Vor 40 Jahren starb ein entführtes Mädchen in einer im Wald vergrabenen Holzkiste. Die zehnjährige Ursula Herrmann aus Eching am Ammersee ist seitdem unvergessen. Jetzt gibt es ein Bekennerschreiben in diesem mysteriösen Kriminalfall. Der Landsberger Anwalt Joachim Feller hat es bekommen und leitete es an die Augsburger Staatsanwaltschaft weiter.
Sie vertreten den Bruder von Ursula Herrmann seit Langem. Jetzt wurde Ihnen in die Landsberger Kanzlei ein Bekennerschreiben zugestellt. Eine Wende im Fall?
Feller: Am 10. November wurde mir ein sogenanntes Bekennerschreiben in die Kanzlei zugestellt, welches an mich persönlich adressiert war. Das Schreiben, das in Landsberg einging, war mit Computer geschrieben, aber mit einer handschriftlichen Unterschrift versehen. Der Inhalt des Briefes ist erstaunlich schlüssig und bestätigte eine der jüngst aufgeworfenen Tätertheorien.
Welche Tätertheorie meinen Sie?
Feller: Sie sind der Staatsanwaltschaft bekannt. Was ich sagen möchte, ist, dass ich die der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf weitere Tätertheorien vorgelegten Indizien für weitaus belastbarer halte, als diejenigen, die zur Verurteilung von Werner M. geführt haben.
Was ist das Besondere an dem Schreiben?
Feller: In diesem Schreiben wurde unter anderem ein Suizid des Verfassers angekündigt, was mich sofort veranlasste, mit dem mir namentlich bekannten angeblichen Verfasser des Bekennerschreibens Kontakt aufzunehmen. Diese Kontaktaufnahme gelang auch, ich hatte aber den Eindruck, dass der glaubhaft überrascht wirkende angebliche Verfasser dieses Briefes keine Kenntnis von diesem Schreiben hat.
Wer bekam das Schreiben noch?
Feller: Im Anschluss hat sich herausgestellt, dass ich nicht der einzige Adressat dieses Bekennerschreibens war, sondern ein weiteres Schreiben bei einem deutschen Nachrichtenmagazin einging und auch ein weiteres Schreiben bei der Kriminalpolizei. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Augsburg hat Kontakt mit mir aufgenommen und gebeten, ihr das Schreiben zur Verfügung zu stellen, da Ermittlungen in dieser Angelegenheit aufgenommen wurden.
Fall Ursula Herrmann: Hat der Verfasser des Schreibens Täterwissen?
Wenn der mutmaßliche Verfasser leugnet, das Schreiben verfasst zu haben, warum ist es dann doch interessant?
Feller: Parallel wird untersucht, ob das Schreiben Täterwissen enthält, oder ob der Inhalt des Schreibens auch sozusagen aus dem, was in der Öffentlichkeit bekannt ist, zusammengestellt hätte werden können. Ich gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft in zwei Richtungen ermittelt. Zum Ersten, ob es sich bei dem, dessen Unterschrift unter dem Bekennerschreiben steht, um den tatsächlichen Verfasser handelt. Oder ob es sich um einen anderen Verfasser handelt, und ob dieser sich wegen falscher Anschuldigung beziehungsweise des Vortäuschens einer Straftat schuldig gemacht hat.
Sie sind Landsberger. Haben Sie 1981 den Fall Herrmann miterlebt?
Feller: Ich persönlich hatte soeben das Abitur geschrieben, und zwar an der Schule, an der auch Michael Herrmann, der Bruder der Ursula Herrmann, war: auf dem IKG. Ich glaube, es gab damals nicht viele Landsberger, die nicht von diesem Verbrechen erfahren hatten. Wir waren damals alle geschockt und berührt, weil die Vorstellung, dass ein kleines Mädchen in einer Kiste erstickt, so grauenhaft war.
Die Entführung von Ursula Herrmann schockierte ganz Eching und die Region
Welchen Wahrheitsgehalt messen Sie persönlich dem Schreiben bei?
Feller: Aufgrund meines persönlichen Eindrucks am Telefon mit demjenigen, der angeblich das Schreiben verfasst hat, glaube ich nicht, dass es von ihm stammt. Erstaunlich ist allerdings, dass das Schreiben sehr konkret und detailreich verfasst ist. Das Schreiben ist in sich sehr schlüssig. Insoweit bleiben natürlich Restzweifel, ob der Verfasser des Bekennerschreibens gegebenenfalls Insiderwissen hat.
Im Moment ist das Medieninteresse an diesem Fall sehr groß. Michael Herrmann hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, Sie sind an den Veröffentlichungen beteiligt. Was ist alles geplant?
Feller: Wie Sie richtig ausführen, scheint das Medieninteresse an diesem Fall nicht nachzulassen, sondern sich gerade wieder zu steigern. Zahlreiche Medien beteiligen sich. So plant Netflix eine Dokumentation. Auch eine englische Produktionsfirma (RAW) will eine mehrteilige Doku zum Fall Ursula Herrmann drehen. Es ist auch ein Spielfilm geplant. Und am 3. Februar startet ein neuer BR-Podcast zu diesem Thema. Literarisch befasst sich die Autorin Christa von Bernuth mit diesem Fall. Ihr Roman „Tief in der Erde“ erscheint Mitte März. Sie hat sich aber mit mir in Verbindung gesetzt und mich zu den aktuellen Ereignissen interviewt.
Wir berichten weiter über diesem Kriminalfall. Auch zu dem Roman, der Mitte März erscheint, gibt es eine Besprechung.
Hier finden Sie alle Folgen unserer Serie:Der tragische Fall der Ursula Herrmann - LT-Serie 40 Jahre nach der Tat