Gewerkschaften sind derzeit in aller Munde. Man denkt dabei an Lokführer, Kindergärtnerinnen oder Metallarbeiter. Aber an Gefangene? Eher nicht. Und dennoch: Im vergangenen Jahr hat sich in Berlin eine Gefangenen-Gewerkschaft gegründet. Seit Januar gibt es auch eine Sektion in der Justizvollzugsanstalt in Landsberg. Für Anstaltsleiterin Monika Groß sind deren Sprecher aber keine Ansprechpartner. Eine Gewerkschaft sei im Strafvollzug nicht vorgesehen. Diese Einstellung stört die Vertreter der Gewerkschaft offenbar gehörig. Sie werfen der Anstaltsleitung vor, ihre Mitglieder zu schikanieren.
Monika Groß kennt das am 10. Januar dieses Jahres verfasste Gründungsprotokoll der „Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation Abteilung JVA Landsberg“. Drei Inhaftierte hätten es unterschrieben. Derzeit habe die Gewerkschaft in Landsberg weniger als zehn Mitglieder. Insgesamt, so Groß, seien rund 430 Männer im geschlossenen Vollzug. In einer in Berlin verfassten Presseerklärung teilt die Gewerkschaft mit, die Sektion in Landsberg zähle mit 50 Gefangenen zu den dynamischsten.
JVA-Leiterin: Gewerkschaft ist nicht rechtsfähig
Gefängnis: Das ist die JVA Landsberg
1923 saß Adolf Hitler wegen Hochverrats in der Justizvollzugsanstalt in Landsberg ein, nachdem sein Putschversuch gescheitert ist.
Während seiner 13-monatigen Haft schrieb Hitler sein Buch „Mein Kampf“.
Hitlers Zelle gibt es nicht mehr, da die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg den Festungstrakt entkernen ließen. Hier steht nun der Arbeitstrakt der JVA.
Viele der 550 männlichen Inhaftierten sind zum ersten Mal im Landsberger Gefängnis.
In das Gefängnis in Landsberg kommen meistens Verurteilte mit einer Strafe von bis zu sechs Jahren.
Den Gefangenen steht in Landsberg ein Fußballplatz zur Verfügung.
Außerdem gehört zu dem Gefängnis eine Außenstelle für Freigänger in Andechs. Hier gibt es rund 100 Plätze.
Das Gefängnis in Landsberg wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als „War Criminal Prison No. 1“ (Kriegsverbrecher-Gefängnis Nummer eins) von der US-Militärgerichtsbarkeit verwendet.
Auf dem Landsberger Gefängnisfriedhof liegen zahlreiche hingerichtete NS-Kriegsverbrecher.
Die Gewerkschaft macht sich eigenen Angaben zufolge dafür stark, dass Gefangene, die während ihrer Haft arbeiten, in die Sozialversicherungssysteme einbezogen werden und den gesetzlichen Mindestlohn erhalten. „Die Bezahlung unterliegt gesetzlichen Vorgaben“, sagt Monika Groß. Für die Anliegen der Gewerkschaft sei sie daher die falsche Ansprechpartnerin. Zudem handle es sich nicht um einen eingetragen Verein, die Gewerkschaft wäre daher nicht rechtsfähig. Über die Belange der Gefangenen spricht die Anstaltsleiterin mit den gewählten Vertretern der Gefangenen bei regelmäßigen Treffen. Für jedes Stockwerk wählen sich die Inhaftierten ihre Sprecher selber.
In der Presseerklärung wirft die Gefangenen-Gewerkschaft Monika Groß vor, das Engagement ihrer Mitglieder systematisch zu torpedieren. Die beiden Sprecher der Sektion Landsberg seien einem „drakonischen Regime“ unterworfen, wird in einem weiteren Schreiben mitgeteilt. So habe einer der Sprecher einige Tage im isolierten Bunker verbringen müssen und eine mehrwöchige Freizeitsperre erhalten, weil er den stellvertretenden Anstaltsleiter beleidigt haben soll. Monika Groß sagt, dass ihr Kollege beleidigt wurde. Daraufhin sei ein Disziplinarverfahren gegen den Häftling durchgeführt worden.
Alles nur Maßnahmen im normalen Haftalltag?
Die Vorwürfe der Gewerkschaft gegen die Leitung der Justizvollzugsanstalt reichen von regelmäßigen Leibesvisitationen über Razzien in den Zellen bis zur Zensur der Post. Monika Groß bezeichnet diese Maßnahmen als Haftalltag. So werde sämtliche Post der Inhaftierten kontrolliert und jeder Haftraum in gewissen Abständen inspiziert. In besonders schweren Fällen sogar täglich. Auch Leibesvisitationen seien an der Tagesordnung. Schließlich kämen die arbeitenden Gefangenen mit Werkzeug in Kontakt, das umfunktioniert werden könne.
Die Gefangenen-Gewerkschaft mit Sitz in Berlin gibt auch eine Zeitschrift heraus. Sie nennt sich „outbreak“. Den inhaftierten Mitgliedern in Landsberg soll sie nicht ausgehändigt worden sein. Die zugeschickten Hefte seien verschwunden. Wie Monika Groß sagt, darf jeder Gefangene bis zu drei Zeitschriften abonnieren. Wenn er möchte, auch „outbreak“. Zwei Inhaftierte würden so verfahren. Eine einfache Zusendung der Hefte sei dagegen nicht möglich. Darauf seien die Mitglieder der Gewerkschaft von der Leitung hingewiesen worden.