An diese Gerichtsverhandlung werden sich alle Beteiligten wohl noch länger erinnern: Ein Insasse der JVA Landsberg musste sich vor dem Augsburger Amtsgericht verantworten, unter anderem weil er Vollzugsbeamte angegriffen hatte. Einen Großteil der Verhandlung erlebte der Mann wegen seines Verhaltens aber nicht auf der Anklagebank, sondern in der Arrestzelle des Augsburger Justizzentrums.
Man könnte es wohl als Vorzeichen, für das, was folgte, deuten, dass sich gleich vier Justizbeamte vor Prozessbeginn in unmittelbarer Nähe des Angeklagten im Gerichtssaal positionierten. Der 29-Jährige begann nämlich sofort mit einem verbalen Trommelfeuer. Vor allem den Satz „Ich will zurück in mein Heimatland“, wiederholte der Nigerianer immer wieder. Weder Richterin Sandra Mayer noch dem Pflichtverteidiger gelang es, zu ihm durchzudringen. Auch die Dolmetscherin unterbrach er immer wieder jäh. Die vom Staatsanwalt verlesene Anklageschrift war wegen der Lautstärke des Angeklagten nur bruchstückhaft zu verstehen.
Der Angeklagte wird gleich in die Arrestzelle gebracht
Nach der Verlesung der Anklage hatte Richterin Sandra Mayer dann genug. Sie ordnete an, dass der Mann wieder in die Zelle im Keller des Justizzentrums gebracht werden soll und verhängte ein Ordnungsgeld von 500 Euro beziehungsweise drei Tage Ordnungshaft. Ungewöhnlich auch, dass der Verteidiger nicht auf die Anklageschrift einging. „Mangels Kontakt“ verzichtete er auf eine Einlassung. Sein Mandat habe kein Interesse an einem Gespräch gehabt, sagte er.
Danach ging die Verhandlung deutlich ruhiger und mit vielen Zeugen weiter. Insgesamt neun Mitarbeiter der JVA Landsberg sowie ein Polizist der Inspektion Landsberg waren geladen worden, um in dem Fall als Zeugen auszusagen. Die erste angezeigte Tat ereignete sich am Montag, 2. März 2020. Damals sollte der Inhaftierte in einen Haftraum mit Videokamera verlegt werden. Was dann passierte, schildert ein Beamter so: „Wir haben erst den anderen Zelleninsassen herausgebeten und ihn dann aufgefordert, sich aufs Bett zu setzen. Er hatte erst meine Hand weggeschlagen und beim anschließenden Zugriff massiv Gegenwehr geleistet. Ich habe fünf Platzwunden am Kopf davongetragen.“ Ein weiterer Kollege erlitt Kratzwunden.
Was in der Landsberger Justizvollzugsanstalt passiert ist
Über die Hintergründe informierte der Mitarbeiter der JVA, der für Disziplinarmaßnahmen zuständig ist. „Er hat am Samstag und am Sonntag geäußert, dass er einen Gesprächstermin bei mir möchte. Am Montag gab es dann die Probleme, weil es noch kein Gespräch gab. Meine Sprechstunde ist immer dienstags.“ Den 29-Jährigen beschreibt er als eine Person, die „schubweise“ auffällig werde. Es gebe Phasen, in denen er sich normal verhalte und jene, in denen es Probleme gebe. So habe er allein im Frühjahr 2020 insgesamt 44 Tage Arrest wegen der Vorfälle, die nun verhandelt wurden, bekommen. Andererseits habe es heuer zuletzt am 11. Januar Probleme gegeben.
Die Aussage und die vorherigen Erlebnisse veranlassten den Pflichtverteidiger, nachzuhaken, ob sein Mandant eventuell an einer Neurose oder Psychose leide. Der JVA-Beamte verwies darauf, dass bei der Zugangsuntersuchung neben einem Allgemeinmediziner auch ein Psychologe vor Ort sei. Er kenne die Krankenakte des Angeklagten, der eine Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten wegen Vergewaltigung verbüßt, nicht, gab der Beamte an. Er äußerte aber, wie auch seine Kollegen, dass er nicht den Eindruck habe, dass der Nigerianer krank sei. Alle sprachen aber davon, dass es zu Problemen komme, wenn er seinen Willen nicht durchsetzen könne. Mehrere Beamte bewerteten das Verhalten als „vorsätzlich“.
Der Mann sitzt unter anderem wegen Vergewaltigung
Der zweite Anklagepunkt bezog sich auf eine Tat am 30. März, als der Angeklagte in einer Arrestzelle wütete. So schlug er mit dem Schuh die Deckenbeleuchtung kaputt und beschädigte eine Videokamera. Zudem versuchte er, die Notrufanlage mittels Wasser zu zerstören. Die Beamten drehten daraufhin die Wasserzufuhr ab.
Im dritten Fall waren am 30. April 2020 fünf Beamte nötig, um den Mann zu Boden zu bringen. Der JVA-Insasse verweigerte eine Durchsuchung und musste aus seiner Kleidung geschnitten werden. Bei Durchsuchungen müssen Häftlinge alles außer der Unterwäsche ablegen.
Der Verteidiger des Mannes wirkt ratlos
Der Staatsanwalt forderte eine Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten für die Vorfälle in der JVA Landsberg. Der Verteidiger räumte ein, dass er sich „schwertut“ mit dem Strafmaß. Er stellte keine konkrete Forderung, sondern plädierte lediglich für eine geringe Strafe. Zur Urteilsverkündung wurde der 29-Jährige noch einmal in den Gerichtssaal geholt. Wegen seiner erneut lautstarken Proteste bekam er aber nicht mit, dass die Richterin der Forderung des Staatsanwalts folgte.
Damit war zwar der Prozess zu Ende, doch der Verteidiger hatte ein Problem: Der Nigerianer beantwortete ihm nämlich die Frage nicht, ob er Berufung einlegen und in die nächste Instanz gehen soll. „Ich bin sein Pflichtverteidiger, das ist dann wohl meine Pflicht, es zu tun“, sagte der Anwalt und wirkte dabei recht ratlos.
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