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Landsberg: Hitlergruß in JVA Landsberg: Ex-Insasse sieht sich als Opfer

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Hitlergruß in JVA Landsberg: Ex-Insasse sieht sich als Opfer

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    Ein Häftling soll in der JVA Landsberg unter anderem den Hitlergruß gezeigt haben. Der Fall beschäftigt nun erneut das Augsburger Amtsgericht.
    Ein Häftling soll in der JVA Landsberg unter anderem den Hitlergruß gezeigt haben. Der Fall beschäftigt nun erneut das Augsburger Amtsgericht.

    Fast ein Jahr ist ins Land gezogen im Verfahren gegen einen heute 37-jährigen ehemaligen Häftling in Landsberg. Einfacher geworden ist die Wahrheitsfindung aber auch durch zwischenzeitliche Nachermittlungen offensichtlich nicht. Nach zehn Zeugenbefragungen und fast sechs Stunden Verhandlungsdauer wurde das neue Verfahren unterbrochen, weitere Zeugen sollen geladen werden. Dem gelernten Glasbauer wird vorgeworfen, in der JVA Landsberg den Hitlergruß gezeigt und Widerstand gegen dortige Vollstreckungsbeamte gezeigt zu haben. Deswegen hatte er bereits im August 2020 vor dem Augsburger Amtsgericht gestanden.

    Der 37-Jährige sieht sich indes am falschen Platz des Verhandlungssaales. Aus seiner Sicht gehören andere auf die Anklagebank. Er sei von Vollzugsbeamten misshandelt und verletzt worden, kontert er die Vorwürfe. Dass da etwas gewesen ist im Januar 2020 und zuvor im Oktober 2019, ist unstrittig. Dann aber gehen die Ansichten weit auseinander. Zur Sache mit dem Hitlergruß im vorvergangenen Januar: Den habe der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft auf dem Gang des Gefängnisses derart – nach oben ausgestreckte rechte Hand, die Linke an der Hosennaht, die Hacken zusammenschlagend – gezeigt, dass ihn mehrere Insassen und Bedienstete gesehen haben. Der 37-Jährige beharrt dagegen darauf, einem etwa 15 Meter entfernt stehenden Mithäftling ein schnelles „Servus“ zugerufen zu haben. Und er habe ihm – in der linken Hand eine Brotzeittüte haltend – mit der rechten Hand zugewunken, alle fünf Finger weit gespreizt.

    Schilderungen der Justizvollzugsbeamten und des Angeklagten gehen auseinander

    Der genannte 54-jährige Mithäftling will einen „Winnetou-Friedensgruß“ gezeigt haben: rechte Hand von der Brust zum Himmel, drei Finger abgespreizt. Einen Hitlergruß habe er seitens des Angeklagten nicht erkennen können.

    Ja, er habe gegen die beiden Beteiligten ein Disziplinarverfahren einleiten lassen, berichtete ein Beamter aus der JVA als Zeuge dem Gericht. Während er die Geste dem (freigesprochenen) Gegrüßten nicht sicher habe anlasten können, sei dies im Falle des 37-Jährigen derart eindeutig gewesen, dass der Mann mehrere Tage in der Arrestzelle verbringen musste. Der Betroffene sieht die Sache mit dem Hitlergruß als eine Art Revanche für den zeitlich ersten angeklagten Vorfall, seit dem ihn die JVA-Bediensteten „auf dem Kieker“ gehabt hätten.

    Schon im Oktober 2019 habe sich der Angeklagte gegen das Verschließen seiner Arrestzellentür gewehrt, indem er den Fuß nicht zurückzog, wird ihm vorgeworfen. Es kam zum Handgemenge des Angeklagten mit zwei Justizvollzugsbeamten. Die sagten aus, der aggressive 37-Jährige sei quasi in Selbstverteidigung von den beiden attackierten Beamten „kontrolliert zu Boden gebracht“ und festgehalten worden, bis er sich beruhigt habe. Dass man dabei fester angefasst werde, sei klar, „unmittelbarer Zwang“ gehöre mittlerweile fast schon zum Normalfall im Gefängnisalltag. Mehr sei aber nicht gewesen, Fälle von erheblichen Verletzungen bei Arrestanten in Landsberg durch Vollzugsbeamte habe es seit Jahren nicht gegeben.

    Ex-Häftling spricht von Faustschlägen gegen seinen Kopf

    Ganz anders der Angeklagte: Der sprach gegenüber Richterin Kerstin Wagner von brutalen Faustschlägen gegen seinen Kopf und den Oberkörper, von Kniestößen eines der Beamten gegen sein Gesicht, von Fußtritten gegen den Körper, als er bereits am Boden gelegen habe, bevor er bewusstlos geworden sei. Eine routinemäßig herbeigerufene Krankenschwester der JVA stellte bei dem Angeklagten eine Rötung am linken Ohr fest und eine Schürfwunde am Unterschenkel. Beides habe sie, so die Frau im Zeugenstand, mit einer Digitalkamera dokumentiert. Die ausgedruckten Bilder seien Bestandteil der dem Gericht vorliegenden Krankenakte. Auch beim Arzt des Gefängnisses war der Angeklagte einige Tage später vorstellig geworden. Der Mediziner bestätigte die beiden von der Krankenschwester dokumentierten Befunde und erinnerte sich mithilfe des Angeklagten an ein blaues Auge einige Tage später. Dass der 37-Jährige nicht in eine MRT-Röhre oder in den Röntgenapparat gekommen sei, sei damit begründet, dass sich der Angeklagte habe normal bewegen können und auch sonst nicht über unerklärliche Beschwerden geklagt habe.

    Als letzter Zeuge des Tages konnte auch der Arzt dem Angeklagten nicht weiterhelfen, was angebliche Videos von der mutmaßlichen Körperverletzung in der Arrestzelle anbelangt. Gleich zwei Kameras befinden sich in solch einer Arrestzelle, wurde im Laufe des Verfahrens bekannt. Die Kamera, die in Betrieb ist, übertrage „Livebilder“ auf Monitore an das Aufsichtspersonal. Gespeichert werde aus Datenschutzgründen nichts, hieß es von mehreren JVA-Mitarbeitern im Zeugenstand. Da will der Angeklagte, der einen Teil seiner Freiheitsstrafe wegen räuberischer Erpressung in Landsberg abzusitzen hatte, andere Erkenntnisse haben.

    Wurde ein Video gelöscht?

    Von Gesprächen mit Personen im Gefängnis wisse er, dass seine Misshandlung gefilmt und später wieder angeschaut worden sei. Und dann seien die Bilder – offensichtlich, um das Handeln der Beamten zu verschleiern – gelöscht oder verborgen worden. Einen ähnlichen Verdacht äußerte der Angeklagte auch zum Verbleib von Fotos aus der Krankenakte, die weitere seiner Verletzungen zeigen würden. Verletzungen übrigens, an die sich der Vater des Angeklagten im Zeugenstand noch genau erinnern konnte, als er ihn wenige Tage später besucht hatte.

    Der 37-Jährige ließ durchblicken, bis zum nächsten Verhandlungstermin über seinen Verteidiger Timo Westermann einen Beweisantrag über die Einführung der nur angeblich gelöschten Filme und Fotos in das Verfahren zu beantragen.

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