den Bewohnern werde so vermittelt, dass das, was sie dort haben, einen Wert habe, und so würden auch Ressourcen frei, die Lebenssituation zu verbessern. Ein großes Problem sei aber der massive Alkoholkonsum: „Abends um zehn Uhr ist Halligalli“, sagte Fürtsch, verwies aber zudem darauf, dass die Schwierigkeiten auch dadurch entstehen, dass sich dort Personen aufhalten, die gar nicht in der Unterkunft wohnen.
Kommt jetzt ein Alkoholverbot?
Aus nächster Nähe kennen die Situation auch die Anwohner, die sich in der Bürgerinitiative Leben & Wohnen am Altöttinger Weiher zusammengeschlossen haben. Über die Nachbarn aus der Unterkunft sagt einer der Sprecher: Das seien Menschen, die tagsüber freundlich und nett seien, abends komme es aber nicht nur zu Ruhestörungen, sondern auch zu Schlägereien, und Kinder seien auch „verbalen Immissionen“ aus lautstarken Gesprächen der Bewohner untereinander mit Vulgärsprache ausgesetzt. Die „Kümmerin“ könne die Probleme nicht lösen und sei auch schon von Bewohnern bedroht worden.
Die Anwohner wünschten sich eine stärkere Präsenz der Stadt, gerade in den Abendstunden: „Für das Hausrecht ist die Stadt zuständig. Leute, die hier nicht wohnen, vom Grundstück zu verweisen, ist Sache der Stadt.“ Ab 22 Uhr solle niemand mehr dort sein, der nicht in der Unterkunft wohne. Außerdem fordert die Bürgerinitiative mindestens einmal im Monat eine Begehung der Einrichtung, nachdem sich auch schon Handwerker geweigert hätten, dort aufgrund der hygienischen Situation zu arbeiten.
Es tummeln sich dort Leute, die nicht dort wohnen
Auch ein Alkoholverbot hält der Anwohner für sinnvoll, um die Bewohner der Unterkunft davor zu schützen, dass sie in betrunkenem Zustand stürzen und verletzen. Außerdem dringt er darauf, die noch vorhandene und seit einem Jahr leer stehende Wohnbaracke abzubrechen und das Gelände zu renaturieren. Bleibe die Baracke stehen, könnte das eine Hintertür sein, bei Bedarf noch mehr Wohnungslose an der Jahnstraße unterzubringen. Und das wollten er und seine Nachbarn auf keinen Fall. Sollten weitere Obdachlose von der Stadt untergebracht werden müssen, müsse dies an einer anderen Stelle geschehen.
Muss die Polizei öfter anrücken als bisher?
Die Bürgerinitiative hatte sich vor Kurzem wieder an die Stadt gewandt. „Die Bürgerinitiative will Abhilfe“, berichtete Kämmerer Peter Jung im Bildungs-, Sozial- und Kulturausschuss, vor allem mit Blick auf die Situation ab zehn Uhr abends. Nun solle die Sicherheitswacht regelmäßig – einmal in der Woche – bei der Unterkunft vorbeischauen, um zu erreichen, dass die Hausordnung eingehalten wird, kündigte Jung an. Das erachteten Margarita Däubler (SPD) und Stefan Meiser als nicht ausreichend. Meiser bat deshalb um Vorschläge der Verwaltung an den Stadtrat. Die Kümmerin könne das Problem auch nicht lösen, meinte dazu Georg Fürtsch von der Herzogsägmühle, diese sei für sorgerechtliche Belange zuständig. Nach der Polizei rief Georg Krackhardt (UBV): „Ruhestörung ist eine Ordnungswidrigkeit.“
Ob die Polizei so viel ausrichten kann, bezweifelte indes Ordnungsamtschef Ernst Müller: „Es gibt zehn, zwölf oder 15 Brennpunkte in der Stadt, an denen im Sommer gegrillt und gefeiert wird, und die Polizei wird Ordnungswidrigkeiten nur nachrangig verfolgen.“ Auch die Sicherheitswacht könne nicht an allen diesen Brennpunkten präsent sein. Ähnlich beurteilt auch ein Vertreter der Bürgerinitiative die Wirksamkeit polizeilichen Vorgehens: Welche Sanktionen würden die Menschen in einer solchen Lebenssituation schon fürchten, fragt er sich.