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Dießen: Wenn das eigene Kind nie mehr gesund wird

Dießen

Wenn das eigene Kind nie mehr gesund wird

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    Allerheiligen und Allerseelen sind die Tage im Jahr, an denen man ganz besonders an die lieben Verstorbenen denkt. Marion Getz aus Dießen verlor ihren Sohn im Alter von nur 13 Jahren und hat eine Selbsthilfegruppe gegründet.
    Allerheiligen und Allerseelen sind die Tage im Jahr, an denen man ganz besonders an die lieben Verstorbenen denkt. Marion Getz aus Dießen verlor ihren Sohn im Alter von nur 13 Jahren und hat eine Selbsthilfegruppe gegründet. Foto: Benedikt Siegert (Symbolbild)

    Diagnose unheilbar, vielleicht noch zwei Jahre Lebenserwartung. Der Sohn von Marion Getz war ein Jahr alt, als die heute 47-jährige Dießenerin diese Diagnose erhielt. Doch Joshua wurde 13 Jahre alt, er starb im Jahr 2011 an einer seltenen Stoffwechselerkrankung. Marion Getz war 2000 Mitbegründerin einer Elterninitiative, daraus wurde das JoMa-Projekt, ein Verein, der psychosoziale Unterstützung für Familien mit unheilbar kranken und schwerstbehinderten Kindern anbietet. Sie hat auch ein Buch über ihren Sohn Joshua geschrieben. Das Landsberger Tagblatt hat mit Marion Getz über ihr Schicksal und ihre Arbeit gesprochen. Wie sie betroffenen Eltern hilft.

    Irgendwann konnte Joshua nicht einmal mehr sprechen

    „Wir wussten nicht, was das jeweils nächste Jahr bringt. Wir wussten nicht einmal, was der nächste Monat, sogar der nächste Tag bringt. Ständig drohte der Tod am Rande unseres Blickfelds. Ein Schatten, der flüchtig im Augenwinkel zu ahnen war. Mit seinem Lachen hielt Joshua ihn in Schach, verwies ihn auf einen Platz am Rand.“ So beschreibt Marion Getz die Jahre, in denen ihr Sohn immer mehr an motorischen Fähigkeiten, schließlich seine Sprache verlor, aber immer noch über Computer kommunizieren konnte.

    Marion Getz aus Dießen hat zwei Bücher geschrieben. Sie hat vor einigen Jahren ihren Sohn Joshua aufgrund einer seltenen Stoffwechselkrankheit verloren.
    Marion Getz aus Dießen hat zwei Bücher geschrieben. Sie hat vor einigen Jahren ihren Sohn Joshua aufgrund einer seltenen Stoffwechselkrankheit verloren. Foto: Thorsten Jordan

    Was bedeutet der Alltag mit einem schwerstbehinderten und unheilbar kranken Kind? Rund um die Uhr anwesend zu sein und das Kind zu pflegen. Zu lernen, ein Kind über Magensonden zu ernähren, mit einem Schlauch die Atemwege zu befreien, nachts immer wieder aufzustehen, wenn der Kranke Atemnot oder einen epileptischen Anfall bekommt. „Das Schlimmste ist die mangelnde Unterstützung, die Eltern machen es alleine.“ Die meisten hätten seit der Diagnose ihres Kindes nicht mehr durchgeschlafen. „Ich weiß nicht mehr, wie wir das geschafft haben“, sagt Marion Getz aus heutiger Sicht über den Einsatz ihrer Familie.

    Joshua wollte, dass ein Buch über ihn erscheint

    Marion Getz will die Zeit mit einem unheilbar kranken Kind jedoch nicht alleine reduziert sehen auf Sorge, Leid und mühevolle Krankenpflege. „Das klingt jetzt alles so furchtbar, aber Familien können sehr zusammenwachsen und stark sein, die Liebe hält sie und das Lächeln des Kindes.“ Joshua hat viel gelächelt, wie das Cover des Buchs „Ich.Joshua.MeinLeben.“ zeigt. „Joshua war ein ganz lustiges, mutiges und meinungsstarkes Kind. Er wollte, dass ich das Buch schreibe, für alle Kinder in seiner Situation“, erzählt Marion Getz.

    Die Hindernisse, die es zu bewältigen gebe, „die fressen die Energie“. Es sei die Umwelt, die Wunden reiße. Beispielsweise, wenn ein Spezialrollstuhl, den der Arzt verschrieben hat, von der Krankenkasse nicht beim ersten Antrag genehmigt wird, sondern die Eltern erst Widerspruch einlegen müssten. Pflegedienste zur sogenannten „spezialisierten Krankenbeobachtung“ würden nicht genehmigt, laut Marion Getz fehlen die gesetzlichen Richtlinien für die Pflege von unheilbar kranken Kindern.

    In Deutschland leben rund 50.000 unheilbar kranke Kinder

    Es gebe auch zu wenig ambulante Palliativversorgung speziell für Kinder. Marion Getz erzählt auch, dass es schwer war, einen Kindergartenplatz und eine Grundschule für Joshua zu finden. Sie fordert mehr Investitionen im Sinne einer wirklichen Inklusion. In dem Sachbuch „Leben dazwischen“ setzt sich die Sozialpädagogin und Traumapädagogin, die Mutter eines gesunden Sohnes ist, mit der Situation von Familien mit unheilbar kranken und schwerbehinderten Kindern auseinander. 50.000 Kinder und Jugendliche sind laut Getz in Deutschland unheilbar krank.

    Und es fehlt die psychosoziale Begleitung der Familien. „Die Diagnose ist ein Trauma, jede neue lebensbedrohliche Situation ist ein Trauma und das Sterben ist ein Trauma.“ Der Freundeskreis reduziere sich, zum einen, da der Tod an sich, aber vor allem der Tod eines Kindes ein Tabuthema sei, das wenige aushielten. Zum anderen fällt es betroffenen Familien laut Getz schwer, Kontakt zu halten, da Energie und Zeit dafür fehlen. Während der Krankheit habe man hauptsächlich Kontakt zu Ärzten und Krankenschwestern. Nach dem Tod des Kindes fielen auch diese Verbindungen weg.

    Der Verein bietet Seminare für betroffene Eltern an

    Der Verein JoMA-Projekt mit Sitz in Weßling ist nach Joshua und dem Mädchen Maren, das ebenfalls an einer unheilbaren Krankheit starb, benannt. Er bietet Beratung und Seminare für Familien an. Der Verein arbeitet auf Spendenbasis. Im Oktober fand in Riederau ein Mütter-Seminar statt. „Wir arbeiten in den Familienseminaren auch mit den kranken Kindern. Sie sind es, die sterben müssen und Fragen haben.“ Aber immer gehe es auch darum, „dass alle gemeinsam Spaß haben“.

    Termine Von 1. bis 3. November ist im Kultur- und Tagungszentrum Murnau die Ausstellung „Plötzlich ist alles anders“, eine Veranstaltung mit dem Verein „Verwaiste Eltern Weilheim/Schongau und Garmisch“ zu sehen.

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