Sie behaupten, die Bundesrepublik sei illegal und existiere nicht und fordern dazu auf, keine Steuern, Abgaben oder Bußgelder zu bezahlen. Sie nennen sich „Reichsbürger“ und wollen die Reorganisation des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1871. Spätestens seit dem spektakulären Gerichtsfall um eine Anhängerin in Kaufbeuren Mitte März ist die Bewegung auch in der Region in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Eine ihr zuzurechnende Gruppierung trifft sich regelmäßig in Landsberg.
Wie das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mitteilt, hat die rechtsextremistische Gruppierung „Exilregierung Deutsches Reich“ heuer und im vergangenen Jahr fünf Veranstaltungen in Landsberg durchgeführt. Zuletzt Anfang März in einer Gaststätte in der Stadt. Die Einladung zu diesem „Bürgertreffen“ findet sich auf der Internetseite der Gruppierung. In einer Art Grundkurs sollte an diesem Abend über den „Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland“ informiert werden. Wer daran teilnehmen wollte, musste sich registrieren. Erst danach wurde der konkrete Veranstaltungsort genannt. Auf der Internetseite findet sich auch ein Kontaktname. Der Mann ist bei Polizei und Verfassungsschutz bekannt.
Gute Kontakte zur NPD
Markus Schäfert ist der Pressesprecher des Landesamts für Verfassungsschutz. Er sagt, dass diese Person der Gruppierung zuzurechnen ist. Zu den Veranstaltungen in Landsberg seien jeweils zwischen 20 und 30 Personen gekommen. Dass solche Treffen in Bayern stattfinden, sei eine relativ neue Entwicklung und lasse darauf schließen, dass die Gruppierung ihre Mitgliederbasis verbreitern möchte. Der Verfassungsschutz sieht das mit Sorge. Denn die „Exilregierung“ unterhalte vor allem in Brandenburg Verbindungen zur rechtsextremistischen Szene. Dort verfüge sie über gute Kontakte zur NPD. „Durch derartige Treffen besteht die Gefahr, dass sich Teilnehmer von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entfernen“, sagt Pressesprecher Markus Schäfert. Sie könnten dazu ermuntert werden, sich gegen Vertreter des Staates zu widersetzen und sich mittel- oder langfristig der rechtsextremistischen Szene anschließen.
Wie Widerstand gegen Staatsbeamte im Extremfall aussehen kann, zeigte sich Mitte März am Amtsgericht in Kaufbeuren. Eine 49-Jährige, die wegen Fahrens ohne Führerschein vor Gericht stand, hatte zur Verhandlung 20 Bekannte mitgebracht, ihre Gerichtsakte vom Tisch der Richterin gestohlen und die Verhandlung vor dem Urteilsspruch verlassen. In Abwesenheit wurde die Frau, die sich zu den „Reichsbürgern“ bekennt, zu acht Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.
Der Fall aus Kaufbeuren hatte auch Auswirkungen in Landsberg. Dort wurde kurze Zeit später ein ähnlicher Fall am Amtsgericht verhandelt, wie Peter Weigl von der Landsberger Polizei sagt. Er beschäftigt sich als Sachbearbeiter mit den Gruppierungen und ihren Anhängern. Bei dem Prozess in Landsberg seien die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt worden. Die Verhandlung sei ruhig verlaufen. Dass sich die „Exilregierung“ regelmäßig in Landsberg trifft, habe er dem Verfassungsschutz gemeldet.
Mit Sympathisanten der Reichsbürgerbewegung haben Peter Weigl und seine Kollgen immer wieder zu tun. Etwa mit einem Mann, der das Deutschland-Emblem auf seinem Nummernschild mit einem Aufkleber verdeckt hatte, auf dem die Reichskriegsflagge zu sehen ist. Auch deswegen habe es eine Verhandlung am Amtsgericht gegeben. In der Regel seien Anhänger der Bewegung nicht gewaltbereit oder rechtsextrem eingestellt. Laut Innenministerium sind die meisten eher Verschwörungstheoretiker, Querulanten oder wollen aus purem Eigennutz keine Steuern zahlen.
Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland
Der Verfassungsschutz beobachtet die Bewegung zwar nicht, hat sie aber dennoch im Blick. Wie Markus Schäfert sagt, werden ihr uneinheitliche Gruppen und Einzelakteure zugeordnet, die sich als „Reichsbürger“ bezeichnen. Aktuell versuche die „Exilregierung“ Ängste vor Überfremdung zu stärken. In Hinblick auf die Flüchtlingswelle sei davon die Rede, dass der „Holocaust gegen die deutschen Völker“ eine neue Qualität erreicht habe.
Alle Gruppierungen eint die Behauptung, das Deutsche Reich bestehe fort, sowie die Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland, die oft auch als Firma bezeichnet wird. Über das Internet werden daher kostenpflichtige „Reichsausweise“ vertrieben. Für diese ungültigen und daher wertlosen Papiere werden bis zu 100 Euro bezahlt. Die Ausweise werden mitunter auch bei Verkehrskontrollen hergezeigt. Behörden müssen sich damit auseinandersetzen, dass die Anhänger der Bewegung Vorladungen und Ähnlichem widersprechen. Die Schreiben kommen dann häufig mit dem Stempel „ungültig“ zurück.