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Zum Kreischen: Die Ausstellung „Eccentric“ in der Pinakothek der Moderne.

Pinakothek der Moderne

Ausstellung „Eccentric“: Hier steppt der Bär

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    Zum Kreischen - und zum Grübeln ebenso: Die Aussstellung „Eccentric“ in der Pinakothek der Moderne in München.
    Zum Kreischen - und zum Grübeln ebenso: Die Aussstellung „Eccentric“ in der Pinakothek der Moderne in München. Foto: Haydar Koyupinar

    Walt Disneys Schneewittchen-Zwerge sehen ziemlich ramponiert aus. Einer deutet mit unschuldigem Augenaufschlag auch noch auf einen abgefallenen Riesenpenis vor seinen Füßen. Daneben – endlich passt der arg strapazierte Satz – steppt der Bär. Mehrere sogar. Und von der Decke baumelt ein Krokodil. Doch dieser bizarre Mix ist erst der Anfang. In der Pinakothek der Moderne in München öffnet sich eine Wunderkammer der besonderen Art und macht klar: Hier ist nichts durchschnittlich, auch nicht brav oder fad.

    „Eccentric“ lautet der Titel, exzentrisch, also außerhalb des Zentrums. Wie ein Himmelskörper, der die übliche Umlaufbahn verlassen hat. In der Kunst ist das ein ausgedehnter gemeinsamer Nenner. Wenn man erst einmal zu grübeln anfängt, wird die Liste an extravaganten Vertreterinnen und Vertretern immer länger. Von Lola Montez oder Oscar Wilde bis zu Salvador Dalí und Frida Kahlo, Vivienne Westwood oder Michael Jackson. Man sollte sich allerdings nicht auf Äußerlichkeiten fixieren. Mit einer konventionellen Aufmachung kann man sich fast noch mehr trauen. Das demonstriert Pipilotti Rists Spaziergängerin im hellblauen Sommerkleidchen. Beschwingt geht sie im immer wieder erfrischenden Video „Ever is Over All“ durch die Straße und drischt mit einer Metallblume auf eine Autoscheibe nach der anderen.

    Vielgestaltig sind die Masken des Exzentrischen

    Oder nehmen wir Gilbert und George. In ihren Tweed-Anzügen, Hemd und Krawatte scheinen sie wie aus einer britischen Amtsstube der Thatcher-Ära geschlichen. Man muss ihre ausladenden Tableaus schon eine Weile studieren, um zwischen den Porträts der Künstler harte Straßenszenen oder Ornamente voller Geschlechtsorgane und Kothaufen wahrzunehmen.

    Meistens sind Kunst und Leben nicht zu trennen. Es gibt aber auch Vertreter, die ganz unscheinbar wirken und am liebsten unter ihren Masken abtauchen. Vielleicht ist das ja eine besonders ausgebuffte Variante des Exzentrischen, doch Cindy Sherman etwa pflegt bis heute die Schüchternheit eines kleinen Mädchens. Dabei führen die Rollen, in denen sie sich selbst inszeniert, ein grandioses Gruselkabinett vor Augen. Von der zigfach schönheitsoperierten Gesichtstristesse bis zu beängstigend grotesken Körperdeformationen. Aber wie beim scharfsinnigen Beobachter James Ensor, mit dessen „Stillleben im Atelier“ von 1889 die Schau beginnt, sind auch bei Cindy Sherman Masken ein Mittel der gezielten Demaskierung. Und gefährlich wie manche ihrer minutiösen Kompositionen - Shermans Clowns möchte man nicht im Dunkeln begegnen - sind Exzentriker ganz und gar nicht.

    Exzentrische Menschen sind meistens gut drauf

    Wahre Exzentriker sind überwiegend tolerant und meistens gut drauf. Das fand der amerikanisch-schottische Neuropsychologe David Joseph Weeks in einer umfassenden Studie heraus. Ansonsten hat sich die Psychologie nie sonderlich für exzentrische Persönlichkeiten interessiert. Deshalb war es für die Kuratoren Eva Karcher und Bernhart Schwenk nicht einfach, sich dem Phänomen auch von der verhaltenswissenschaftlichen Seite zu nähern. Der Grund: Exzentrische Menschen leiden nicht. Schon weil sie gar nicht erst versuchten, ihr Anderssein zu verbergen oder sich dem öffentlichen Druck zu beugen, wie Schwenk erklärt.

    Genau das aber provoziert. Jonathan Meese, der mit einem seiner ironischen „Chef“-Bilder vertreten ist, schert sich – bei allem „Schiss vor der Realität da draußen“ – um nichts. In fantasievoll-festlicher Montur lächeln sich Eva und Adele, die selbst ernannten „Hermaphroditzwillinge aus der Zukunft“, durch sämtliche Kunstevents. In Berlin müssen die beiden sehr wohl überlegen, in welchem Stadtteil sie ausgehen können. Da darf man den mehr oder weniger geschützten Raum der Kultur nicht mit der freien Wildbahn gleichsetzen. Das ist bitter, und es wird in diesen Zeiten nicht besser. Dabei hat die Gesellschaft immer schon von Exzentrikern gelernt und profitiert. Sie beweisen, wie mutig man sein kann, wie offen, vorurteilslos, welchen Stellenwert die Freiheit hat. Und dann ist da noch die Kreativität, nicht nur in der Kunst oder in der Musik, sondern auch in der Wissenschaft.

    Dieses Anderssein wird in der Pinakothek der Moderne zum inspirierenden Parcours. 100 Arbeiten von rund 50 Künstlerinnen und Künstlern öffnen überhaupt ein weites Feld. Es kommt nicht oft vor, dass man in einer Ausstellung so ausgelassen und raffiniert zugleich unterhalten wird, sich kaum sattsehen kann an all den schrillen, witzigen und klugen Einfällen, manchmal vor Verblüffung kreischen will und doch ständig ins Grübeln gerät.

    Info: „Eccentric. Ästhetik der Freiheit“ - Bis 27. April 2025 in der Pinakothek der Moderne in München, Di bis So 10 bis 18, Do bis 20 Uhr.

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