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Venedig Filmfestival 2024: Star-Glanz und Riefenstahls Erbe

Kino

Die Filmfestspiele in Venedig: Die Macht des schönen Scheins

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    Der Kontaktbogen aus dem Bestand von Heinrich Hoffmann zeigt Leni Riefenstahl bei einem Besuch von Joseph Goebbels in ihrer Villa in Berlin-Dahlem. Aufgenommen im Jahr 1937.
    Der Kontaktbogen aus dem Bestand von Heinrich Hoffmann zeigt Leni Riefenstahl bei einem Besuch von Joseph Goebbels in ihrer Villa in Berlin-Dahlem. Aufgenommen im Jahr 1937. Foto: National Archive

    Menschen, Geister, Sensationen. Mit dem Eröffnungsfilm „Beetlejuice Beetlejuice“ setzte das diesjährige Filmfestival von Venedig gleich ein Zeichen – und zwar für das klassische Popcorn-Kino. Die Fortsetzung eines 36 Jahre alten Kultklassikers, besetzt mit angesagten Jungstars (Jenna Ortega) und etablierten Größen (Winona Ryder, Michael Keaton) wäre mit ihrer Premiere vielleicht besser in einem der üblichen Hollywood-Kinos aufgehoben. Aber weil Regisseur Tim Burton, eine der Größen der Franchisefilme, zu alter Form aufläuft, und das Publikum der ersten Vorführungen in nostalgischen Assoziationen schwelgen kann, geht der Versuch auf: Die Filmfestspiele dürfen sich über wohlwollenden Applaus freuen. Auch wenn die künstlerische Bewertung der Filme noch aussteht, so ist der Fokus auf glanzvolle Präsentationen nicht zu übersehen – vielleicht auch als Reaktion auf den letztjährigen Schauspielerstreik, durch den Hollywoods Prominenz weitgehend vom Lido verbannt blieb. So gibt es mit „Joker: Folie à Deux“ einen weiteren Fortsetzungsfilm einer Franchise. Darüber hinaus gibt sich die Hautevolee der Branche die Ehre. Erwartet werden neben der Joker-Besetzung Joaquin Phoenix und Lady Gaga auch George Clooney, Nicole Kidman, Brad Pitt, Daniel Craig, Julianne Moore, Cate Blanchett und Angelina Jolie.

    Venedig-Filmfestival: Tim Burton & Andreas Veiel im Fokus

    Sinnigerweise kommt aus Deutschland gleich am zweiten Tag ein Beitrag, der die gefährlichen Hintergründe des schönen Scheins beleuchtet. Filmemacher Andreas Veiel („Black Box BRD“) wertete für seine von Sandra Maischberger produzierte Dokumentation „Riefenstahl“ neues Material aus den Archiven und dem Nachlass der kontroversen Regisseurin aus und zeigt so deutlich wie noch kein anderer Filmemacher die ideologische und persönliche Nähe Riefenstahls zum Nazi-Regime. Mitunter wirkt der Film etwas unfokussiert-bilderbogenartig, wenn er die Züchtigungsorgien ihres Vaters genauso präsentiert wie die abenteuerlichen Drehs ihrer Bergfilme oder das Schicksal ihres Kameramanns Willy Zielke, der in die Psychiatrie zwangseingewiesen und dort sterilisiert wurde.

    Im Gegensatz zu Ray Müllers bahnbrechender Dokumentation „Die Macht der Bilder“, aus der entlarvende Outtakes gezeigt werden, hatte Veiel eben auch keinen direkten Zugang zu Riefenstahl mehr. Spannend wird der Film vor allem dann, wenn er mit geschickt ausgewähltem Material ihre Selbststilisierung als unwissende Künstlerin durchbricht. Das gilt unter anderem, indem er ihre Erlebnisse beim Überfall auf Polen nachzeichnet, wo in ihrem Beisein – und womöglich sogar angeregt durch eine Regieanweisung ihrerseits – 19 Juden umgebracht wurden. Ein weiterer, vielsagender Seitenaspekt ist auch die Verehrung, die Riefenstahl in den Nachkriegsjahrzehnten von der deutschen Bevölkerung erfuhr – ein Akzent, auf dem der Film endet.

    Veiel belegt aber auch die stilistische Meisterschaft Riefenstahls

    Es sei allerdings nicht verhehlt: Ob gewollt oder nicht, indem Veiel ausgewählte Ausschnitte aus den Dokumentationen präsentiert – ebenso wie ihre Aufnahmen von der Volksgruppe der sudanesischen Nuba - belegt er die atemberaubende stilistische Meisterschaft Riefenstahls. Der schöne Schein hat seinen ästhetischen Reiz nicht verloren, was bei den Ausschnitten aus „Triumph des Willens“ besonders beklemmend anmutet. Auch die Filmfestspiele von Venedig gehören in diesen Kontext, nachdem dort „Olympia“ 1938 als bester ausländischer Film ausgezeichnet wurde.

    Natürlich mögen Fiktionen auch positive politisch-soziale Wirkungen entfalten. Darauf wurde Sigourney Weaver, die einen Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk erhielt, bei einer Pressekonferenz hingewiesen. Denn die Fragestellerin brachte ihre legendären Porträts starker Frauen mit dem bisherigen Siegeszug von Kamala Harris in Verbindung, worauf hin die „Alien“-Ikone vor lauter Rührung beinah in Tränen ausbrach. Nicht ganz unbescheiden meinte sie: „Wenn ich nur einen Moment daran denke, dass meine Arbeit irgend etwas mit ihrem Aufstieg zu tun hat, macht mich das sehr glücklich. Denn eigentlich ist das wahr.“

    Sinnigerweise wird Kamala Harris, die mehr auf Influencer denn Interviewer zu setzen scheint, ein Mangel an Inhalten zum Vorwurf gemacht. Auch die andere Seite setzt auf die Macht des schönen Scheins.

    Wie viel echte Substanz in den Filmen des Festivals steckt, bleibt abzuwarten. Eines steht jedenfalls schon fest: Ihr glamouröses Personal denkt nicht daran, im Austausch mit der Öffentlichkeit eigene Ideen vorzutragen. Die Stars lassen sich zwar aus ihren Luxushotels zu Pressekonferenzen heranfahren, aber Interviews gibt praktisch keiner der prominenten Gäste – ein Unikum in der Festivalhistorie. In einer erbaulichen Blase lebt es sich eben allemal leichter.

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