Ein Baby ganz aus Eis
Dießen "Das kleine Format" ist eine Ausstellung mit Entdeckungsqualitäten. Denn was da im Blauen Haus von 24 Künstlern zu sehen ist, hat nichts mit traditioneller Heimatkunst zu tun. Seltenheitswert haben daher Landschaften. Annunciata Foresti zeigt eine in verschwiegenem Grün schimmernde Serie eines Weihers zwischen Rott und Birkland. Ebenso konkret bleibt Martin Gensbaur, der im Hauptraum mit Schwarz-Weiß-Radierungen von Hütten und Stadeln vertreten ist.
VON ANDREAS FREY
Gensbaur ist es auch, den die Vernissagengäste mit dem Publikumspreis bedachten. Folge der Auszeichnung war der Aufkauf einer Landschafts-Serie durch die Marktgemeinde. Diese farbigen Gensbaur-Exponate sind im benachbarten kult.café zu sehen, ebenso die verschlungene Phantasie-Skulptur "Brain Looping" von Alexander Ewgraf aus Eresing, die sich wie ein bunt bemaltes Riesen-Spaghetto im Raum kringelt und ein Zeichnen in der Luft darstellen soll. Die markanteste Hängung ist jedoch die frei schwebende "Babydecke", die mit ihrer mittigen Kuhle über ein Körbchen geworfen scheint. Jeden Sonntag wird diese Decke als Sieb eingesetzt. Dann nämlich wird vorsichtig das "Eisbaby" hineingelegt. Über die nächsten drei Tage hinweg wird der Eisguss eines Babykörpers dann tauen und vertropfen. Werden und Vergehen lassen sich ebenso assoziieren wie der Verlust der anfänglichen kindlichen Reinheit und Unschuld. Die im japanischen Fuji geborene Masayo Oda ist die einzige "Gastkünstlerin", die bis jetzt über keine Beziehung zum Ammersee verfügte. "Ich hatte sie an der Münchner Kunstakademie kennengelernt und wollte sie unbedingt hier haben", erläutert Impulsgeberin Foresti dazu. Für die federführende Dießenerin ist mit der Ausstellung ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. "Die gute Resonanz beim Publikum und auch bei der politischen Spitze zeigt, dass dank des kunstsinnigen Publikums hier eben auch der Prophet im eigenen Land etwas gilt", sagt Foresti. Zwar plane sie, sich demnächst als Kuratorin vom "Kulturform Blaues Haus" zurückzuziehen. Die Konzeption für "Das kleine Format" wolle sie jedoch weiterhin pflegen. Bis zum vierten Advent bleibt im "Blauen Haus" noch Gelegenheit, in der gegenwärtigen Schau den modernen Ausdrucksformen von Künstlern zwischen Kinsau und Starnberg und zwischen Weilheim und Schöngeising auf den Grund zu gehen. So reichen die Plastiken von Holzplättchen-Stelen (Dietrich Förster) über farbig gewachste Rohton-Gefäße (Manuela Walter) bis hin zu fast weiß gebrannten Korallenformen (Christoph Möller), dazu gibt es Foto-Bearbeitungen auf Glas und Alu (Stefan Moritz Becker und Samuel Schaab) sowie Farbgestaltungen von alten Schnappschüssen (Doris Trummer). Ob verwirbelte Seefest-Ölstriche von Angelika Böhm-Silberhorn oder aztekisch-kantige Comic-Miniaturen von Hans Dumler. Eher schon gruppieren sich die Farben zu Horizontwahrnehmungen (farbkräftig bei Wolf Schindler, dezent bei Stephanie von Hoyos) oder zu Farbfeldern oder Fantasiestrukturen (Hajo Düchting und Egon Günther). Eingeschriebene Linien auf kräftigen Grundfarben bevorzugen Jakob Kirchheim und Thomas August Günther. Die Beschränkung auf die Linie als Bildchiffre zelebriert János Fischer; auf die Buchstabenwerte konzentriert sich Andreas Kloker bei seinen Schiefertafeln.
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