Guten Tag Herr Meine, die Scorpions feiern 2025 ihr großes Bandjubiläum. Am 5. Juli spielen Sie ein Stadionkonzert in Ihrer Heimatstadt Hannover. Wie laufen die Vorbereitungen?
KLAUS MEINE: Das läuft richtig gut. Die Ticketverkäufe waren sofort sensationell. Wir starten aktuell durch mit den Vorbereitungen und arbeiten am Programm und den Gästen. Auch die Veranstalter sind mit viel Leidenschaft dabei. Das macht Spaß. Wir werden alles tun, dass wir unseren 60. Geburtstag gebührend feiern.
Wer kommt denn alles an Gästen, einige sind ja schon bekannt?
MEINE: Es werden Musiker dabei sein, die mit uns in den 70er Jahren gespielt haben wie Uli Jon Roth zum Beispiel. Unsere liebe Freundin Doro (Pesch) wird am Start sein, Judas Priest, Alice Cooper … und noch viel mehr.
Die Scorpions sind ja Deutschlands international erfolgreichste Band. Allein, wenn man die verkauften CDs nebeneinanderlegen würde, käme eine Strecke heraus, die von Hannover nach Madagaskar reichen würde. Weltweit ist die Band in großen Stadien unterwegs. Ein Stadionkonzert in Ihrer Heimatstadt Hannover fehlte bislang. Warum hat das so lange gedauert?
MEINE: Das ist eine gute Frage. Vielleicht liegt es daran, dass man zu Hause doch etwas mehr Respekt mitbringt und die Gästeliste mit Familien und Freunden besonders lang ist.
Korrekt. Die Band hat ja in aller Welt Kultstatus. In Deutschland sind Sie auch Superstars, aber hier hat es nie ganz so gezündet, wie man sich das eigentlich vorstellen würde. Haben Sie jemals ergründet, woran das liegt? Ist es so wie mit dem Propheten im eigenen Land?
MEINE: Och, die Geschichte ist ein bisschen abgedroschen. Und wir haben längst aufgehört, uns darüber Gedanken zu machen. Denn wenn man auf der anderen Seite des Atlantiks im ausverkauften Madison Square Garden spielt, dann kann man das verschmerzen. Zuletzt sind wir im Frühjahr mit den "Monsters of Rock" durch die großen Stadien in Südamerika gezogen. Also, alles gut aus unserer Sicht.
Keine andere deutsche Band hat die internationale Rockmusik so stark beeinflusst wie die Scorpions. Egal ob Smashing Pumpkins, Metallica oder Jon Bon Jovi, dem die Scorpions einst die Arenen-Tore für die große Rock-Karriere öffneten – alle verneigen sich vor Ihnen. Was bedeutet Ihnen diese Anerkennung?
MEINE: Die bedeutet uns schon sehr viel. Das ist vielleicht an vielen in Deutschland vorbeigegangen. Denn wir haben im Lauf der Jahre unsere eigene Scorpions-DNA entwickelt, die auch eine junge Musikergeneration inspiriert hat. Es ist schön zu sehen, dass Musiker wie Metallica sich von uns inspirieren haben lassen und die dann, wenn sie nach Hannover kommen, sagen: "Hannover ist für uns heiliger Boden."
Gibt es auf der anderen Seite auch neue Bands, die die Scorpions noch beeinflussen?
MEINE: (lacht) Nach 60 Jahren eher nicht. Es ist aber schon so, dass wir auch neue, junge Bands anhören. Greta Van Fleet aus den USA beispielsweise oder die mexikanische Girlband "The Warning". Wenn man bei denen reinhört, kann man nur sagen: Ganz, ganz stark, was da von der jungen Generation kommt. Wir haben immer junge Bands im Vorprogramm und versuchen auf diesem Weg, junge Musiker zu unterstützen.
Wenn Sie die DNA der Scorpions beschreiben müssten, wie sieht die in der Selbstspiegelung aus?
MEINE: Tja, das ist nicht leicht zu beschreiben. Trotzdem weiß jeder Fan, was das ist. Vielleicht ist es diese typische Verbindung zwischen Hard und Heavy, angereichert mit starken Balladen.
60 Jahre Rock 'n' Roll ist mehr als eine Ära. Als sie 1965 anfingen, war Ludwig Erhard Bundeskanzler. Wie empfanden Sie diese Reise durch die Zeiten?
MEINE: Es war wirklich eine spannende Reise durch die Jahrzehnte. Es ist gut, dass wir das Jubiläumskonzert in Hannover machen. Denn es erdet, wenn man weiß, wo und wie man begonnen hat. Die Freundschaft war in der Band immer ganz besonders wichtig und ist letztendlich auch der Schlüssel für den langjährigen Erfolg.
Wie lange wird es mit den Scorpions noch weitergehen? Oder heißt es: Rock 'n' Roll will never die!
MEINE: (lacht) Das könnte schon so kommen. Man sieht es bei den Stones als Generation vor uns, die immer noch einen guten Job machen. Und es gibt ja nicht viele Bands in diesem Alter. Jedenfalls, was uns betrifft, wir schauen mal, was geht.
Wie kamen Sie eigentlich auf den Bandnamen, der von einem Tier stammt, das ja sonst nicht so gut beleumundet ist und ziemlich giftig sein kann?
MEINE: Giftig schon, aber auch sehr widerstandsfähig. Der Skorpion ist ein Symbol für Widerstandskraft und Power – klein, aber doch sehr gefährlich (er lacht).
Rock 'n' Roll ist ja ein verrücktes Genre, genau wie seine Protagonisten. Wer die 27 übersteht, der hat auch – wie man eben an den Stones oder Deep Purple sieht – gute Chancen, lange auf der Bühne zu stehen? Wie ist Ihre Einschätzung?
MEINE: Absolut. Sex, Drugs and Rock 'n' Roll waren immer ein Thema im Rock 'n' Roll. Wenn man es aber geschafft hat, die verrückten 1980er Jahre zu überleben, wo jeden Tag Party war und Drogen immer available (verfügbar). Wer das überstanden hat und auch die Kraft hatte, nein zu sagen, der zählt zu den Überlebenden des Rock 'n' Roll. Manche haben das gemeistert, viele sind aber auch auf der Strecke geblieben.
Viele Rocksänger bekommen im Alter Probleme mit den Stimmbändern. Sie hatten zwischenzeitlich ja auch eine komplizierte OP. Was machen Sie, dass die Stimmbänder geschmeidig bleiben: täglich Salzwasser gurgeln?
MEINE: Nein, sicher nicht. Ich habe zum Teil gute Gene. Aber in den 80er Jahren hatte ich Probleme, weil ich jedes Konzert, jeden Abend, gesungen hatte, als würde es kein Morgen geben. Seitdem bin ich auf der längsten Zugabe meines Lebens. Ich weiß heute, wie ich mit meiner Stimme umgehen muss, damit sie auf der Bühne da ist. Das ist tatsächlich nicht selbstverständlich bei 30 bis 40 großen Shows im Jahr. Ich brauche meine Warm-ups und andere Dinge, die mit Disziplin zusammenhängen. Und Disziplin ist im Zusammenhang mit Rock 'n' Roll wirklich kein schönes Wort. Wenn andere noch am Feiern sind, muss der Sänger leider die Party verlassen. Ich muss aber wirklich nicht jeden Tag dreimal Gurgeln.
Wie halten Sie sich sonst körperlich fit, denn so ein mehrstündiges Konzert und eine lange Tour mit all den Reisen, die zehren ja?
MEINE: Das stimmt. Denn die Scorpions haben schon in Sibirien bei 30 Grad minus gespielt oder auch in La Paz auf über 3600 Metern Höhe, wo die Sauerstoffflaschen Backstage bereitstanden. Da muss man reichlich Cocatee trinken. Insgesamt haben wir uns auch vor großen Herausforderungen nie gescheut. Auch nächstes Jahr wird es im Frühjahr wieder richtig zur Sache gehen: etwa in México City oder in Sao Paulo. Man kann davon ausgehen, dass wir bis Hannover warm gespielt sind.
Und treiben Sie nun Sport?
MEINE: Ich habe lange Jahr Tennis gespielt, aber das belastete die Gelenke, so dass ich mich entscheiden musste zwischen Tennis und der Musik. Also für mich ist die beste Fitnessgeschichte, wenn wir Konzerte spielen. Denn inzwischen kommen auch so viele junge Leute in die Shows - und die Energie der Fans ist der Treibstoff, der diese Band und auch mich weiter antreibt.
Spielen Sie eigentlich immer noch Konzerte in Russland?
MEINE: Nein, nicht mehr, auch wenn es uns für all die Fans leidtut, die uns live sehen wollen. 2022 habe ich den Text von "Wind of Change" verändert, weil ich der Meinung war, dass es nicht mehr die Zeit ist, Russland zu romantisieren.
Kennen Sie eigentlich Russlands Präsident Putin persönlich?
MEINE: Es gab eine kurze Begegnung in Deutschland. Es hat mich überrascht, wie gut er Deutsch spricht. Ich bin aber dankbar, dass ich Michael Gorbatschow, der schon sehr krank war, noch 2019 in der Gorbatschow-Stiftung in Moskau getroffen habe. Das war sehr bewegend.
Will die Band überhaupt politisch sein oder ist das damals mit "Wind of Change" eher zufällig passiert?
MEINE: Wir sind per se keine politische Band, aber der "Wind of Change" hat natürlich auch unsere Welt sehr verändert. Der Song dazu hat inzwischen eine Milliarde Klicks überschritten. Er ist, wie wir bei den Konzerten sehen, noch immer sehr relevant. Wir spüren das besonders in Osteuropa, aber zum Beispiel auch bei Konzerten im Nahen Osten wird der Song sehr emotional aufgenommen.
Gerhard Schröder und Sie gehören ja zur sogenannten "Hannover Connection". Man sagt, er sei ein guter Freund von Ihnen. Wie würden Sie seine Rolle in der Causa Putin kommentieren?
MEINE: Wir haben schon lange keinen Kontakt mehr.
Sie haben damals, als die Mauern in Europa fielen, mit "Wind of Change" den Soundtreck einer neuen Zeit eingeläutet. Wenn sie für die heutige Zeit einen Banger schreiben würden: Wie würden Sie den nennen?
MEINE: (lacht) Wind of Change. Das Lied bringt alles, was es braucht, genau auf den Punkt. Wir alle sehnen uns doch danach, dass der Wind sich dreht. Die meisten Menschen hier und überall auf der Welt wollen doch nur in Frieden leben.
Zum Schluss noch mal etwas leichtere Kost. Aus Hannover kommen ja viele gute Rockmusiker und Rockmusikerinnen wie Fury in the Slaughterhouse, Jane oder Eloy, aber auch ein Popstar wie Lena. Warum ist die Stadt so ein fruchtbarer Homeground für erfolgreiche Künstler?
MEINE: Schwer zu sagen. Was uns betrifft, kann man das vielleicht mit dem englischen Birmingham vergleichen, wo ja beispielsweise Black Sabbath herkommen. Bei uns gibt es auch viel Industrie, Conti, VW, beides sind Städte mit rauem Kern und weichem Herz. Es hat in Hannover immer schon eine starke Musik-Szene gegeben. Und jetzt trägt die Stadt stolz den Titel "UNESCO City of Music". Am Ende sind es aber nur wenige, die den Weg bis zu Ende gegangen sind. Wir waren von Anfang an eine Band, die hinaus in die Welt drängte, auch um Brücken zu bauen. Wir kommen aus einer Generation, die nicht mit Panzern kam, sondern mit Gitarren.
Das wäre es, man müsste Panzer zu Gitarren machen, um rockige Stahlgewitter erzeugen.
MEINE: Es immer besser, miteinander zu singen, als sich gegenseitig zu erschießen.
Zur Person
Klaus Meine, 1948 in Hannover geboren, ist Sänger der Hard-Rock-Formation Scorpions und maßgeblich am Verfassen der Liedtexte und seit Ende der 1980er-Jahre auch am Songwriting beteiligt.
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