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Ammersee: Der vom Brachvogel spricht

Ammersee

Der vom Brachvogel spricht

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    Christian Niederbichler führte zahlreiche Exkursionen durch.
    Christian Niederbichler führte zahlreiche Exkursionen durch. Foto: Stephanie Millonig (Archivfoto)

    Jetzt im Herbst, wenn die letzten Segelboote aus dem See gehoben und nur noch vereinzelt Wassersportler unterwegs sind, gehört der See wieder den Tieren, vor allem den zigtausend Wintergästen, die ihre raue skandinavische oder russische Heimat verlassen haben, um hier Schutz zu suchen. Schellente, Reiherente und andere Arten finden sich alljährlich hier ein und lassen die Zahl der Wasservögel auf bis zu 15000 anschwellen. Der Ammersee ist darum seit 1971 ein Vogelschutzgebiet nach dem internationalen Ramsarabkommen. Und seit 20 Jahren gibt es einen speziellen Betreuer: Christian Niederbichler. Der 51-jährige Diplom-Geograf war der erste mit dieser Funktion, mittlerweile gibt es bayernweit 42 Kollegen in 37 wertvollen Naturlandschaften.

    Am Anfang stand also das Ramsargebiet: Die Entwicklung der bedeutsamen Lebensräume muss beobachtet und protokolliert werden, es besteht eine Berichtspflicht, wie der Vorsitzende der Starnberger Kreisgruppe des Landesbundes für Vogelschutz (LBV), Horst Guckelsberger, erzählt. Die ehrenamtlichen Naturschützer wussten, dass es hierfür eine professionelle Betreuung braucht, sie beantragten ein Pilotprojekt und bekamen Unterstützung vom damaligen Umweltminister Dr. Thomas Goppel. Träger der befristeten Stelle wurde der

    Der ideale Mann

    In Christian Niederbichler wurde der ideale Mann gefunden: Aufgewachsen in Oberpfaffenhofen, führten schon den Jugendlichen Radeltouren an den Ammersee. Mit 15 oder 16 Jahren half er am Ammersee-Binnensee den Kies von Weiden zu befreien, um Kiesbankbrütern wieder Möglichkeiten zu geben. Clemens Krafft von der Schutzgemeinschaft Ammersee unterstützte er, dort Flussseeschwalben zu bewachen.

    Die Ornithologie interessierte ihn von Kindheit an, bei Besuchen bei der Verwandtschaft im Chiemgau lernte er eine ähnliche Moorlandschaft kennen und registrierte, dass sie dort ursprünglicher war als im Raum München. Kritische Fernsehbeiträge wie „Grün kaputt“ von Dieter Wieland sensibilisierten ihn weiter für das Thema Naturschutz. Seinen Zivildienst 1986 verbrachte Niederbichler am Ammersee-Südende –„auf einem alten Eicher bei der Streuwiesenpflege“. Er studierte angewandte physische Geografie und arbeitete während des Studiums beim Landesamt für Umwelt als botanischer Kartierer.

    „Da kommt ein toller Geobotaniker“, wussten laut Guckelsberger so auch die Naturschützer über den Gebietsbetreuer, der im Herbst 1997 an den See kam und mittlerweile sein Büro in der Alten Brauerei in Stegen hat. Gesucht war ein „ehrlicher Makler zwischen Bevölkerung, Naturschutz und Nutzern sowie Behörden“. Immer umgänglich im Ton, aber konsequent in der Sache, entspricht Niederbichlers Naturell dieser Aufgabe.

    67 Exkursionen durchgeführt

    Die Öffentlichkeit erlebt freilich eher die pädagogische Seite des 51-Jährigen. Niederbichler in grasgrüner Jacke, mit ausgestopftem Brachvogel oder Bekassine in der Hand dürfte wohl das am häufigsten im Zeitungsarchiv zu findende Fotomotiv sein. 67 Exkursionen mit 750 Teilnehmern haben Niederbichler und Franz Wimmer, der ebenfalls als Gebietsbetreuer hier und am Starnberger See wirkt, beispielsweise 2016 durchgeführt. Und dabei erzählen sie von Biber, Bekassine und Brachvogel. Letzterer ist vom Aussterben bedroht. Im Ampermoos gelang es, einigen Brutpaaren einen Lebensraum zu schaffen, in dem über Vertragsprogramme Landwirte wieder die Pflege von sogenannten Streuwiesen übernommen haben. „Die Wiederaufnahme der Pflegemaßnahmen im

    Beispielsweise sei im Inniger Bach eine Vogelazurjungfer festgestellt worden, „eine hochgefährdete Art“. Es sei wichtig, zu wissen, welche seltenen Pflanzen oder Tiere es hier gibt, um entsprechende Maßnahmen in die Wege leiten zu können. Konflikte mit Freizeitsportlern oder Erholungssuchenden erlebt er kaum, da er kein Naturschutzwächter ist.

    Der Freizeitdruck nimmt zu

    Freilich nehme der Freizeitdruck zu und Niederbichler geht davon aus, dass ein hauptamtlicher Naturschutzwächter nötig sein wird. „Bei der letzten Exkursion ist wieder ein Boot in den gesperrten Bereich am Südende gefahren. Da gingen dann 700 Wasservögel in die Luft.“ Wer im Naturschutz tätig ist, ist mit Herzblut dabei. Wie geht man damit um, täglich mit dem Verschwinden von Arten und Naturräumen konfrontiert zu sein? Niederbichler kennt die Gefahr der Resignation. „Aber was ist die Alternative? Aufgeben?“

    Gerade zum Fleiß kämpft er weiter und entspannt sich beim Laufen. Und es gebe die magischen Momente, ganz alleine draußen zu sein und auf dem Moränenhügel stehend das Ampermoos im Nebel liegend vor sich zu sehen oder am Boden liegend den Wind durch die Seggengräser fächeln hören.

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