Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

Wolfgang Haffner: Ein neuer Beat für die Ingolstädter Jazztage

Jazz

Ein Regisseur an den Drums: Wolfgang Haffner leitet die Ingolstädter Jazztage

    • |
    • |
    In seinem Element: Wolfgang Haffner am Drumset.
    In seinem Element: Wolfgang Haffner am Drumset. Foto: Antje Wiech

    Wird es womöglich immer besser? „Kann man so nicht sagen. Das würde all die Dinge abwerten, die ich früher gemacht habe und auf die ich auch irgendwie stolz bin. Aber die sind halt vorbei, manches davon muss ich heute auch nicht mehr haben.“ Also Zeit nehmen für Neues, leichtes Gepäck und nach vorne blicken. Wolfgang Haffner klingt wie ein Entdecker, der sich fast kindlich auf das Unbekannte freut, der aber auch die Gefahren und Fallstricke im Dschungel des Musikbusiness nach fast vier Jahrzehnten so gut kennt wie kaum ein anderer.

    Wolfgang Haffner ist ein Regisseur und Taktgeber

    „Ich denke immer wieder darüber nach, wie ich mich als Schlagzeug spielender Bandleader so positionieren kann, dass das Instrument eine tragende Funktion einnimmt, aber auf keinen Fall als Zurschaustellung von Virtuosität“, sagt Deutschlands derzeit gefragtester Drummer quer durch alle Genres. Will heißen: Bandleader ja, aber niemals ein Ego-Shooter, der sich mit zehnminütigen gewitterartigen Soli wie der leibhaftige Trump-sei-bei-uns produziert. Eher der Regisseur, ein Taktgeber, der alle Fäden in der Hand hält.

    Dazu gehört auch das Komponieren. Für sein gerade erschienenes Album „Life Rhythm“ (ACT/edel) tut Haffner, der in Altdorf bei Nürnberg lebt, dies nicht mehr wie früher am Klavier sondern – am Schlagzeug. Wie das funktioniert? „Ich beginne irgendeinen einen Beat zu spielen. Da entsteht ein hypnotischer Groove, bei dem die Trommeln die Time angeben. Das fließt einfach so raus. Dann nehme ich es auf, loope es und lasse es stundenlang laufen, manchmal auch beim Kochen. An einem dieser Tage ist mir die Melodie zum Titelsong eingefallen. Dabei hatte ich Phil Collins und sein ‚Take Me Home‘ im Hinterkopf“.

    Phil Collins zählt zu Wolfgang Haffners Idolen

    Gerade das Mastermind von Genesis verstand es zu aktiven Schlagzeug-Zeiten meisterhaft, Drum-Parts zu elementaren Teilen des Songwritings zu erheben; mit ein Grund, warum Collins zu Haffners größten Idolen zählt. Auch jedes weitere der elf liedhaften Stücke gewährt tiefe Einblicke in seine Philosophie des Schlagzeugspiels. Mal mit reduzierten Besen wie auf „Balance“, mal poppig bei „Joy Of Life“, mit Becken-Takten, Elektronik und Percussion auf „Eternity“ oder minimalistisch bis kurz vor der Unhörbarkeit in „Silence and Sound“.

    Ein Back-To-The-Roots-Erlebnis, das im völligen Gegensatz zu den bekannten Muskelspielen dominanter Schlagzeuger steht. Ausgangspunkt dafür war wieder eine neue Erfahrung, nämlich Wolfgang Haffners allererstes Solokonzert auf Schloss Elmau 2022. „Eine Wahnsinns-Herausforderung für mich, bei der ich auch vor der Entscheidung stand: Spiele ich jetzt eine Stunde Schlagzeugsolo? Natürlich nicht! Also habe ich habe eine Menge melodisch klingender Perkussionsinstrumente eingebaut, Passagen live geloopt, mit Echos und Delays gearbeitet, im Grunde wie im Studio, nur eben auf der Bühne.“

    Haffner arbeitete mit Till Brönner, Hildegard Knef, Chaka Khan

    Das Schlagzeug in kleinste Mikrokomponenten aufdröseln, all seinen geheimen, brachliegenden Verstecken behutsam nachspüren, um sie dann wieder zu einem stimmigen Stück Musik zusammenzufügen: Gibt es für einen, der eine fast schon organische Symbiose mit seinem Instrument bildet, etwas Aufregenderes, Schöneres?

    Wahrscheinlich rührt seine breitgefächerte Vita genau daher. Nicht umsonst sicherte sich eine ganze Heerschar stilbildender Legenden wie Al Jarreau, Chaka Khan, Pat Metheny, Jan Garbarek, Albert Mangelsdorff, Till Brönner, Cassandra Wilson, Hildegard Knef, Konstantin Wecker, Die Fantastischen Vier, Wolfgang Niedecken, die No Angels, Katja Epstein oder Willy Michl sein emphatisches Drumming für ihre Projekte und beeinflusste damit indirekt auch Haffners Art, zu komponieren. 2024 ist er der Boss. Und gibt die Richtung vor.

    „Alles ist Rhythmus“, sagt Wolfgang Haffner

    „Dabei wollte ich unbedingt das Wort ‚Rhythmus‘ im Titel haben“, erläutert Haffner. „Alles ist Rhythmus, und ohne Rhythmus geht nichts mehr.“ Sein Lebensrhythmus, wenige Wochen vor seinem 59. Geburtstag im Dezember. Gerade im Angesicht der zurückliegenden Pandemie hatte er auch Zeit, über vieles nachzudenken. Corona als Zäsur, ausnahmsweise in positiver Hinsicht? „Durchaus.“ Wolfgang hörte mit dem Rauchen auf – was angesichts eines 2014 erlittenen Herzinfarktes wohl eine sehr gute Entscheidung war – und begann seine Heimat noch tiefer als zuvor in sein Herz zuschließen. „Ich bin gerne zu Hause. Bei meinen Kumpels bin ich nur der Wolfi. Einer von denen ist Architekt, der andere Schlosser und ich bin eben Musiker. Jeder freut sich für den anderen, da gibt es keinen Neid. Das und vor allem meine Familie ist mein Zuhause, mein Glück!“

    Mittlerweile sagt Wolfgang Haffner wesentlich mehr Sachen ab als zu. Aber zu „rödeln“ (fränkisch für „tun“) gibt es für ihn immer noch eine ganze Menge. Die große „Silent-World-Tour“ hat er abgehakt, ebenso wie die Aufnahmen und Konzerte mit der Allstar-Band Four Wheel Drive. Mit Spezi Bill Evans war er in Brasilien, mit der eigenen Band in Asien. Neben seiner langjährigen Tätigkeit als Programmmacher des Nürnberger Open-Airs „Stars im Luitpoldhain“ hat er sich in diesem Jahr noch die Aufgabe als künstlerischer Leiter der gut 70 Kilometer entfernt liegenden Ingolstädter Jazztage aufgehalst.

    Er ist der neue Leiter der Ingolstädter Jazztage

    Bei „seinem“ neuen Festival, dessen 41. Auflage am 31. Oktober mit einem „Grand Opening“-Konzert steigt (Special Guest dabei: Wolfgang Haffner), will der vielseitig Begabte und Interessierte auf Bewährtes zurückgreifen, aber auch Neues zulassen. Sein persönliches Erfolgsrezept, nicht nur im Schlagzeugspiel, in diesem speziellen Mischverhältnis fast schon ein Alleinstellungsmerkmal. „Ich habe nie verstanden, dass Musiker einfach für sich selber spielen können, ohne sich an den Bedürfnissen der Leute zu orientieren. Wenn mich keiner hören wollen würde, dann könnte ich das alles gar nicht machen. Deswegen will ich mein Publikum mitnehmen. Das war schon immer so.“ Auf seinen Abenteuern. In einem gemeinsamen Lebensrhythmus.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden