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Dießen: Katalin Fischer und die schillernde Geschichte ihrer Familie

Dießen

Katalin Fischer und die schillernde Geschichte ihrer Familie

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    Die Dießener Journalistin Katalin Fischer hat einen Roman über ihre Vorfahren aus der Zeit des frühen 20. Jahrhunderts veröffentlicht.
    Die Dießener Journalistin Katalin Fischer hat einen Roman über ihre Vorfahren aus der Zeit des frühen 20. Jahrhunderts veröffentlicht. Foto: Noah Cohen

    „Was ich konnte, habe ich recherchiert. Wie es wirklich war, weiß ich nicht. Aber vielleicht so. Vielleicht genauso“, schreibt Katalin Fischer im Vorwort zu ihrem ersten Roman „Die Fischers, die Hamburgers und die Bánds“, eine Familiensaga, die sich über den Zeitraum von 1897 bis 1924 erstreckt und nun im Bauer-Verlag erschienen ist.

    Eigentlich hätte die Geschichte „ein Internum“ bleiben sollen, ein Projekt, das die Autorin und Journalistin schon seit Jahren begleitet: Katalin Fischer wollte für ihre erwachsenen Kinder die Geschichte ihrer Vorfahren festhalten. Doch Lesungen einzelner Kapitel daraus, ob im Familienkreis, vor Freunden, bei Festen und schließlich auch in Buchhandlungen, stießen auf begeisterte Resonanz und ermutigten die Autorin, dranzubleiben. In der stillen Zeit der Pandemie wurde nun mehr daraus – die letzten Kapitel wurden aufgeschrieben. Nun liegt die charmant und humorvoll erzählte schillernde Familiengeschichte, die den Leser auf 390 Seiten in ihrem Bann hält, in Buchform vor.

    Von der untergehenden Doppelmonarchie und dem brodelnden Berlin

    In drei Handlungssträngen erzählt die Journalistin aus dem Leben ihrer Urgroßeltern und deren Nachkommen – einmal mütterlicherseits und zweimal väterlicherseits – und verwebt diese, vor den exakt recherchierten Hintergründen einer politisch und gesellschaftlich aufregenden Epoche, zu einem spannenden Stück Zeitgeschichte. Während sie ihren Protagonisten liebevoll eine Stimme gibt, wird das brodelnde Berlin der 1920er-Jahre ebenso lebendig wie Licht und Schatten der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Auch in ihrem Roman ist die Liebe der Theaterregisseurin zu skurrilen Situationen ungebrochen. So beschreibt Katalin Fischer, wie 1905 das kleine Häuschen ihres Urgroßvaters David Fischer in Zenta, einem kleinen Dorf in Südungarn, in Flammen steht. Man hört das Feuer geradezu knistern. Doch der Hausierer und Bauchladenbesitzer David – er ist allein zu Hause – rettet nur sein nacktes Leben und seinen geliebten Lehnstuhl ins Freie, denn es ist Schabbat und jegliche Anstrengung, auch das Löschen von Feuer, ist an diesem Tag im jüdischen Kalender verboten.

    Zu den Protagonisten zählt auch die Bankierstochter und ambitionierte Turmspringerin Clara Hamburger, die in ihrer quirligen Heimatstadt Berlin 1908 den Speditionslehrling Desider Fischer kennenlernt. Desider ist der einzige Überlebende von sieben Geschwistern und damit der einzige Sohn des Hausierers David. Desider ist klug, attraktiv – ein sympathischer Filou, der nach oben will. Und seine Enkelin, die Autorin Katalin Fischer, ist eine großartige Erzählerin, die mit wundervollen Bildern das Kino im Kopf gekonnt in Gang setzt.

    Wie der Sohn des Lebemanns Desider Fischer evangelisch wurde

    Nachdenklich stimmt das Kapitel, das vom Lebensende des Gyula Bánd, Brotfabrikant aus Budapest, berichtet. Katalin Fischers Urgroßvater mütterlicherseits hatte sich im Jahr 1920, in dem Antisemitismus und Nationalismus auch in Ungarn neue Blüten trieben, eines Abends wie gewohnt in den „Demokratischen Club Budapest“ begeben, um Freunde zu treffen. Just an diesem Abend wurde der Club durch einen Terroranschlag verwüstet. Witzig und skurril zugleich ist die Szene, als der bereits erwähnte Lebemann Desider die Seele seines noch ungeborenen Sohnes beim Pokern an den evangelischen Pfarrer verspielt – ein Gottesmann, schreibt die Autorin, „der eher an einen Viehhändler erinnerte“. Der Pfarrer, so der Deal, darf das Kind evangelisch taufen, falls Desider beim Kartenspiel verliert. So kam es.

    Und wenig später, im Oktober 1919, feiert der junge Vater die Geburt seines dritten Kindes ausgelassen mit seinen Berliner Freunden, seiner Geliebten Mizzi und einer Magnumflasche Champagner.

    Katalin Fischer arbeitet schon an einem zweiten Band

    Das Kind Franz wurde später der Vater der Autorin, die mittlerweile bereits am zweiten Band ihrer Familiengeschichte arbeitet, in dem sie auch aus ihrem eigenen Leben als Tänzerin, Schauspielerin, Regisseurin und Journalistin zwischen Budapest, Paris, Tel Aviv und Dettenschwang erzählen möchte. Der Roman ist ab sofort im Buchhandel erhältlich.

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