Jahreswechsel sind oft mit Veränderungen verbunden. So geschah es auch vor 100 Jahren, als in einer Verordnung vom 16. Dezember 1918 die geistliche Aufsicht über die Schulen zum 1. Januar 1919 aufgehoben wurde. Für den Denklinger Ortschronisten Paul Jörg Anlass, die Schulgeschichte in seiner Heimatgemeinde näher unter die Lupe zu nehmen und auf die Zeit vor der Verordnung zu blicken.
Die Lehrer wollten die Pfarrer schon lange weghaben
Vorausgegangen waren langjährige Forderungen der Lehrerschaft, die Schulaufsicht durch die in der Regel pädagogisch nicht ausgebildeten Pfarrer abzuschaffen und das Lehramt von weltlichen Aufgaben im Kirchendienst zu entbinden. Mit Wirkung vom 1. Januar 1919 war statt dem geistlichen Distriktschulinspektor ein aus dem Lehrerberuf hervorgegangener Schulrat beim Bezirksamt, später dann Landratsamt (Schulamt) zuständig. Der Vorsitz der Ortsschulbehörde ging auf den jeweiligen Bürgermeister oder seinen Stellvertreter über.
Die geistliche Schulaufsicht fußte auf der in Mitteleuropa dominierenden Bildungsrolle der Kirchen. In Bayern war die allgemeine Schulpflicht am 23. Dezember 1802 eingeführt worden. Als Aufseher über die Volksschulen wurden die Pfarrer des Ortes, die bisher schon die Schule geleitet hatten, mit dem Titel Lokal-Schulinspektor aufgestellt. Alle Lehrer waren damit fachlich, aber auch hinsichtlich ihres sittlichen und staatsbürgerlich-politischen Verhaltens der Kontrolle der Geistlichkeit unterstellt.
Der Stundenplan richtete sich nach der Arbeit in der Landwirtschaft
Schulpflichtig waren alle Kinder vom sechsten bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. Da in der Viehaustrieb- und Erntezeit eine hohe Abwesenheitszahl der Schüler zu verzeichnen war, die man auf den überwiegend bäuerlichen Anwesen als Viehhüter und Erntehelfer brauchte, teilte man nach 1810 das Schuljahr in eine längere Winterschule von Oktober bis Anfang Mai und daran anschließend die Sommerschule bis Ende Juli auf. Der Unterricht gliederte sich in die Grundfächer Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen sowie ein bis zwei Stunden Musikunterricht, damit die Schüler als Chöre bei Feierlichkeiten eingesetzt werden konnten.
Mit der Zeit mehrte sich der Lehrstoff, der vor Ort individuell ergänzt werden konnte. So wurden im Jahre 1831 an der Denklinger Schule in Absprache des Lehrers mit dem Pfarrer die Fächer Religion, Lesen, Schreiben, Sprachlehre, Schönschreiben, Kopfrechnen, Tafelrechnen, schriftlicher Aufsatz, vaterländische Geschichte, Geografie, Naturlehre, Gesang, weibliche Handarbeiten und Obstbaukunde – anschaulich im gemeindlichen Obstbaumgarten – gelehrt. Die Zahl der Kinder, die in Denklingen die Schule besuchten, ist erst seit dem Schuljahr 1882/83 nachzuweisen. Demnach waren 70 Buben und 71 Mädchen aus Denklingen und Dienhausen in der Werktagschule.
Zur Schule gehörten auch Wiesen und Felder
Neben dem Unterrichthalten hatte die Lehrer auch den Mesner- und Organistendienst zu übernehmen, was sehr zeitaufwendig war. So musste zum Beispiel der Denklinger Lehrer in der Zeit der Heuernte bereits um 3 Uhr zur Kirche hinauf zum Tagläuten. Außerdem wurden Lehrer gerne als Gemeinde- und Kirchenstiftungsschreiber herangezogen. Auch hatte ein Lehrer das zur Schule gehörige Land zu bestellen, das ihm hälftig zur Verbesserung seiner sozialen Lage zugeschrieben wurde. So hatte im Jahr 1919 der Denklinger Lehrer einen Anteil von 26,28 Tagwerk landwirtschaftlich nutzbare Grundfläche zu bewirtschaften, die normalerweise zur bescheidenen Ernährung einer Familie genügt hätte. Mit der Einführung der Ganzjahresschule im Jahr 1810 konnte er sich aber um diese Flächen nicht mehr so kümmern, wie es notwendig gewesen wäre. Diese warfen deshalb wenig ab, und zur Einstellung eines Knechtes waren die Verhältnisse doch zu bescheiden. Einkommen aus dem Waldbesitz, dem Mesnerdienst und den Zinserträgen aus der Freischulstiftung sicherten der Lehrerfamilie den Lebensunterhalt.
Die Eltern mussten Schulgeld bezahlen
Um eine einheitliche Bezahlung der Lehrer sicherzustellen, wurde 1804 das Salär für Stadt- und Marktlehrer auf 400 Gulden, für Dorfschullehrer auf 300 Gulden festgelegt. Finanzschwache Gemeinden konnten diesen Betrag aber nur schwerlich aufbringen. Die Lehrkräfte dieser Gemeinden mussten Zuschussanträge an die Schulbehörde richten, damit sie ihr Auskommen hatten. Den Denklinger Lehrer betraf dies sicherlich nicht, Denklingen zählte im Jahr 1902 zu den drei ertragsreichsten Schulstellen in Schwaben. Um den Schulbetrieb zu finanzieren, wurden als Schulgeld in Denklingen für jeden Werktagschüler monatlich vier Kreuzer und für jeden Sonn- und Feiertagsagschüler zwei Kreuzer erhoben.