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Wie empfindet die migrantische Bevölkerung die AfD-Erfolge? Yasar Aydin im Interview.

Interview

Migrationsforscher Yasar Aydin: „Man spürt, dass der Wind sich dreht“

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    Teilnehmer einer Demonstration der AfD gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Düsseldorf im März dieses Jahres.
    Teilnehmer einer Demonstration der AfD gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Düsseldorf im März dieses Jahres. Foto: Henning Kaiser, dpa

    Herr Aydin, die AfD ist in Teilen als rechtsextrem und faschistisch eingestuft. In zwei Bundesländern haben die Wählerinnen und Wähler sie zur stärksten politischen Kraft gemacht. Wie nehmen Einwanderer die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen wahr, befürchten sie eine Verschlechterung ihrer Sicherheit, haben sie Angst?
    YASAR AYDIN: Es wird ganz unterschiedlich aufgenommen. Nach meinen Beobachtungen teilen sich die Einwanderer-Communities bei dem Thema in drei Gruppen. Die einen fragen sich, ob sie jetzt ihre Koffer packen müssen. Andere, ich nenne sie „die Gelassenen“, haben Verständnis und können sich vorstellen, selbst einmal die AfD zu wählen. Die dritte Gruppe spürt, dass der Wind sich dreht. Sie schauen besorgt auf die Wahlergebnisse.

    Wie sehr regiert die Angst vor physischer Gewalt?
    AYDIN: Viele befürchten, dass sich das Wählerumfeld der AfD zu Übergriffen ermuntert fühlt. Sprüche, die vorher zum Beispiel am Arbeitsplatz noch nicht sagbar waren, könnten enttabuisiert werden. Nach dem Motto: Jetzt endlich dürfen wir. Es könnte also einen verbalen Dammbruch geben. Ob daraus eine Gewaltspirale entsteht, ist nicht seriös vorherzusagen. Die Anschläge in Solingen und Mölln in den 90er Jahren und die Mordserie des NSU sind in den Erinnerungen präsent. Dennoch - ich vertraue der Resilienz unserer Demokratie.

    Manche Politiker erklären, die beiden Bundesländer stünden nicht für die politische Stimmung insgesamt. Thüringen habe ja nur 300.000 Einwohner mehr als Hamburg. Ist das eine zulässige Analyse oder schon eine Relativierung?
    AYDIN: Den politischen Entscheidungsträgern fehlt eindeutig ein Konzept, mit diesen Bewegungen umzugehen. Und das ist nicht nur in Deutschland so, das sehen wir ja in allen europäischen Ländern. Das kann gefährlich werden, weil sich die Menschen von der liberalen Demokratie entfernen, ihr nicht mehr trauen.

    Inwiefern?
    AYDIN: Die liberalen Demokratien in Europa zeichnen sich durch ihre verfassungsrechtlich verankerte Gewaltenteilung, Bürgerrechte, Freiheitsrechte, vor allem aber durch die ermöglichte politische Partizipation aus. Wenn die Menschen diese Demokratie nicht mehr als die beste Regierungsform wahrnehmen und anfangen, von rechts oder links gegen sie zu arbeiten, haben wir ein echtes Problem.

    Wir diskutieren den Autoritarismus in China, Russland oder der Türkei. Sollten wir vor unserer eigenen Haustüre kehren?
    AYDIN: Auch in Deutschland ist es möglich, dass es zu mehr Autoritarismus kommt. Ich habe zum Beispiel immer die Ansage von Angela Merkel kritisiert, etwas sei „alternativlos“. Das trägt schon autoritäre Züge, weil damit jede politische Debatte abgewürgt wurde. Eine Form der Entdemokratisierung.

    Um noch einmal auf das primäre Ziel der Rechten, die Einwanderung, zurück zu kommen: Verdichtet sich nach diesen Wahlen und den Gedankenspielen von der „Remigration“ die Bedrohung?
    AYDIN: Migration weckt immer Ängste – sei es, weil sie kulturelle Konflikte mit sich bringt oder die Mehrheitsverhältnisse verschiebt. Die großen Demonstrationen gegen die rechten Potsdamer Pläne waren gut, aber im Osten gab es sie kaum. Ich denke, die Demokratie steht vor einer Zerreißprobe. Demokratien sind erfolgreich, solange es Wohlstand und Wachstum gibt, und die Strukturen und Gesellschaften homogen sind. Die kulturelle Vielfalt in unserer Gesellschaft fördert Wachstum, Kreativität und Offenheit, gleichzeitig begünstigt sie Identitätskämpfe. Jetzt gibt es vor allem für die Menschen im Osten ein Verteilungsproblem, und dafür machen sie die Einwanderung verantwortlich.

    Erwarten Sie eine Abwanderung aus Deutschland?
    AYDIN: Thüringen ist wirtschaftlich stark, es gibt Investitionen, neue Unternehmen. Ich erwarte keinen Exodus. Aber wenn die AfD ihren Einfluss ausbauen kann, wird das Investoren und qualifizierte Manager aus dem In- oder Ausland abschrecken. Ich hätte mich zum Beispiel auf einen guten Arbeitsplatz in Gera bewerben können. Aber nicht nur ich habe darauf verzichtet, auch Kollegen ohne Migrationshintergrund hatten keine Lust, in einem derart polarisierten Umfeld zu leben.

    Steht als Antwort auch eine Radikalisierung von Einwanderergruppen im Raum?
    AYDIN: Einwanderer können denken, die wollen uns nicht, und ultranationalistische Demagogen sowie religiöse Fundamentalisten können daraus Kapital schlagen. Die Konfliktlinien würden sich verschärfen. Aber ich habe Vertrauen in unsere Demokratie. Sie ist stark, wir haben den linken Terror der 70er Jahre erlebt, den rechten des NSU und ab 2014 auch den Dschihadismus des IS. Ich denke, wir sind kampferprobt.

    Was sollte man aus ihrer Sicht jetzt tun, um die rechte Welle zu brechen?
    AYDIN: Wir müssen die Lebensgrundlagen verbessern. Es kann ja nicht sein, dass frühere Angestellte wegen einer zu kleinen Rente Flaschen sammeln. Wie soll man mit diesem Bild vor Augen Jugendliche motivieren, Leistung zu zeigen? Zur Migration: Flüchtlinge und Einwanderer brauchen Perspektiven, gute Ausbildungen, sozialen Aufstieg. Und wir müssen ihnen helfen, sich in einer Demokratie zurechtzufinden. Das ist kein Selbstläufer. Das lernt man nicht von heute auf morgen, wenn man zum Beispiel aus Afghanistan kommt. Wir haben eben keine homogene Gesellschaft mehr, und sie wird auch nicht wieder kommen. Und je eher die Politik das versteht, desto eher wird sie einen Plan vorlegen können, der diesen Veränderungen gerecht wird. Das sehe ich jedoch noch nicht.

    Yasar Aydin
    Yasar Aydin Foto: SWP

    Zur Person

    Yasar Aydin, 53, ist Sozialwissenschaftler und Autor. Er lebt in Hamburg und arbeitet für die Forschungsgruppe Türkei/CATS der Stiftung Wissenschaft und Politik, die die Bundesregierung in Türkei- und außenpolitischen Fragen berät.

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    2 Kommentare
    Peter Zimmermann

    <"Jetzt gibt es vor allem für die Menschen im Osten ein Verteilungsproblem, und dafür machen sie die Einwanderung verantwortlich.">. Das Verteilungsproblem besteht eher von oben nach unten statt von Innen nach außen.

    Marianne Böhm

    Was Herr Aydin sagt ist ja zu Teil richtig.. dass Ausländer bei uns seit den 70ider Jahren kampferprobt sind, hört sich schlimm an.. Diese Zeit war eine ganz andere als wie heute.. Mit dem Arbeitsmigranten ist viel unbekanntes auf uns deutsche Bevölkerung zugekommen. Das Aussehen alleine hat uns viel Angst gemacht, die laute Sprache hat sich angehört also ob sie sich streiten würden. Mich wundert dass man alles nur von den Flüchtenden aus sieht, oder wertet, die zu uns kommen. Wir Deutschen werden nie gefragt: " Wie es geht es denn euch dabei.. was wollt, meint ihr denn.. " Wir haben Pflichten den Flüchtenden gegenüber aber keine Rechte. Wir müssen Verständnis, Solidarität haben, aber uns selbst dabei völlig rausnehmen. Wir sind Rassistisch wenn wir hinschauen, wenn nicht sind wir es auch.. Es kommt mir so vor als müssten wir die Schuld unserer Vorfahren an der Welt abarbeiten.. Rassismus , Antisemitismus jeder meint wir sind ihm was Schuldig. Ist nicht meine Meinung..

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