Der Prozess gegen Manfred Schilcher, den früheren Kämmerer der Stadt Landsberg, geht in die nächste Runde. Der 70-Jährige hat beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe erfolgreich Revision gegen das Urteil der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Augsburg eingelegt. Dort war Schilcher Anfang Februar vergangenen Jahres wegen Untreue in zwei Fällen zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Das LT erklärt, was bisher geschah und wie es jetzt weitergeht.
Kritik gibt es an einem Gutachter
In einer Presseerklärung teilte Schilchers Verteidiger Joachim Feller am Montag mit, dass das Urteil aufgehoben ist. „Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung nunmehr an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen“, schreibt der Landsberger Rechtsanwalt. Der BGH habe ausgeführt, dass der Schuldspruch wegen Untreue zum Nachteil der Stadt in zwei Fällen einer sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht standhält. Nach Informationen unserer Zeitung störte sich der BGH vor allem an den Ausführungen eines Gutachters, der den Schaden durch zwei Geschäfte mit Derivaten berechnet hatte. Die Wirtschaftsstrafkammer habe diese Berechnungen nicht kritisch genug geprüft. Joachim Feller geht von einer erneuten Hauptverhandlung vor dem Landgericht Augsburg Mitte 2020 aus.
Der Richter sah in Schilcher den Hauptschuldigen
Laut Urteilsbegründung des Vorsitzenden Richters Wolfgang Natale habe sich Schilcher in zwei Fällen der Untreue schuldig gemacht, als er in seiner Funktion als Kämmerer riskante Derivatgeschäfte abschloss, die nicht mehr mit kommunalem Recht in Einklang standen. Aus Sicht der Verteidigung, die auf Freispruch plädiert hatte, sei das Urteil in beiden Fällen zu Unrecht ergangen. „Der Kämmerer wurde von den Beratern der Bank fehlerhaft beraten und teilweise getäuscht“, sagt Joachim Feller. Das Landgericht, so Feller weiter, habe zu Unrecht angenommen, dass der Kämmerer einen Vermögensnachteil für die Stadt erkannt habe und darüber hinaus „billigend in Kauf genommen hat“. Wolfgang Natale war jedoch davon überzeugt, dass die Initiative, Zinstauschgeschäfte abzuschließen, maßgeblich von Manfred Schilcher ausgegangen sei.
Das Disziplinarverfahren gegen den Ex-Kämmerer ruht
Manfred Schilcher wurde Anfang Februar 2018 nicht nur zu einer Strafe auf Bewährung verurteilt, er muss auch 5000 Euro an eine wohltätige Einrichtung zahlen und die Kosten des Verfahrens übernehmen. Hinzu kommen seine Anwaltskosten. Dabei muss der frühere Kämmerer bereits mit der Kürzung seines Ruhegehalts leben. Denn im Oktober 2013 kürzte die damalige Landesanwältin Simone Widmann Schilchers Ruhegehalt um 30 Prozent, unter anderem weil die Landesanwaltschaft während der Ermittlungen zu den Derivatgeschäften auch auf Versäumnisse bei der Umsetzung der Ausbaubeitragssatzung für Straßen gestoßen war.
Die Landesanwaltschaft wartete bislang ab, ob die strafrechtliche Verurteilung durch das Landgericht Augsburg rechtskräftig ist. Das Disziplinarverfahren blieb daher ausgesetzt. „Sollte das Strafurteil rechtskräftig werden, würde das Beamtenverhältnis kraft Gesetzes enden und das Disziplinarverfahren wäre entsprechend einzustellen“, hatte Oberlandesanwalt Robert Kirchmaier im Februar vergangenen Jahres dem LT mitgeteilt.
Was der Oberbürgermeister sagt
Die Stadt Landsberg fordert vom früheren Kämmerer Manfred Schilcher Schadensersatz für die bei den Zinsgeschäften entstandenen Verluste. Dabei steht eine Forderung von mehr als zwei Millionen Euro im Raum. Mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht will die Stadt ihren Anspruch durchsetzen. Zu einem baldigen Prozess und einem Urteil über diese Klage wird es allerdings nicht kommen. Denn gleichzeitig mit Einreichung der Klage hat die Stadt dem Gericht vorgeschlagen, das angestrengte Verfahren ruhen zu lassen. Dem hat auch Schilcher zugestimmt. Auf die Kehrtwende im Fall Schilcher angesprochen, wollte Oberbürgermeister Mathias Neuner am Mittwoch keine Aussage treffen. „Wir wissen offiziell noch nichts“, sagte er auf Nachfrage unserer Zeitung.
Die juristische Aufarbeitung der Landsberger Derivat-Affäre beschäftigte mehrere Gerichte. Der Bundesgerichtshof war mit den Zinswetten auch noch in einem anderen Verfahren involviert. Dort hatte die Stadt Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichts im Rechtsstreit mit der Beraterbank erhoben. Diese wurde jedoch zurückgewiesen. Weitere Verfahren in diesem Zusammenhang sind vor dem Landgericht München I anhängig. Damit will die Bank unter anderem erreichen, dass die Stadt ihre seit dem Jahr 2012 eingestellten Zahlungen wieder leistet. Dabei geht es aktuell um mehr als vier Millionen Euro.
Lesen Sie den Kommentar zum Thema: Fragwürdige Entscheidungen