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Wagners „Walküre“ windumtost bei Klassik am Odeosplatz

Openair

Klassik am Odeonsplatz: Wetterleuchten statt Feuerzauber

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    Da braut sich was zusammen am Himmel über dem Odeonsplatz. Vorne in der Feldherrnhalle haben derweil die Interpreten um Simon Rattle mit Windböen zu kämpfen.
    Da braut sich was zusammen am Himmel über dem Odeonsplatz. Vorne in der Feldherrnhalle haben derweil die Interpreten um Simon Rattle mit Windböen zu kämpfen. Foto: Marcus Schlaf

    Ja, die Dramatik. Die innere und die äußere. Sie verschränkten sich dieses Jahr beim ersten Konzert von Klassik am Odeonsplatz. Es war acht Minuten nach acht, als die Walküren begannen, tote Krieger, tote Helden in der Feldherrnhalle am Odeonsplatz für Walhall einzusammeln. Sozusagen. Sozusagen deshalb, weil sie es stimmlos, nur im inneren Auge des Publikums taten. Denn Simon Rattle, auch er ein Held des Abends, wenn auch ein lebender, hatte die Orchesterfassung des berüchtigten Walkürenritts aufs Programm gesetzt, also den Ritt ohne die ins Mark stoßenden „Hojotoho“-Rufe der neun Töchter des fleißig gezeugt habenden Wotan. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, durch CD-Einspielung erfahren auch in Richard Wagners „Walküre“, übernahm praktisch und mit festen Willen zur Überwältigung tausender Zuhörer das Hojotoho. So viel zur inneren Dramatik des Auftakts.

    Der auf dem Fuß die äußere Dramatik folgte. Denn während die Walküren gedanklich noch tote Leiber sammelten, fuhren die ersten Windböen durchs Orchester und durch die zusätzlich aufgestellten Zeltdächer in der Feldherrnhalle. Es wogte, allüberall. Es zitterten die Lautsprecher an den Kränen; es plusterte sich das lange Kleid der Brünnhilde auf, die auf ihren Einsatz noch zu warten hatte; es blies Notenblätter um zu Zeitpunkten, da dies nun gar nicht gebraucht wird (gut, dass Simon Rattle, der jüngst noch mit einem boarischen Hoagascht beschäftigt war, die Partitur intus hat); es fuhr auch in den Silberschopf des conductor himself, der zwischen den zwei Löwen der Feldherrnhalle und zwischen Fürst Karl Wrede, dem bayerischen Feldmarschall, und dem bayerischen Heerführer Graf von Tilly befehligte. Quasi drei Generäle in einer Reihe. Dann aber fiel windgepeitscht ein Zierpflanzentopf, der doch in Symmetrie hätte Ansehnlichkeit geben sollen diesem Klassik-Ereignis in Münchens guter Stube.

    Der Wind fuhr auch in die Mikrofone

    Aber da war es noch ein gutes Stück hin zum Schluss des dritten Aufzugs der „Walküre“ - auch wenn eine Abkürzung genommen und auf den Dialog Brünnhilde/Sieglinde verzichtet wurde. Wodurch Sieglinde weder erfuhr, dass sie ein Kind trägt unterm Herzen, noch das so wichtige Schwert erhielt für den künftigen Sohnemann Siegfried. Die Böen ließen zwar ein wenig nach, zauselten aber doch an einigen jener gut 100 Mikrofone, auf die BR-Intendantin Katja Wildermuth in kleiner Vorab-Ansprache - nicht ohne Stolz - hingewiesen hatte.

    Nicht recht herauszukriegen war, ob die vier Mikrofone unter den Löwenbrüsten verantwortlich waren oder nicht, jedenfalls hatte das Zauseln des Windes hörbare Folgen hinaus über den durchaus feinsinnigen Glanz des BR-Orchesters, das erneut bewies: Grundsätzlich geht es differenziert selbst unter offenem Himmel. Wenn auch das eine oder andere Detail verwehte …

    Das Wetterleuchten passt zur Aufführung

    Der größere, stärkere Bruder von Zephyr also zauselte an Haaren und Mikros, und zumindest letzteres übertrug sich bis heraus aus den Lautsprechern in Form sanften Grollens im Hintergrund von Wagners Partitur. Was jedoch insofern seine Berechtigung besaß, weil gleichzeitig erstes Wetterleuchten einsetzte.

    Aber bevor es zum Ärgsten kam, hatten erst mal Brünnhilde und Wotan ihren großen Auftritt, ihren erregten Disput. Stark anzuhören. Die allgemeine äußere Spannung potenzierte die innere. Der Vater muss - halbherzig - bestrafen, die Tochter sieht’s naturgemäß nicht ein. Wie überall. Michael Volle als Voll- und Hauptgott Wotan setzte einmal mehr seine künstlerische und rollengegebene Autorität ein, so prononciert wie wohlklingend. Anja Kampe als Halbgöttin Brünnhilde empfiehlt sich mit Trotz, konstruktivem Vorschlag - und hellen, pfeilgeraden, klaren, ganz und gar nicht forcierten Spitzentönen. Da fehlt sich nix, wie der Oberbayer lapidar sagt. Beide legen sich inbrünstig ins Zeug.

    Schön gespielt trotz aller Himmelsdrohungen

    Es bleibt dabei, Strafe muss sein; das hat Wotans Eheweib Fricka ihm, dem Unfreien, aufgetragen. Also ruft er Loge herbei, der einen Feuerring um Brünnhilde legen soll - und abermals instrumental klingt der dritte Aufzug züngelnd aus. Schön gemacht, Sir Simon, schön gespielt, die Damen und Herren Symphoniker - angesichts aller Drohungen des Himmels.

    Und dann geht alles ganz schnell. Der Applaus ist noch nicht verebbt, da verkündet Florian Schwarz, Nachrichtensprecher des BR, offiziell und ziemlich eilig den Abbruch des Abends. Vom Ammersee herüber komme ein nicht aufzuhaltendes Unwetter. Man möge zügig gehen ohne zu hasten. Finito. Brahms zweite Sinfonie fällt ins Wasser. Wer liebt einen nassen Brahms?

    Aber vielleicht hat der heftige Regen dann wenigstens den Feuerring um Brünnhilde gelöscht. Dann braucht sie keinen Siegfried zur Befreiung und muss nicht Hausfrau werden …

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