Robbie Williams sitzt auf einem Bett in seiner Villa in Los Angeles. Auf seinem staubigen Laptop verfolgt er sein früheres Ich: Viel Archivmaterial ist zu sehen, Backstage-Szenen, jubelnde Take-That-Fans, Ausschnitte aus seinen Solotourneen hin zum schmerzhaften Abschied vom Superstar-Dasein. Warum er in der vierteiligen Netflix-Doku „Robbie Williams“ nur mit Unterhose und Unterhemd bekleidet ist? Soll es eine Anspielung darauf sein, dass sein Leben ungefiltert gezeigt werden soll? Er wolle sich wohlfühlen, sagt er.
Es ist wohl kein Zufall, dass die Serie im vergangenen Herbst und damit kurz vor seinem 50. Geburtstag, den er an diesem Dienstag (13. Februar) feiert, erschienen ist. Der Sänger blickt anhand von Videosequenzen auf seine Karriere zurück. Kommentiert werden die teilweise sehr persönlichen Szenen ausschließlich von ihm selbst. In dem knapp 200 Minuten umfassenden Vierteiler kommen keinerlei Wegbegleiter zu Wort.
Mit 16 geht Robbie zum Vorsingen für eine Boygroup
Die Dokumentation beginnt mit seiner Zeit bei Take That, überspringt jedoch die Kindheit des Sängers. Geboren wird Robbie in der englischen Stadt Stoke-on-Trent. Nach der Scheidung seiner Eltern lebt er zusammen mit seiner Schwester bei seiner Mutter. Die Tatsache, dass er seine Mittlere Reife nicht besteht, wird oft mit seinem rebellischen Charakter in Verbindung gebracht; vor Kurzem gab Williams jedoch preis, dass er an Dyslexie, einer Störung der Lesefähigkeit leidet. Da ihm nur wenige Möglichkeiten offenstehen, arbeitet er unter anderem in einem Blumenladen. Dann jedoch stößt seine Mutter in der Zeitung auf ein Vorsingen für eine Boygroup und beschließt, Robbie wegen seines schauspielerischen Talents zum Vorsingen zu schicken. Er ist damals gerade einmal 16 Jahre alt. Als Mitglied von Take That wird er quasi über Nacht weltberühmt. Nach Startschwierigkeiten zündet 1992 die Single „Could It Be Magic" und die fünf Briten stürmen die Charts. Mit Hits wie „Relight My Fire" und „Back for Good” wird die Gruppe zur Super-Boygroup der 90er-Jahre und Robbie als alberner Clown zum Liebling vieler Fans.
Doch bald trüben Probleme den weltweiten Erfolg. Williams streitet sich mit Gary Barlow, der als das eigentliche musikalische Talent gilt. Außerdem passt Robbie wegen seines Alkoholkonsums nicht mehr in das Image einer Boyband. Er habe „jeden Abend eine Flasche Wodka getrunken", erinnert sich der Sänger. 1995 verlässt er die Gruppe. Sein Ausstieg hinterlässt verstörte Fans, die sich schluchzend in den Armen liegen. Robbie will stattdessen als Solokünstler durchstarten, hat jedoch Probleme, weil er tief in der Sucht steckt. „Meine Karriere ging den Bach runter“, erinnert er sich.
Mit "Angels" wird Robbie Williams vollends zum Superstar
Aber er hat noch „etwas Besonderes in der Hinterhand“ und spricht dabei von „Angels“. Nach der Veröffentlichung im Jahr 1997 wird der Song zu einer der erfolgreichsten Singles der 1990er-Jahre und zu einer Hymne, die Williams zum Superstar macht. Privat hat der Sänger viele Affären. Er verliebt sich in die Sängerin Nicole Appleton von der Londoner Girlgroup All Saints, hält sogar um ihre Hand an. Doch das Glück währt nur kurz. In den frühen 2000-Jahren ist Robbie mit Gery Halliwell alias Ginger Spice von der Mädchen-Band Spice Girls zusammen. Von der Presse verfolgt, geht auch diese Verbindung in die Brüche.
Musikalisch will Williams nach weiteren Hits wie „Come undone" oder „Supreme" neue Wege beschreiten und trennt sich im Jahr 2002 von Songwriter Guy Chamber, weil er mehr Freiheit braucht und vielleicht auch, weil er den Ruhm nicht teilen will, wieder einmal. Doch ganz allein kommt er nicht klar. Der Druck wächst, Angstzustände quälen ihn. In der Doku berichtet er, dass er bei einem Konzert in Leeds 2006 eine Panikattacke erlitten habe. „Ich hätte schwören können, dass die Leute meine Gedanken lesen – und da waren 90.000 Leute.” Seine Single „Rudebox“ wird auf der Insel verrissen. Eine Kritikerin bezeichnet sie als die schlechteste Platte, die sie je gehört habe.
Nach und nach nimmt die Karriere wieder Fahrt auf
Robbie verkraftet diese Niederlage nicht, tritt nicht mehr auf und verfällt erneut den Drogen. Zuflucht sucht er 2006 in dem Land, in dem er keine große Karriere gemacht hat: den USA. Dort lernt er seine Frau, die US-Schauspielerin Ayda Field, kennen, ein Wendepunkt in seinem Leben. Im Jahr 2007 durchläuft Williams erneut einen Entzug und wird clean. Er bekommt gemeinsam mit Field vier Kinder. Gleichzeitig nimmt er seine Karriere nach und nach wieder auf. Mittlerweile füllt er erneut Stadien, auch in Großbritannien.
Wie es dem Sänger heute geht? Er befinde sich in einer „Manopause“ – saloppe Bezeichnung für einen Testosteronmangel bei Männern – und habe mit schütterem Haar, verminderter Libido und Schlaflosigkeit zu kämpfen, berichtete er kürzlich und gewohnt offen. Seine Jugend wolle er dennoch nicht zurück. Früher sei er ein Gefangener gewesen, heute gehe es ihm besser, „mit guten und schlechteren Tagen".