Die neueste Großbaustelle in Dießen ist unübersehbar: Am Ende der Ferien wurde damit begonnen, den Turm des Marienmünsters einzurüsten. Drei Wochen dauerte der Aufbau, der notwendig war, um mit einer grundlegenden Sanierung des Glockenturms beginnen zu können. Das hat das Staatliche Bauamt in Weilheim auf Nachfrage mitgeteilt, denn nicht die Kirche, sondern der Freistaat Bayern trägt im Wesentlichen die Baulast für das Kirchengebäude.
Auch wenn er aufgrund seiner Rokoko-Gestalt nicht so aussieht, ist der Turm des Marienmünsters doch ein modernes und neues Bauwerk. 1985 wurde er neu errichtet. Das ist inzwischen 35 Jahre her und nun steht erstmals eine umfangreichere Fassadensanierung an. An der Westseite seien seither Witterungsschäden entstanden, die dazu geführt haben, dass der Putz teilweise abgeplatzt sei, informiert die zuständige Architektin Verena Selmigkeit. Auch die sogenannten Schallläden müssten teilweise erneuert werden. Die jetzt beginnenden Arbeiten sollen bis Dezember abgeschlossen sein.
Bis zur Turmhaube sind es 54 Meter
Die Arbeiten haben ein nicht unerhebliches Ausmaß aufgrund der Größe des Turms: 54 Meter sind es vom Boden bis zur Unterkante der Haube. Um bis dorthin zu gelangen, mussten 25 Etagen Gerüst aufgebaut werden. Dabei musste auch das Kirchendach und der Glockengang überbrückt werden – und zwar ohne Auflager auf der historischen Dacheindeckung, wie Selmigkeit erläutert. Insgesamt wurden 1400 Quadratmeter Gerüstfläche verlegt. Eine große Sache ist auch die Teilerneuerung der Schallfenster, das größte davon ist sieben Meter hoch.
Zu Einschränkungen für Besucher der Kirche soll es während der Sanierung nicht kommen: „Sämtliche Arbeiten werden über den Klostergarten bedient. Dieser wird durch die Klinik der Artemed-Stiftung genutzt und ist nicht für die Öffentlichkeit zugänglich“, erklärt die Architektin, „in Bezug auf Lärmbelästigung und Baustellenlogistik ist jedoch besondere Rücksicht geboten.“
Der Turm ist der jüngste Teil des Kirchengebäudes
Der Glockenturm ist der jüngste Teil des Marienmünsters. Er wurde erst 1985 errichtet. Es handelt sich um einen Stahlbetonbau mit einer Wandstärke von 65 bis 105 Zentimetern. Trotz dieses Neubaucharakters müssten die beauftragten Firmen besondere Anforderungen erfüllen und sich mit dem Landesamt für Denkmalpflege abstimmen, so das Staatliche Bauamt, dies aufgrund der kunsthistorischen Bedeutung des denkmalgeschützten Ensembles.
Der ursprüngliche Turm der einstigen Stiftskirche der Augustiner-Chorherren, wie ihn Johann Michael Fischer konzipiert hatte, wurde schon 1827, also 88 Jahre nach der Weihe der Kirche, großteils zerstört. Am 31. Juli schlug nachts ein Blitz in den Turm ein, es entstand ein Feuer, das erst am Morgen entdeckt wurde und bis zum Nachmittag war der Dachstuhl zerstört und es standen nur noch die Mauern des auch innen völlig ausgebrannten Turms. Der Wiederaufbau erfolgte erst in den Jahren 1846 bis 1848 und dann nicht mehr im damals eher verpönten Rokokostil, sondern mit einer neugotischen Spitzhaube. Die Kombination aus Rokoko-Kirche und neugotischem Turm prägte das Dießener Ortsbild dann rund eineinhalb Jahrhunderte und überstand auch die ersten großen Renovierungen der Kirche in den Jahren 1883/84 und 1955/58. Als 1979 der drohende Einsturz der Kirche eine erneute Sanierung erforderlich machte, ging man auch die Rekonstruktion des ursprünglichen Turms an.
Warum der Staat für die Sanierung des Turms zuständig ist
Zuständig für den Unterhalt des Gotteshauses ist vorrangig nicht die Kirche, sondern der Freistaat. Das liegt daran, dass das Chorherrenstift 1803 vom Staat säkularisiert wurde, der sich dabei nicht nur den Forstbesitz der Chorherren aneignete, sondern auch die Kirchenbaulast übernehmen musste, während der übrige Besitz des Klosters veräußert wurde. Seit 1804 ist die Kirche Pfarrkirche von Dießen.
Lesen Sie dazu auch:
Der Dießener Himmel – vor 280 Jahren geweiht