Wird der Fall Ursula Herrmann von der Staatsanwaltschaft Augsburg neu aufgerollt? Der Bruder der 1981 entführten und gestorbenen Schülerin aus Eching lässt nicht locker. Jetzt unternimmt der 55-Jährige einen erneuten Versuch, die Entführung und den Tod seiner Schwester im September 1981 in einer im Weingartenwald zwischen Eching und Schondorf vergrabenen Holzkiste zu klären. Michael Herrmann ist nicht davon überzeugt, dass der vor neun Jahren verurteilte Werner M. tatsächlich der Täter ist. Er hat mithilfe einer Expertin aus Großbritannien neue Indizien vorgelegt. Er glaubt, dass in diesem Fall ehemalige Schüler des Schondorfer Landheims eine Rolle gespielt haben könnten.
„Vieles spricht dafür, dass ein Unschuldiger seit zehn Jahren im Gefängnis sitzt“, schrieb Michael Herrmann im August 2018 in einem offenen Brief an die Augsburger Justiz: „Die Menschen, die den Tod meiner Schwester zu verantworten haben, leben in Freiheit. Für mich mehren sich Hinweise auf einen anderen, bisher nur mangelhaft untersuchten Täterkreis.“
Ein Draht könnte eine besondere Rolle spielen
Nun erklärt Herrmann erstmals genauer, was er damit gemeint hatte und aus welchem Kreis der oder die Täter seiner Meinung nach gekommen sein könnten: Sie könnten, so sagte er jetzt, im Schondorfer Landheim gelebt haben. Sein Anwalt Joachim Feller hat deshalb auch eine „Ermittlungsanregung“ an die Staatsanwalt Augsburg gegeben. Der Jurist spricht gegenüber dem Landsberger Tagblatt ebenfalls von Indizien, die darauf hindeuteten, „dass es Schüler aus dem Landheim gewesen sein könnten“.
Michael Herrmann nennt laut Medienberichten zwei konkrete Spuren, die auf das Landheim hindeuten könnten. Ermittler hätten kurz nach Ursulas Entführung am Tatort einen grünen Klingeldraht gefunden, jedoch nicht sichergestellt. Dieser, so die heutige Vermutung, könnte den Entführern als Warnsystem gedient haben. Ein gutes Jahr nach der Entführung – im Januar 1983 – sei der Draht dann bei Schülern im Landheim wieder aufgetaucht. Warum ihn die Schüler mit aufs Zimmer genommen hatten, sei von den Ermittlern nicht ausreichend hinterfragt worden.
Die Erpresserbriefe wurden erneut untersucht
Was noch ins Landheim führt, sei eine neu entdeckte Spur auf den Erpresserbriefen, die die Familie Herrmann 1981 erhalten habe. Wie Ursulas Bruder sagt, habe eine Expertin aus Großbritannien darauf die Durchdruckspur eines Wahrscheinlichkeitsbaums gefunden – eine Skizze aus der Stochastik im Fach Mathematik. Und es gebe weitere Indizien, fügt sein Anwalt Joachim Feller an, die der Staatsanwaltschaft bekannt seien.
Die Ermittlungsbehörde prüft derzeit, „wie diese Unterlagen zu bewerten sind und welche strafrechtliche beziehungsweise strafprozessuale Relevanz sie haben“, bestätigt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Matthias Nickolai. Der Vorgang sei aber noch nicht abgeschlossen: „Es ist daher leider nicht möglich, zuvor auch nur einzelne vorgebrachte Aspekte zu erörtern.“ Ohnehin sei von Herrmann beziehungsweise dessen Verteidiger keine Anzeige gegen eine bestimmte Person erfolgt. Weitere Details wollte der Oberstaatsanwalt nicht kommentieren.
Die Staatsanwaltschaft hält sich bedeckt
Es gibt noch einen zweiten Gesichtspunkt, auf den Herrmanns Anwalt Joachim Feller hinweist: Die Tat, für die Werner M. 2010 verurteilt wurde, ist nach 30 Jahren – also 2011 – verjährt. Nur wenn einem Täter eine Mordabsicht nachgewiesen werden könnte, wäre es also möglich, neu zu ermitteln. Hier verweist Feller auf ein Gutachten, wonach Ursula Herrmann möglicherweise aufgrund eines verabreichten Betäubungsmittels tot war, als sie in die Kiste gelegt und diese im Wald zwischen Schondorf und Eching vergraben wurde. Joachim Feller: Wenn ein Täter jemanden sediere, ohne hinreichend Kenntnis über die Wirkung des Mittels zu haben, nehme er deshalb billigend in Kauf, dass dieser Mensch sterben könnte. Deshalb könne man die Tat durchaus als Mord klassifizieren, der nicht verjährt.
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