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Apostel kommen ins Stickstoffzelt

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Apostel kommen ins Stickstoffzelt

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    Die zwölf Apostel stehen gerade in der Vorhalle des Marienmünsters und warten dort darauf, von den Holz fressenden Käfern erlöst zu werden, die drei Herren im Vordergrund sind Kirchenpfleger Heinrich Sattler, Pfarrer Manfred Mayr und Alfons Lenz vom Staatlichen Bauamt in Weilheim (von links). Fotos: Gerald Modlinger
    Die zwölf Apostel stehen gerade in der Vorhalle des Marienmünsters und warten dort darauf, von den Holz fressenden Käfern erlöst zu werden, die drei Herren im Vordergrund sind Kirchenpfleger Heinrich Sattler, Pfarrer Manfred Mayr und Alfons Lenz vom Staatlichen Bauamt in Weilheim (von links). Fotos: Gerald Modlinger

    Was in einer Rokokokirche wie dem Marienmünster auf den ersten Blick wie Gold oder Marmor aussieht, ist zumeist eine optische Täuschung. Darauf haben sich die damaligen Schreiner und Schnitzer, Marmorierer und Fassmaler aufs Beste verstanden. Doch an ihrer Rückseite erkennt man schnell, dass die Apostel und Kirchenväter keineswegs aus weißem Marmor geschlagen, sondern aus Lindenholz geschnitzt sind. Auch die Altäre wurden nicht aus kostbarem rotem Marmor errichtet. Sie sind vielmehr Holzkonstruktionen mit Marmoroptik. Holz spielt also eine wichtigere Rolle bei den Ausstattungsgegenständen des Marienmünsters als es auf den ersten Blick scheint.

    Entsprechend kostspielig ist die Bekämpfung der Käfer, die sich vor allem in den Weichhölzern eingenistet haben. Rund 340 000 Euro, so Alfons Lenz vom Staatlichen Bauamt, kostet die Schädlingsbekämpfung. Der Freistaat - er trägt die Baulast für das Gebäude und alle damit fest verbundenen Teile - kommt dieses Mal im Gegensatz zu früheren Sanierungen recht günstig weg. 85 Prozent der Kosten entfallen auf die Kirchenstiftung, der der Unterhalt des beweglichen Inventars obliegt. Für den denkmalschützerischen Mehraufwand erhält die Kirche aber wiederum einen Zuschuss von etwa 100 000 Euro aus der Staatskasse.

    Seit der Schließung des Marienmünsters Anfang Juni sind erst einmal die beweglichen Holzkunstwerke abgebaut worden. Sie werden gruppenweise in gasdichte Zelte gestellt, denen der Sauerstoff entzogen wird. In einer fast reinen Stickstoffatmosphäre ersticken die Insekten. Nach acht Wochen, so die Erwartung des verantwortlichen Fachbauleiters Rainer Sgoff, sollen alle Tiere abgestorben sein. Die Stickstoffbehandlung soll Anfang August beginnen. Dass dies ausgerechnet in der Zeit geschieht, in der die Kirche von Touristen und Ausflüglern besucht wird, ist laut Sgoff unvermeidbar. Die Atmosphäre in den Zelten müsse idealerweise eine Temperatur von 17 bis 20 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 65 Prozent aufweisen. Solche klimatischen Verhältnisse herrschen üblicherweise nur in der zweiten Sommerhälfte. Wenn sich kein Käfer mehr rührt - voraussichtlich im Oktober - werden Apostel und Kirchenväter wieder ihre Plätze einnehmen, auf denen sie seit mehr als 250 Jahren stehen.

    Was sich nicht in die Zelte stellen lässt - Stiegen, Fußböden oder Kniebänke - wird mit wässriger Borsalz-Lösung bepinselt, die die Anobien abtötet.

    Begleitend sind auch konservatorische Arbeiten an den von Schädlingen befallenen Kunstgegenständen vorgesehen. Beim Abstauben wird es nicht in allen Fällen bleiben. Teilweise war der Insektenfraß so stark, dass Figuren und Mobiliar verleimt oder ergänzt werden müssen. So haben einige Apostel gebrochene Zehen, von der heiligen Monika sind kinderhandgroße Holzteile ausgebrochen, die die Käfer zerfressen hatten. Auch im Holzboden der Sakristei haben sich die Anobien eingenistet. Dieses Käferbiotop wird komplett beseitigt: Beim Ausbau der Dielen kamen Fragmente eines historischen Natursteinbelags ans Licht, der aufbereitet und neu eingebaut wird.

    Mit der Käferbekämpfung kommt ein Paket an Sanierungsmaßnahmen zum Abschluss, das das Staatliche Bauamt seit 2002 beschäftigt hatte. Nach einem Hagelschlag musste die Verglasung der nördlichen Fenster teilweise erneuert werden, danach bekam die nördliche Dachseite eine neue Eindeckung, anschließend die Schaufassade im Westen einen neuen Anstrich, bevor das Hauptportal restauriert und die Brandmeldeanlage erneuert wurde. Insgesamt kostete dies alles rund 1,2 Millionen Euro, wovon auf den Staat etwa zwei Drittel und auf die Kirche ein Drittel entfielen.

    Freilich, fertig wird man in einer der schönsten Kirchen Südbayerns nie, stöhnt Pfarrer Manfred Mayr unter der Baulast. "Wir schleppen als Kirche 2000 Jahre mit uns", sagt der Geistliche, und nennt zwei beispielhafte Aufgaben: So würden jetzt zwar auch die hölzernen Schreine der Ortsheiligen Mechtild und Rathard insektenfrei gemacht, aber eigentlich müssten auch die barocken Textilien, die die Gebeine umhüllen, restauriert werden. Oder die Altarfassungen, die der Pfarrer schon länger im Auge hat. Durch den im 19. Jahrhundert auf die Marmorierung angebrachten Schellack vergilben die ursprünglich roten Altaraufbauten immer mehr und bekommen einen Braunton. Aber auch die Entfernung des Schellacks sei auf absehbare Zeit nicht finanzierbar.

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