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Foto: dpa
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Palliativpatientinnen und -patienten leiden in der Regel an einer lange bestehenden, nicht heilbaren Krankheit. Die Einschränkungen in der Corona-Pandemie haben dazu geführt, dass deren Betreuung und Versorgung erheblich erschwert wurde.

Landkreis Landsberg
29.10.2021

Wie Corona die Palliativarbeit im Kreis Landsberg erschwert

Von Dominik Stenzel

Josef Binswanger ist Palliativarzt am Landsberger Klinikum. Der Tod gehört zu seinem beruflichen Alltag. Die Pandemie stellt ihn vor Herausforderungen.

Allerheiligen ist ein Tag des Innehaltens und des Gedenkens an die Toten. Einer, der in seinem Berufsalltag mit sterbenden Menschen zu tun hat, ist der Palliativmediziner Josef Binswanger. Er ist nicht nur im Landsberger Klinikum beschäftigt, sondern auch beim hiesigen ambulanten Palliativteam. Im LT spricht Binswanger über seine Arbeit und die beiden kräftezehrenden Corona-Jahre. Wie sich das Abschiednehmen durch die Pandemie verändert hat und welche Lehren man aus den vergangenen Monaten ziehen kann.

Josef Binswanger (52) ist Facharzt für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung Palliativmedizin und hat zwei Arbeitgeber: Das Landsberger Klinikum und die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) Landsberg, die aus zwei festen Ärzten und fünf Pflegekräften besteht. Als Palliativmediziner kümmere er sich um Patientinnen und Patienten, die eine lange bestehende, nicht heilbare Krankheit mit hoher Symptomlast haben. Die Sterbenden – in der Regel ältere Personen – litten laut Josef Binswanger beispielsweise an Erkrankungen des Herzens, der Lunge oder der Leber und damit einhergehend unter Schmerzen, Atemnot oder auch Unruhe. „Wir haben außerdem viele Tumorpatienten und da sind dann natürlich auch Jüngere dabei.“ Im Landsberger Klinikum, wo es noch keine eigene Palliativstation gibt, gibt es laut Josef Binswanger ständig mehrere Patienten gleichzeitig, die palliativmedizinisch versorgt werden müssten.

Binswanger: Der Umgang mit Sterbenden muss erlernt werden

Der Umgang mit Sterbenden könne mit der Zeit erlernt werden. Ganz wichtig sei allerdings, sich immer ganz neu auf die Patientinnen und Patienten einzulassen, denn jede Begleitung sei anders, sagt Josef Binswanger. Ein Patentrezept gebe es daher nicht: „Es kommt auch vor, dass alte Menschen mehr am Leben hängen als jüngere.“ Inwieweit einen die Fälle selbst belasten, hänge von verschiedenen Faktoren ab – zum Beispiel von den eigenen, persönlich durchlebten Erfahrungen. „Es ist immer wichtig, zu reflektieren und die Emotionen wahrzunehmen und zuzulassen, anstatt sie beiseite zu wischen“, sagt Josef Binswanger.

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Foto: Christian Rudnik
Foto: Christian Rudnik

Josef Binswanger.

Außerdem sei es auch wichtig, das Erlebte im Team zu besprechen und gemeinsam zu verarbeiten, damit die Bürde nicht irgendwann zu groß wird. Palliativarbeit sei immer eine interdisziplinäre Tätigkeit, an der mehrere Ärzte aus verschiedenen Bereichen und Pflegekräfte beteiligt sind.

Im Landkreis Landsberg haben Stand Freitag 81 Menschen im Zusammenhang mit dem Coronavirus ihr Leben verloren. Die Erkrankung sei in der Regel von vergleichsweise kurzer Dauer. Covid-19-Patientinnen und -Patienten gelten deswegen nicht als typische Palliativfälle, sagt Josef Binswanger. „Die Symptomkontrolle ist aber natürlich sehr wichtig, damit ein kontrolliertes Sterben ermöglicht wird“, sagt der Mediziner.

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Während der Pandemie gab es viele Unsicherheiten

Generell wirke sich die Pandemie jedoch in gravierender Weise auf die palliativmedizinische Arbeit aus. Gerade in jenen Monaten, als es noch keinen Impfschutz gegen das Coronavirus gab, habe es viele Unsicherheiten gegeben. „Es war schon eine beängstigende Zeit und generell gab es auch immer die Sorge, irgendetwas falsch zu machen.“ Es sei schließlich auch immer noch zusätzlich um den Schutz der eigenen Kolleginnen und Kollegen gegangen, so Binswanger.

Gerade die Abschottung der Alten- und Pflegeheime habe bei vielen sterbenden Bewohnerinnen und Bewohnern sowie bei deren Familien für Leid gesorgt. Die Frage, wie man Menschen in der Pandemie palliativmedizinisch richtig versorgen kann, habe Josef Binswanger intensiv beschäftigt. Problematisch sei etwa gewesen, dass er und das Team der ambulanten Palliativversorgung bei Hausbesuchen quasi nur komplett vermummt – mit Kittel und mit Mund-Nasen-Schutz – erscheinen durften. „Es ist schon sehr wichtig für unsere Arbeit, dass uns die Menschen sehen und uns ins Gesicht blicken können.“ Generell gebe es mittlerweile glücklicherweise bessere Konzepte im Umgang mit der Corona-Situation, sagt Josef Binswanger und verweist auf die 3G-Regelung, nach der man entweder eine Impfung, eine Genesung oder einen Test nachweisen muss.

Nicht selten kommt es bei den letzten Gesprächen zu Versöhnungen

Wenn Menschen wieder gesund werden, seien die strikten Restriktionen im Endeffekt auch erträglich und nicht allzu tragisch. „Wenn aber jemand im Sterben liegt, bekommt das Ganze eine gänzlich andere Dimension.“ Auch für die Angehörigen, die in der Corona-Krise oft nicht dort sein durften, wo sie eigentlich sein sollten und wollten – nämlich bei den ihnen nahestehenden Mitmenschen, um diese auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Gespräche seien in diesen Momenten des Lebens unheimlich wichtig, sagt Josef Binswanger. „Es geht darum, noch Dinge zu klären und nicht selten kommt es dann auch noch zu Versöhnungen.“

In gewisser Weise habe die Corona-Pandemie auch bei ihm ein Stück weit „die Unbeschwertheit weggenommen“ und das Bewusstsein für die Endgültigkeit noch mehr geschärft, berichtet der Palliativmediziner. „Man geht mit noch mehr Ernsthaftigkeit an jede einzelne Begleitung ran.“ Lehren, die generell auf den Alltag – und den Umgang mit den Mitmenschen – zu übertragen seien.

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