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Auszeichnungen: Ein Jesuit auf Reisen: Museum mal verspielt

Auszeichnungen

Ein Jesuit auf Reisen: Museum mal verspielt

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    Vorstellung des preisgekrönten Projektergebnisses im Rahmen des „Coding daVinci Süd 2019“. Von links: Michael Ognew, Kelvyn Marte, Georg Reil, Sonia Fischer und Clemens Brotkorb im Stadtmuseum.
    Vorstellung des preisgekrönten Projektergebnisses im Rahmen des „Coding daVinci Süd 2019“. Von links: Michael Ognew, Kelvyn Marte, Georg Reil, Sonia Fischer und Clemens Brotkorb im Stadtmuseum. Foto: Julian Leitenstorfer

    Szenario eins: Im Museum. Eine große hölzerne Tafel aus dem Jahr 1700 mit vier mal sieben kleinen Kupferstichen, die schwarz gekleidete Mönche in unterschiedlichsten Situationen, gerne auch mit Pfeil in der Brust oder in anderen Todesvarianten, zeigen. Darunter in Latein oder verschnörkelten Deutsch ein Name, ein kurzer Abriß des Lebens. Jesuiten auf Mission in der ganzen Welt.

    Wie lange würden Sie vor diesem Bildnis stehen bleiben? Welche Geschichten – wenn überhaupt – würden in Ihrem Kopf entstehen, wenn Sie das eine oder andere Bildchen entziffern könnten? Und welcher Jugendliche würde sich die Zeit nehmen, die Bedeutung und den Hintergrund zu erkunden? Wenn die Besucher, vor allem die Jugendlichen, nicht mehr ins Museum gehen, dann kommt das Museum eben zu ihnen. Dieser Grundgedanke steckt hinter dem neuen interaktiven Projekt, welches das Stadtmuseum gemeinsam mit einer Gruppe junger Interaktionsdesigner gestaltet hat. Kommen wir also zu Szenario zwei: Auf einem Bildschirm, gekleidet in schlichtes, helles Holz in Altarform, blinkt dezent eine Aufforderung: Schicken Sie einen Jesuiten auf die Reise. Davor sieben kleine aufs Wesentliche reduzierte Holzfigürchen. Das minimalistische Design lässt keine Wahl, instinktiv greift man eine dieser Figuren und stellt sie auf die vorgesehene Ausrundung. Unmittelbar ploppt die Geschichte eines Jesuiten auf, leichtes Elefantentröten im Hintergrund, die Erzählung beginnt. Untermalt durch wunderbar reduziertes grafisches Design wird der Besucher in rund einer Minute durch das Leben des Mönches geführt, und als dieser schließlich irgendwo auf der Welt stirbt (oft unter grausamen Umständen), fällt das hölzerne Männchen plötzlich um.

    Nicht umsonst, versteht man jetzt, hat das Team für diese Installation erst kürzlich gleich zwei von fünf Preisen im Rahmen des Kultur-Hackathons „Coding Da Vinci“ gewonnen. Und das kam so: Programmierer und Entwickler trafen Anfang April auf die unterschiedlichsten Kulturinstitutionen aus dem Süden Deutschlands. Bei einem „Kick-off“ präsentierte Anna Leiter, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Neuen Stadtmuseums und Leiterin des crossmedialen Projektes, in nur einer Minute ihre Idee. Daraufhin entschieden sich Georg Reil, Robi Hammerle, Michael Ognew und Kelvyn Marte (als Grafikdesigner) sowie Archivarin Anna Levandovska für dieses erst auf den zweiten Blick spannende Projekt. „Wir haben bewusst auf einen ‚underdog’ gesetzt“, erläutert Reil ihre Entscheidung.

    Die skurrile, leicht makabre Note hätte sie gereizt, der sensible Balanceakt zwischen Humor und Respekt herausgefordert. Das Team ist zwischen 30 und 35 Jahre jung und kennt sich seit Langem aus der beruflichen Zusammenarbeit als Interaktionsdesigner für die Automobilindustrie. Kultur als Thema haben alle als Ansporn empfunden, außerdem „basteln wir gerne und wollten keine reine Computerinstallation bauen.“ Sechs Wochen hatten sie Zeit, vieles wurde ausprobiert und wieder verworfen und schließlich landeten sie mit der minimalistischen Fassung einen Publikumsliebling (Preis: „Everybody‘s darling“ sowie „funniest hack“). Nicht nur Museumsleiterin Sonia Fischer freut sich, die Installation bald für die Dauerausstellung (im eigenen Jesuitenraum) zu erwerben, auch Dr. Clemens Brodkorb, Leiter des Provinz-Archivs der Deutschen Jesuiten zeigte sich sichtlich stolz, die vom Orden bereitgestellten zwei Tafeln (plus die Datensätze von vier weiteren Tafeln) modern und dennoch würdig umgesetzt zu sehen.

    So verspielt und gleichzeitig informativ darf Museum in Zukunft gerne öfters sein. (felt)

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