Wenn Kirchweihmontag ist, führt kein Weg an Raisting vorbei – zumindest nicht für junge Leute zwischen 16 und 30 Jahre im Oberland und sogar bis Niederbayern. Sie sind begehrt und sie begehren. Was früher für abgeschiedene Dörfer Notwendigkeit war, nämlich die jungen Menschen auf den Höfen zusammenzubringen, damit es zum Beispiel mit der Landwirtschaft weitergeht, ist heutzutage in diesem Sinne nicht mehr erforderlich. Dennoch ist der Betteltanz in
Das Geheimnis um die Ruatnmadl wird erst spät gelüftet
Seit fünf Generationen, also etwa 150 Jahren, gibt es diesen Brauch in Raisting. Bis heute hat sich nicht viel an der Zeremonie geändert. Man nehme zwei Ruatnbuam aus dem Burschenverein, statte den einen mit der etwa 2,5 Meter langen, mit Blumen und Bändern geschmückten Haselnussrute aus. Der andere trägt einen schönen Masskrug, ebenfalls umrankt von Zweigen mit roten Beeren. Sie suchen sich schon lange vor dem großen Ereignis je ein Ruatnmella, wie es im Raistinger Dialekt heißt. Das war schon immer so. Die Aufgabe der Ruatnbuam und -mella besteht darin, um Tänzer und Tänzerinnen zu betteln und Tanzpaare für den Betteltanz zusammenzustellen. Wobei die Ruatnmadln, wie man inzwischen auch sagt, bis zum Festtag geheim bleiben, sie wirken solange im Hintergrund. Und tatsächlich scheint auch heuer im Vorfeld nicht durchgesickert zu sein, wer die beiden sind.
Es wird richtig wild gefeiert
Denn als die Ruatnbuam Beni Andrä und Jo Oberstadler mittags bei den schon versammelten jungen Damen im Gasthaus Drexl auf die Suche nach ihren Begleiterinnen gingen, waren offensichtlich alle gespannt. Es ist eine ausgiebige Suche, die die Ruatnbuam als Stimmungsmacher sichtlich genießen – aber nicht nur sie. Bald stehen ausnahmslos alle schunkelnd und klatschend auf ihren Stühlen. Die Oberhausener Musikanten geben den Takt dazu mit „Fiesta, Fiesta Mexicana“. Dann wieder „Ein Prosit der Gemütlichkeit“, gefolgt von einem Tusch und einem Willi natürlich.
Betteltanz ohne Willi geht gar nicht. Um sie nicht zählen zu müssen, stecken sich die Madln gegenseitig die weißblauen Fähnchen aus den Birnen ins Haar. Zwei Lenas, Bianca und Johanna putzen einiges weg. Dann ist die Suche beendet, die Buam geben die Identität ihrer Madln preis. Die Erwählten sind Franziska Huttner und Kathi Michl, beide 17 Jahre alt. Franziska kennt sich schon aus, sie ist zum zweiten Mal dabei. Da wird sie allerdings von einigen übertrumpft.
Unter den Teilnehmern sind auch Paare, die schon längst zusammen sind
210 Buam und Madln konnten dieses Mal als Paare zusammengeführt werden. „Die hundert wollen wir reißen“, waren sich die beiden Ruatnbuam schon im Vorfeld einig. Am Veranstaltungstag sind sie stolz, dass es geklappt hat. Unter den Paaren gibt es zwar einige, die sich schon vorher gefunden haben. Solange sie jedoch nicht verheiratet sind, ist das kein Problem, sagen die Regeln. „Von den 105 Paaren sind 32 schon verpaart“, hatte Thomas Schröferl vom Burschenverein gezählt, gleich nachdem alle Madln bei der Ankunft im Gasthaus Zur Post ihren dort schon in Spannung wartenden Buam vorgestellt wurden. Es war natürlich die Aufgabe der Ruatnbuam, sie an die entsprechenden Tische zu führen. Sie hatten schließlich schon zuvor überlegt, wer zu wem passen könnte.
Der Ruf der Ruatnbuam erreichte junge Menschen beispielsweise in Andechs, von dort kamen Peter und Andi. Auch dabei waren Sabine aus Eberfing, Lorenz aus Hohenfurch, Stephan aus Bernbeuren – aber auch bis Niederbayern hallte die Einladung erfolgreich. Doch inmitten all dieser Internationalität gab es auch einen Tisch mit eingeschworenen Raistingern. Dort sitzen wieder die beiden Lenas, zusammen mit Anja und Franziska, sie sind bester Stimmung. Die weißblauen Fähnchen in den künstlerisch gewundenen Zöpfen spiegeln sich in den roten Wangen ihrer Begleiter Hannes, Heinz, Hansi und Patrick. Sie sind alle keine Neulinge beim Betteltanz. „Acht Mal, neun Mal?“, hört man siebei der Frage über ihre Teilnahmen überlegen.