Startseite
Icon Pfeil nach unten
Landsberg
Icon Pfeil nach unten

Kaufering: Forschungsprojekt in Kaufering: Mit Baumrinde gegen den Klimawandel

Kaufering

Forschungsprojekt in Kaufering: Mit Baumrinde gegen den Klimawandel

    • |
    Der Debarker-Aufsatz schält die Rinde gleich nach dem Fällen von den Stämmen. Sie bleibt im Wald liegen und verbessert die Bodenqualität, die Stämme werden zu Holzhackschnitzel verarbeitet.
    Der Debarker-Aufsatz schält die Rinde gleich nach dem Fällen von den Stämmen. Sie bleibt im Wald liegen und verbessert die Bodenqualität, die Stämme werden zu Holzhackschnitzel verarbeitet. Foto: Daniel Weber

    Im Wald bei Kaufering werden mit einer neuen Methode Bäume so gefällt, dass sie nicht nur als Brennholz genutzt werden können, sondern auch noch einen weiteren Zweck erfüllen. Im Gespräch mit dem LT informiert Ludwig Pertl, der 40 Jahre Förster war, über die Hintergründe des Projekts.

    Ziel sei es, den Waldboden langfristig aufzuwerten. Das soll unter anderem gegen die Auswirkungen des Klimawandels helfen, so Pertl. Die Maschine schwenkt mit ihrem Arm den klobigen Aufsatz herum, greift sich damit einen Baum, sägt ihn knapp über dem Boden ab und zieht ihn in die Waagrechte. Dann rutscht der Stamm in der eisernen Umklammerung einige Male vor und zurück, und es werden dabei Äste und Rinde abgetrennt. Dann legt das Gerät das geschälte Holz zu den anderen Stämmen und nimmt den nächsten Baum in Angriff.

    Ein Professor mit dem Fachgebiet Holzenergie ist dabei

    Etwa ein Dutzend Menschen beobachten den Debarker – übersetzt heißt das „Entrinder“ – interessiert. Die Gruppe besteht vor allem aus Studenten der Hochschule Weihenstephan, die am Projekt „ LIFE Future Forest“ (Zukunftswald) im Kauferinger Wald arbeiten. Das Projekt wird mit Mitteln aus dem LIFE-Programm der Europäischen Union gefördert. Zusammen mit Professor Stefan Wittkopf, Leiter des Fachgebiets Holzenergie, verfolgen sie gespannt, wie die Rinde von den Baumstämmen abfällt. Ludwig Pertl steht auch dabei und erklärt, warum dieser Vorgang so wichtig ist: „In der Rinde lagern die Bäume viele Spurenelemente ab.“ Werden diese zusammen mit den Stämmen aus dem Wald gebracht, werde der Boden für die Bäume auf Dauer immer karger.

    Ludwig Pertl (links), Förster im Ruhestand, und Prof. Stefan Wittkopf beobachten den ersten Einsatz des neuen Geräts genau.
    Ludwig Pertl (links), Förster im Ruhestand, und Prof. Stefan Wittkopf beobachten den ersten Einsatz des neuen Geräts genau. Foto: Daniel Weber

    Auf einigen Testflächen im Kauferinger Wald werde deshalb die Hälfte der Biomasse zurück in den Boden gegeben: Äste, Blätter und Rinde bleiben nach dem Fällen liegen, nur die geschälten Stämme werden abtransportiert. Das verbessert nach und nach die Bodenqualität – und von dieser hänge vieles ab, so Pertl. Vor allem könne ein so aufgewerteter Boden viel mehr Wasser speichern, bis zu fünfmal so viel wie ein ausgezehrter Waldboden. Das werde wegen der steigenden Temperaturen immer wichtiger.

    Bäume, denen in trockenen Hitzeperioden das Wasser ausgehe, seien viel anfälliger für Schädlinge und könnten außerdem nicht wachsen. Dagegen blieben Bäume, die auch in solchen Zeiten genügend Flüssigkeit aus dem Boden ziehen können, nicht nur gesund. Sie produzierten auch mehr Verdunstungskühle und Sauerstoff, wenn sie das Wasser über ihre Blätter wieder verdunsten. Das helfe, die Klimaerwärmung abzupuffern.

    Mit einem leistungsfähigen Boden und dementsprechend aktiveren Bäumen ließen sich außerdem Feinstaub- und Ozonwerte senken und die Trinkwasserqualität verbessern. Wenn die Wälder im Landkreis Landsberg bei Hitze voll arbeiten, verdunsteten sie derzeit etwa eine Milliarde Liter Wasser pro Tag, sagt Pertl. Mit besseren Böden ließe sich das um die Hälfte steigern, auf 1,5 Milliarden Liter.

    Der Abschnitt, in dem die Pappeln stehen, die die Harvester-Maschine mit dem Entrinderaufsatz fällt, gehören zu einem sogenannten Energiewald. 2008 wurden die Bäume gepflanzt, nun ist es Zeit für die Ernte – die dicksten Exemplare haben einen Durchmesser von 30 Zentimetern. Das Holz wird zu Holzhackschnitzel verarbeitet und dann zur Wärmeerzeugung verbrannt. Dass bei dem Projekt die Rinde nicht wie sonst mit verarbeitet wird, komme der Umwelt nicht nur über den Boden zugute, denn das Verfeuern von Rinde produziere auch deutlich mehr Feinstaub als das von Holz, erläutert der Förster.

    Der Energiewald wird regelmäßig geerntet

    Einen Energiewald müsse man sich vorstellen wie ein Maisfeld, die Pflanzen würden regelmäßig geerntet, sagt Pertl. Die Pappeln muss man nach dem Fällen aber nicht neu pflanzen, denn die Wurzeln bleiben im Boden und treiben neu aus. Die frischen Triebe haben sogar den Vorteil, dass sie bereits über weit verzweigte Wurzeln verfügen und so mehr Wasser und Nährstoffe aufnehmen können. Die Bedeutung des Waldbodens werde unterschätzt, sagt Pertl: „Wir brauchen eine andere Bodennutzung, wenn wir die Kapazität der Wälder erhalten wollen.“

    Derzeit untersucht er zusammen mit der Hochschule Weihenstephan, welche Bäume dem Waldboden besonders guttun, wenn ihre Äste, Blätter und Rindenstücke liegengelassen werden. Bei der Fällaktion mit dem Entrinder stellt sich heraus, dass die Rinde sich besser vom Stamm löst, wenn die Bäume im Saft stehen – der nächste Testabschnitt wird daher etwas später gefällt werden, informiert Pertl.

    Lesen Sie dazu auch:

    So wird dem Wald geholfen

    Landsberger Stadtwald: Auf dem richtigen Weg

    Was "Fridays for Future" diesmal in Landsberg fordert

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden