Es gibt ein Problem? Während manche lamentieren und vertagen, packen andere kurzerhand an. Leute, die gesellschaftlich etwas bewegen, ohne dass die Öffentlichkeit viel davon wahrnimmt, könnte man unter dem englischen Begriff „hidden movers“ zusammenfassen. Und genau so einen „Hidden Movers Award“ haben kürzlich die Beruflichen Schulen Landsberg (BSL) gewonnen. Sie installierten „Tandem-Lerngruppen“ in ihren Klassen, und das funktioniert wie folgt:
Awet Tekhlay, 24, und Anbes Equbay, 21, beide aus Eritrea, sind im zweiten Lehrjahr der Ausbildung zum Kfz-Mechaniker. Mit Joschka Beroll, 20, und Christoph Engl, 23, wiederholen sie nach Schulschluss den erlernten Stoff oder bereiten sich auf die anstehenden Prüfungen vor. Für Awet und Anbes eine gute Möglichkeit, die Inhalte der Ausbildung in Ruhe noch einmal zu wiederholen, müssen sie sich doch während des Unterrichts immens konzentrieren und zur sowieso schon schwierigen deutschen Sprache noch jede Menge Fachbegriffe verstehen.
Gemeinsam lernt es sich leichter
Für Joschka und Christoph eine gute Gelegenheit, das Erlernte zu vertiefen, nach dem Motto: Wenn ich jemandem etwas erklären kann, habe ich es wirklich durchdrungen. Eine „Win-Win-Situation“, fassen es die Jugendlichen zusammen.
Rund ein Dutzend Tandems gibt es pro Schuljahr, erläutert der stellvertretende Schulleiter und Initiator des Projekts, Thomas Schlütsmeier. Als die Kauferinger Organisation Landsaid vor ein paar Jahren anfragte, ob man nicht bei Integrationsprojekten kooperieren wolle, erarbeitete Schlütsmeier mit den Kollegen der Berufsschule sowie den Sozialpädagogen Martin Schmidt-Gross und Christiane Oswald einen Plan für die Tandem-Idee.
Eher nebenbei, und ohne große Hoffnung, bewarb man sich auch bei der Deloitte-Stiftung für den „Hidden Movers Award“. Die Stiftung des internationalen Beratungsunternehmens fördert jährlich wenig bekannte innovative Bildungsinitiativen mit Fokus auf der Stärkung junger Menschen in Deutschland. „Weil alle gewinnen, wenn Bildung gewinnt“, fasste es Wolfgang Grewe, Vorstandsvorsitzender der Deloitte-Stiftung, bei der Preisverleihung zusammen.
Der Preis ist mit 12.500 Euro dotiert
Denn zur großen eigenen Überraschung gewannen die Landsberger den Preis – und wurden zur Verleihung in das Lenbach-Palais nach München eingeladen. „Sehr nobel und pompös war das, eine Riesenshow mit allerlei Politprominenz“, erinnert sich Klassenleiter Christian Ullrich. Zwei Kamerateams waren ebenfalls vor Ort. Auch über das Tandem-Projekt der BSL wurde ein Film gedreht (auf Youtube zu sehen). Als Protagonisten mit dabei: Haji Maruf aus Nigeria, Mengesteab Kibrom sowie Teame Tesfaiwet aus Eritrea, alle 24 Jahre alt. Sie haben das Tandem-Programm schon durchlaufen. Alle drei haben einen Ausbildungsplatz bei den Autohäusern Nadler (Eresing), Seibold und Reisacher (beide Landsberg) und sind in ihren jeweiligen Betrieben, so Schlütsmeier, sehr gut integriert: „Das sind tolle, sozial sehr engagierte Arbeitgeber.“
Fachlich haben die drei „alles drauf“, bestätigt Christian Ullrich (Lehrer in der Kfz-Abteilung), und in ihren Betrieben und bei den Kunden seien sie sehr beliebt. Doch die offizielle Abschlussprüfung zu bestehen, sei eine andere Sache, gerade in sprachlich komplexen Fächern wie Sozialkunde. „Wenn ich manchmal die Fragen sehe, die in der Prüfung gestellt werden, also ganz ehrlich, da tun sich auch viele Deutsche schwer“, sagt Ullrich.
Schlütsmeier ist voll des Lobes für seine Schüler. Als 2015 verstärkt junge Flüchtlinge in den Landkreis und so auch in die BSL strömten, haben sich die deutschsprachigen Schüler in den Integrationsklassen um die Flüchtlinge gekümmert, seien Schlittschuh laufen, klettern oder picknicken gegangen. „Ganz ehrlich, ohne unsere Schüler hätten wir das damals nicht geschafft.“ Das Tandem-Programm ist eine konsequente Weiterentwicklung des Integrationsgedankens. Die 12.500 Euro Preisgeld sowie die Strategieberatung durch Deloitte-Mitarbeiter werden für den weiteren Ausbau des Projekts verwendet.