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Landkreis Landsberg: Olympia-Drama: Reiterinnen aus dem Kreis Landsberg üben Kritik

Landkreis Landsberg

Olympia-Drama: Reiterinnen aus dem Kreis Landsberg üben Kritik

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    Reiterinnen wie Maike Tabertshofer kritisieren den Auftritt der deutschen Fünfkämpferin Annika Schleu bei den Olympischen Spielen in Tokio.
    Reiterinnen wie Maike Tabertshofer kritisieren den Auftritt der deutschen Fünfkämpferin Annika Schleu bei den Olympischen Spielen in Tokio. Foto: Christian Rudnik

    Am Sonntag sind die Olympischen Spiele in Tokio zu Ende gegangen. Ebenso wie über die insgesamt magere Medaillenausbeute der deutschen Athletinnen und Athleten wird allerdings weiter über einen Vorfall beim Modernen Fünfkampf der Frauen diskutiert: Annika Schleu lag auf Medaillenkurs, als in der Teildisziplin Springreiten, das ihr zugeloste Pferd einige Sprünge verweigerte. Die 31-Jährige schlug das Tier mehrfach mit der Gerte – und auch die Bundestrainerin Kim Raisner versetzte ihm Hiebe. In den Sozialen Medien wurde sofort harsche Kritik an den beiden laut. Viele Nutzerinnen und Nutzer sprechen sogar von Tierquälerei. Wie beurteilen Reiterinnen und Reitlehrerinnen im Landkreis Landsberg den Zwischenfall? Das LT hat sich umgehört.

    Nach dem Reitdrama am Freitag waren Annika Schleus Medaillenhoffnungen im Modernen Fünfkampf dahin. Die Sportlerin aus Berlin – bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro undankbare Vierte – blieb in der Disziplin Springreiten ohne Punkte und landete am Ende auf dem 31. Gesamtrang. Nach den Tierquälerei-Vorwürfen im Internet schaltete sie ihren Instagram-Account ab. Bundestrainerin Kim Raisner wurde sogar vorzeitig von Olympia in Tokio ausgeschlossen. „Hau mal richtig drauf! Hau drauf!“, hatte sie Schleu während des Wettkampfs zugerufen und das Pferd selbst mit der Faust geschlagen.

    Annika Schleu und Fünfkampf-Bundestrainerin Kim Raisner stehen nach den Olympischen Spielen in Tokio in der Kritik.
    Annika Schleu und Fünfkampf-Bundestrainerin Kim Raisner stehen nach den Olympischen Spielen in Tokio in der Kritik. Foto: ARD-Sportschau/dpa

    Reiterin Alexandra Meier kritisiert kurze Vorbereitungszeit

    Alexandra Maier ist auf der Reitsportanlage in Epfach, die ihre Familie betreibt, beschäftigt und unter anderem für das Management und die Pflege zuständig. Im Dressurreiten nimmt sie erfolgreich an Turnieren teil – bei internationalen Wettkämpfen ist der Einsatz von Gerten gar nicht erlaubt. Sie selbst habe noch keine derartigen Probleme mit ihren Pferden gehabt, zu denen sie auch eine andere Beziehung habe. „Bei uns läuft sehr viel über das Vertrauen und die Partnerschaft.“

    Im Fünfkampf sei eine solche Basis jedoch nicht möglich. Die Pferde werden vom Veranstalter gestellt und den Athleten 20 Minuten vor dem Wettkampf zugelost. Genau darin liegt in Alexandra Maiers Augen auch das große Problem: „Für mich gehört das Reiten einfach nicht in den Modernen Fünfkampf rein.“ Bei allen anderen Disziplinen seien die Athletinnen und Athleten auf sich alleine gestellt, dann aber plötzlich auf ein anderes Lebewesen angewiesen. „Pferde sind kein Sportgerät“, macht Maier deutlich. In Situationen wie am Freitag helfe es nicht weiter, Druck auf die Tiere auszuüben. Die Szenen gingen zumindest in Richtung Tierquälerei. Alexandra Maier kritisiert auch das Verhalten der Bundestrainerin, die für ihre Sportlerinnen verantwortlich sei. Dass ausgerechnet bei Olympia das Pferd verweigere, sei zwar extrem bitter, allerdings könne das im Grunde bei jedem Wettkampf passieren. Das gelte es nun einmal zu akzeptieren.

    Die Szenen "bringen den gesamten Reitsport in Verruf"

    Stefanie Arnhard aus Landsberg ist öffentlich-bestellte und vereidigte Sachverständige für Reitanlagen und Stallbau in der Pferdehaltung. Nebenher ist sie als selbstständige Reitlehrerin tätig. Die Szenen beim Springreiten am vergangenen Freitag seien natürlich nicht schön gewesen. Besonders ärgerlich in den Augen der 38-Jährigen: „Sie bringen den gesamten Reitsport in Verruf.“

    Alexandra Maier nimmt erfolgreich an Dressur-Wettbewerben teil.
    Alexandra Maier nimmt erfolgreich an Dressur-Wettbewerben teil. Foto: Selina Lautenbacher

    Auch Arnhard bemängelt, dass die Pferde den Sportlerinnen und Sportlern erst kurz vor Beginn des Wettkampfs zugeteilt werden. Ihr Vorschlag: In Zukunft könnte jede teilnehmende Nation ihre eigenen Tiere mitbringen. „Es sind Lebewesen, auf die eingegangen werden muss“, sagt sie. „Die Athleten haben ja auch alle ihre eigenen Ärzte und Mentaltrainer.“

    Das Pferd war überfordert

    Am Freitag sei deutlich eine Überforderung des Pferds zu erkennen gewesen. „Es war weg von der Gruppe und hatte offenbar Angst“, sagt Arnhard. Im schlimmsten Fall hätte das Tier sogar noch mehr in Panik verfallen und damit auch die Reiterin gefährden können. Es färbe immer auch ab, wie sich die Person auf dem Rücken verhalte – deswegen helfe nur, die Ruhe zu bewahren. „Ein Tier zu schlagen, ist nie in Ordnung“, sagt sie. Auch weil Annika Schleu selbst enorm unter Druck gestanden habe, nimmt Arnhard die Bundestrainerin in die Pflicht. „Das sind alles Profis. Solche Szenen dürfen nicht entstehen.“

    Maike Tabertshofer aus Denklingen arbeitet als mobile Bereiterin und Reitlehrerin. In der Disziplin Working Equitation, die auf traditionellen Reitweisen beruht, nimmt sie an Turnieren teil. Auch sie ist der Meinung, dass das Springreiten als Disziplin aus dem Modernen Fünfkampf herausgenommen werden sollte. „20 Minuten Vorbereitungszeit sind einfach viel zu wenig.“ In den herkömmlichen Reitdisziplinen pflegten die Sportlerinnen und Sportler hingegen eine besondere Beziehung zu ihren Tieren und bereiteten sich jahrelang mit ihnen auf die Wettkämpfe vor.

    Es sei klar ersichtlich gewesen, dass das Annika Schleu zugeloste Pferd „Saint Boy“ völlig überfordert gewesen sei. In einer solchen Situation helfe eigentlich nur noch eins: „Sie hätte absteigen und es gutsein lassen sollen“, sagt Maike Tabertshofer. So bitter das nach jahrelanger Vorbereitung und auf Goldkurs auch sei.

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